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Interview

Helen Fares

"Klar fehlt Kri­tik, aber das ist im deut­schen Rap nicht mög­lich." – In die­ser Interview-​Serie spre­chen wir mit Deutschrap-​Journalisten über Maga­zi­ne und die Sze­ne, Kul­tur und Gos­sip, Kri­tik und Beef. Heu­te mit Helen Fares.

Deutschrap-​Journalismus. Schon über das Wort lässt sich strei­ten. Die einen mei­nen, "rich­ti­ger" Jour­na­lis­mus im deut­schen Rap exis­tie­re doch gar nicht. Außer­dem kön­ne ja jeder selbst bes­se­re Arti­kel schrei­ben als "die­se Prak­ti­kan­ten". Die ande­ren fin­den, jeder, der im deut­schen Rap jour­na­lis­ti­sche Tätig­kei­ten aus­führt, sei auch ein Jour­na­list. Die nächs­ten füh­ren auf: Ja, im deut­schen Rap sind Redak­teu­re unter­wegs – aber kei­nes­falls Jour­na­lis­ten. Zusam­men­fas­sen lässt sich: Fast jeder hat zumin­dest eine Mei­nung dazu. Aber wie steht es um die Mei­nung der Jour­na­lis­ten selbst? Denn die hat kaum jemand mal gefragt. Und so star­tet unse­re neue Serie – eine klei­ne Inter­view­rei­he mit aktu­ell rele­van­ten und akti­ven Jour­na­lis­ten der deut­schen Rap­sze­ne. Dabei möch­ten wir dar­über reden, war­um die Deutschrap-​Medien von so vie­len Sei­ten –auch von der der Künst­ler – immer wie­der unter Beschuss ste­hen und wie die Jour­na­lis­ten die­se Sei­ten­hie­be per­sön­lich emp­fin­den. Wir bespre­chen, wie ein­zel­ne Jour­na­lis­ten ihren Platz in der Rap­sze­ne wahr­neh­men und ob deut­scher Rap­jour­na­lis­mus in Gossip-​Zeiten noch kri­tisch ist. Wir möch­ten erfah­ren, ob sie die Sze­ne noch unter dem Kultur-​Begriff ver­ste­hen oder das Gan­ze für sie aus­schließ­lich ein Beruf (gewor­den) ist. Es kom­men Fra­gen auf, ob es ver­ein­bar ist, in die­sem Auf­ga­ben­be­reich Geld zu ver­die­nen und wie der aktu­el­le Deutschrap-​Journalismus und sei­ne Ent­wick­lung gese­hen wird. Und: Wie steht es über­haupt um die Ent­wick­lung der Rap­sze­ne an sich? Das und vie­les mehr wer­den wir in über zehn Inter­views bespre­chen, in wel­chen es ver­ständ­li­cher­wei­se immer nur um einen Teil­be­reich die­ser gro­ßen The­men­welt gehen kann. Als nächs­te Kan­di­da­tin, die uns Rede und Ant­wort stand, haben wir das Mul­ti­ta­lent Helen Fares im Gepäck. Jour­na­lis­tin, Mode­ra­to­rin, Podcast-​Stimme und ange­hen­de Psy­cho­lo­gin – egal, ob im Inter­net oder auf der Büh­ne des Frau­en­feld Fes­ti­vals: Helen hat nicht nur eine eige­ne Mei­nung, die sie auch arti­ku­liert, son­dern jede Men­ge Ener­gie und Aus­strah­lung. Und eini­ges zu sagen …

MZEE​.com: Zu Beginn des Inter­views wür­de ich ger­ne dar­über spre­chen, dass du vor eini­ger Zeit eine Sexismus-​Debatte ange­sto­ßen und dich aus der Welt der Deutschrap-​Medien zurück­ge­zo­gen hast. Hast du heu­te das Gefühl, dass die­ser Schritt für dein per­sön­li­ches Wohl­be­fin­den wich­tig und der rich­ti­ge war? 

