"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Spätestens seit im Sommer 2016 mit "Stoff & Schnaps" die wohl bekannteste Single von Lil Kleine und Ronnie Flex auf Deutsch erschien, dürften die Niederländer den meisten bekannt sein. Allerdings blieb es – zumindest in Deutschland – bei diesem einen Hit. Denn der Versuch, mit "1, 2, 3" an den Erfolg anzuknüpfen, erlangte bei Weitem nicht die Aufmerksamkeit des Vorgängers. In den Niederlanden sind sie allerdings zur ganz großen Nummer geworden.
Und gerade Lil Kleine hatte es mir damals trotz der Sprachbarriere enorm angetan. So war sein Debütalbum "WOP!" eine Anhäufung von Partyhits und verbreitete durchgehend gute Laune. Mit dem zweiten Album "Alleen" konnte er mich sogar noch mehr überzeugen. Hier baut der Niederländer zwar erneut ausschließlich auf die Fähigkeiten seines Produzenten Jack $hirak, jedoch ist der Sound dieses Mal vielseitiger. So werden weg vom Partysound auch mal düstere und ernstere Töne angeschlagen. So weiß $hirak mal mit leichten Klaviertönen, mal mit düsteren Synthies oder auch House-Anleihen zu überzeugen. Aber die neu hinzugekommene Abwechslung gilt nicht nur für das allgemeine Soundbild, sondern auch für den Inhalt, wenn man sich etwa den Titeltrack genauer anschaut. Klar, wenn man die ein oder andere Review zu seinen Alben überfliegt, ist er wohl nicht der größte Lyriker. Wenn man aber die Sprache nicht versteht, spielt das keine Rolle. Stattdessen lässt man sich einfach auf die Beats ein und hört einem Anfang 20-Jährigen zu, der es allein mit seiner Stimme sowie seiner Art zu rappen schafft, mir seine Emotionen zu vermitteln.
Alles in allem ist "Alleen" damit die logische Weiterentwicklung der ersten großen Hits eines jungen Künstlers. Lil Kleine ist vielleicht nicht der krasseste Rapper, weder technisch noch textlich. Aber er hat es geschafft, mir niederländischen Rap nahezubringen und mich näher mit den Texten auseinanderzusetzen, ohne dass ich auch nur ein Wort seiner Sprache spreche. Und das haben seitdem nur noch die "Higher Brothers" geschafft …
(Lukas Päckert)