Helen Fares: Ich habe mich offi­zi­ell als HipHop-​Journalistin zurück­ge­zo­gen, das hat aber nicht so ganz geklappt. Mit mei­ner Kol­le­gin Josi Mil­ler mache ich nun seit zwei Jah­ren den HipHop-​Podcast "Home­girl" – und da arbei­ten wir natür­lich sowohl jour­na­lis­tisch als auch unter­hal­tend. Abge­se­hen davon wer­den Äuße­run­gen in der Öffent­lich­keit, die auf Recher­che oder eige­ner Mei­nung basie­ren, im Deutschrap­kos­mos ja schon als Jour­na­lis­mus klas­si­fi­ziert, wes­halb es mir gar nicht mög­lich war, mich davon zu distan­zie­ren. Die Kul­tur dahin­ter pumpt halt im Blut. Der Schritt, mich von Hip​Hop​.de zu tren­nen, war durch­aus rich­tig für mich, da ich dort die Din­ge, die ich im Rah­men des Jour­na­lis­mus tun woll­te, nicht tun konn­te. Das lag weni­ger an Hip​Hop​.de als an den HipHop-​Fans in Deutsch­land. Ich woll­te ein For­mat machen, in wel­chem ich legen­dä­re US-​Rapper wie Mas­ta Ace inter­viewe. Und das nicht ein­fach nur so zwi­schen Tür und Angel auf einem Fes­ti­val. Aber abge­se­hen davon, dass es dafür kei­nen Markt in Deutsch­land gibt, war der Auf­wand, um das umzu­set­zen, so hoch, dass es sich auch für eine dop­pelt so gro­ße Grup­pe an Inter­es­sen­ten nicht gelohnt hät­te. Ich will halt tief­grün­di­ge Gesprä­che mit Leu­ten füh­ren, die kaum einer kennt. Das kann kein Sen­der tra­gen. (lacht)

MZEE​.com: Apro­pos: "So ein For­mat hät­te sich nicht gelohnt". Wenn du sehr viel Geld hät­test, um im Deutschrap-​Journalismus eta­blie­ren zu kön­nen, was dir fehlt: Wel­che drei For­ma­te wür­dest du als ers­tes in die Tat umsetzen?

Helen Fares: Gehen wir mal lie­ber gene­rell von Hip­Hop aus als nur von Deutschrap … Das ers­te For­mat wäre "Home­girls" als Show. Im zwei­ten For­mat käme Action Bron­son ein­mal im Monat zu mir. Wir wür­den dann zusam­men kochen und zu adop­tie­ren­de Hun­de ver­mit­teln. Und als drit­tes wür­de jeden Monat ein ande­rer legen­dä­rer Rap­per zu mir ein­ge­flo­gen. Ich dis­ku­tie­re mit jedem Künst­ler ein ganz spe­zi­fi­sches The­ma wie "Oba­mas dama­li­ge Außen­po­li­tik" oder "Die Neu­de­fi­ni­ti­on von Ras­sis­mus in 2018". Ich fin­de es total eigen­ar­tig, dass Künst­ler immer über ihre eige­ne Musik reden sol­len. Ich lie­be es, zu sehen, was hin­ter den Mas­ter­minds der Musik steht, die ich feiere.

MZEE​.com: Kann man aus dei­nen Wün­schen ablei­ten, dass dir in der hie­si­gen Bericht­erstat­tung ein klei­ner Fokus auf US-​Rap fehlt?

Helen Fares: Ja, total. Ich ver­ste­he aber auch, dass das hier nicht so super­vie­le Leu­te interessiert …

MZEE​.com: Und was fehlt dem deut­schen Rap­jour­na­lis­mus ganz all­ge­mein? Ich den­ke da an The­men wie Kri­tik, Politik …

Helen Fares: Also: Klar fehlt Kri­tik, aber das ist im deut­schen Rap nicht mög­lich. Dann redet halt kei­ner mehr mit dir, wenn du jedem im Inter­view sagst, was er denn dei­ner Mei­nung nach beim letz­ten Album falsch gemacht hat. Mal ganz abge­se­hen von dem Fakt, dass ich den Satz "Wenn du nichts Net­tes zu sagen hast, sag lie­ber nichts." eigent­lich auch in Bezug auf Jour­na­lis­mus schön fin­de. Und Kri­tik zu äußern nur des Kritik-​Äußerns wegen fin­de ich doof. Mir fehlt ein biss­chen der Dis­kurs dar­über, was für Ver­ant­wor­tun­gen im deut­schen Rap teil­wei­se igno­riert wer­den. Aber die­sen Weg wol­len vie­le Künst­ler auch nicht gehen.

MZEE​.com: Was meinst du mit "Ver­ant­wor­tun­gen, die im deut­schen Rap teil­wei­se igno­riert werden"?

Helen Fares: Es wird oft ver­ges­sen, wie vie­le jun­ge Leu­te die Musik hören und den Life­style nach­ah­men wol­len. Damit mei­ne ich nicht 15-​jährige Gym­na­si­as­ten, die auf dem Schul­hof "LMS" hören. Ich mei­ne För­der­schul­kin­der ohne Per­spek­ti­ve, die zum Bei­spiel 187 als Reli­gi­on betrach­ten. Dass das nicht die Schuld von 187 ist, ist klar. Es wäre aber echt nicht ver­kehrt, sich zum Bei­spiel auf Insta­gram nicht ganz so aso­zi­al zu ver­hal­ten: kei­ne frem­den Frau­en zu fil­men und sie zu bewer­ten, kein Code­in in die Sprite zu mixen und so wei­ter. Ich fin­de, dass Xatar da gute Social Media-​Arbeit macht, die den Kids nicht ver­mit­telt: "Hey, guck mal! Ich bin hart und krass und kei­ner fickt mit mir, weil ich gefähr­lich bin."

MZEE​.com: Wor­an liegt es, dass Künst­ler die­se Ver­ant­wor­tung oft nicht übernehmen?

Helen Fares: Ich glau­be, dass vie­le Rap­per ein­fach ihre Rea­li­tät spie­geln wol­len. Ich kau­fe es einem Bonez MC ab, dass er nicht groß dar­über nach­denkt, was er auf Insta­gram macht – da es nun mal sei­nem Life­style ent­spricht, die Din­ge, die er zeigt, auch wirk­lich zu tun. Es ist kein Geheim­nis, dass eini­ge der Stra­ßen­rap­per, denen wir Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit unter­stel­len, aus gewalt­ver­herr­li­chen­den und dro­gen­miss­brau­chen­den Umfel­dern kom­men. Wenn man da irgend­wann raus­kommt, dann rappt man halt über sei­ne eige­ne Rea­li­tät, ohne dar­auf Rück­sicht zu neh­men, dass das die Kids beein­flusst. Son­dern eher mit dem Gefühl, dass die Kids, die selbst in sol­chen Sze­nen sind, viel­leicht sogar ein Sprach­rohr bekom­men. Aber das ist alles nur eine Ver­mu­tung. Ich behaup­te, damit auch völ­lig falsch lie­gen zu können.

MZEE​.com: Ich wür­de ger­ne noch mal auf den Punkt "feh­len­de Kri­tik" zurück­kom­men. Was in mei­nen Augen fehlt, bezie­he ich nicht auf Alben, Sound oder Flow – die­se The­men kann man größ­ten­teils unter "Geschmacks­sa­che" ver­bu­chen. Son­dern zum Bei­spiel auf frag­wür­di­ge poli­ti­sche Inhal­te. Da emp­fin­de ich Kri­tik als ange­bracht und gerechtfertigt …

Helen Fares: Ja, ich stim­me dir völ­lig zu, dass das ange­bracht wäre. Aber wenn du dich mit Künst­ler X hin­setzt, ihm ins Gesicht sagst, dass sei­ne Kunst sexis­tisch ist und von dir als pro­ble­ma­tisch emp­fun­den wird, dann kannst du ers­tens davon aus­ge­hen, dass sein Mana­ger das Inter­view nicht frei­gibt, und zwei­tens, dass der Künst­ler nie wie­der ein Inter­view mit dir machen wird. Und dann stehst du da, hast dich viel­leicht zwei Tage auf ein Inter­view vor­be­rei­tet, hast Fahrt­kos­ten und musst den Kame­ra­mann bezah­len. Und nur, weil du eine kri­ti­sche Fra­ge gestellt hast, sitzt du dann schnell auf 400, 500 Euro und hast dir oben­drein noch einen Feind gemacht. Ich ken­ne kei­nen Rap­per, dem es nicht krass ans Ego geht, kri­ti­siert zu wer­den – vor allem vor der Kame­ra. Und ich kann das auch verstehen.

MZEE​.com: Ich weiß nicht, ob du ger­ne dar­über sprichst, aber mich wür­de dei­ne Mei­nung dazu sehr inter­es­sie­ren: Wie hast du denn die Reak­ti­on der deut­schen Rap­sze­ne auf den Echo-​Eklat empfunden?

Helen Fares: Ich kann nur für mein Umfeld spre­chen und da haben sich alle gegen Anti­se­mi­tis­mus aus­ge­spro­chen. Eben­falls haben sich so ziem­lich alle gegen den Echo und die­ses heuch­le­ri­sche Sys­tem aus­ge­spro­chen. Ich hab' den Mei­nun­gen um mich her­um also nur bei­pflich­ten kön­nen. Für mich ist das ein­zig wirk­lich Ner­vi­ge gewe­sen, dass die Non-​HipHop-​Medien auf ein­mal alle zu Deutschrap-​Spezialisten gemor­pht sind. Das war ein­fach unend­lich ner­vig. Aber ich den­ke, das The­ma "Echo" darf jetzt ein­fach ster­ben. (lacht)

MZEE​.com: Wenn wir über dei­ne Erfah­run­gen im Rap­be­reich spre­chen – abge­se­hen davon, wie du dich 2017 auf dem Frau­en­feld Fes­ti­val von eini­gen Rap­pern behan­delt gefühlt hast: Hat­test du über die Jah­re hin­weg das Gefühl, dass es einen Unter­schied zwi­schen der Behand­lung von männ­li­chen und weib­li­chen Jour­na­lis­ten in der Sze­ne gibt? Sei es von Künst­lern, Mana­gern, Ver­an­stal­tern oder aber auch Rapfans.

Helen Fares: Ja, ich den­ke mal, das spie­gelt so in etwa den Umgang der gesam­ten Gesell­schaft kon­zen­triert inner­halb eines Mikro­kos­mos wider. Ich fin­de unter­schied­li­ches Behan­deln an sich nicht ver­kehrt – ich möch­te zum Bei­spiel nicht, dass ein Rapfan zu mir kommt und mir grö­lend auf den Rücken klopft. Auch ich selbst gehe mit Män­nern und Frau­en unter­schied­lich um. Ich bin mit Frau­en zum Bei­spiel viel herz­li­cher als mit Män­nern, weil die­se Herz­lich­keit von Män­nern oft miss­in­ter­pre­tiert wird. Es gibt aber natür­lich auch Ver­hal­tens­wei­sen, aus­ge­hend von den Grup­pen, die du genannt hast, wel­che mich benach­tei­li­gen. Allein das The­ma "Dick­pics" … Ich glaub' nicht, dass Falk Schacht schon mal sowas bekom­men hat. (lacht)

MZEE​.com: Denkst du, dass man bei einer Frau eher davon aus­geht, dass sie weni­ger kom­pe­tent ist?

Helen Fares: Ja, total. Lei­der. Vor allem bei jun­gen Frau­en. Die älte­ren wer­den da schon mehr respektiert.

MZEE​.com: Wie steht es dabei um das Ver­hält­nis zwi­schen den Frau­en inner­halb der Rapszene?

Helen Fares: Es gibt defi­ni­tiv eini­ge Frau­en, die sich gegen­sei­tig nichts gön­nen – und das macht mich etwas betrof­fen. Auch das immer wie­der vor­kom­men­de, gegen­sei­ti­ge Nicht-​Unterstützen macht mich trau­rig. Ich ver­su­che aber, aktiv dage­gen zu wir­ken. Ich rufe immer wie­der dazu auf, dass Frau­en, die mei­ne Hil­fe, mei­nen Rat oder Kon­tak­te brau­chen, sich bei mir mel­den kön­nen. Ich hel­fe jeder – aber auch jedem –, der oder dem ich hel­fen kann, mit was auch immer mir zur Ver­fü­gung steht, wenn ich an das glau­be, was sie oder er tut. Ich fin­de Koexis­tenz so anstren­gend und es statt­des­sen so wich­tig, dass wir uns gegen­sei­tig pushen und sup­port­en. Es gibt auf jeden Fall eini­ge Frau­en im deut­schen Rap­kos­mos, die in Soli­da­ri­tät mit­ein­an­der leben. Damit mei­ne ich alle, von Fans über Jour­na­lis­tin­nen bis hin zu Rap­pe­rin­nen. Aber es gibt immer wie­der ein­zel­ne, die die­ses Mit­ein­an­der stö­ren und nur auf ihren eige­nen Vor­teil bedacht han­deln. Das ist ein­fach schei­ße – zumal es nicht sel­ten Frau­en sind, die eigent­lich nach außen hin Femi­nis­mus und Soli­da­ri­tät zu Frau­en propagieren …

MZEE​.com: Wor­an liegt das – ist es das alte "Frau­en haben was gegen Frauen"-Thema? Oder ein ganz spe­zi­el­les der Rapszene?

Helen Fares: Ich glau­be nicht, dass das ein Rap-​spezifisches The­ma ist. Aber, wie in so vie­len ande­ren Berei­chen auch, ist das im Rap – in kon­zen­trier­ter Form – reprä­sen­ta­tiv für die gesam­te Gesell­schaft. Aber ich weiß nicht, wor­an es liegt, dass Frau­en eher mit Frau­en kon­kur­rie­ren wol­len als mit Män­nern. Was wie­der­um dar­an liegt, dass ich noch nie wirk­lich Kon­kur­renz gegen­über einer ande­ren Per­son emp­fun­den hab' … Ich hab' grad' mal mei­ne Mama gefragt. Sie hat gesagt, dass sie ihr gan­zes Leben lang dafür gesorgt hat, die Frau­en in Ihrer Umge­bung zu befä­hi­gen und nie einer ande­ren mit Miss­gunst begeg­net ist. Und sie hat gesagt, dass sie in mei­ner Erzie­hung dar­auf geach­tet hat, dass ich das genau­so mache. Ein ande­res The­ma ist wohl die Unzu­frie­den­heit mit sich selbst und dem, was man hat – oder auch nicht hat –, die dafür sorgt, kon­kur­rie­ren zu wol­len. Und wenn man sich selbst bewusst macht, wie geseg­net man mit dem ist, was man eben hat, dann gönnt man jeder ande­ren Per­son den eige­nen Segen und freut sich für die ande­ren. (lächelt) Es ist genug für alle da.

MZEE​.com: Wie hast du denn in den letz­ten Jah­ren den Zusam­men­halt der Deutschrap-​Journalisten empfunden?

Helen Fares: Ich hab' ihn als nicht wirk­lich vor­han­den wahr­ge­nom­men. (lacht) Aber in den letz­ten Mona­ten ist das mei­nem Emp­fin­den nach schon bes­ser gewor­den. Trotz­dem fehlt es mir an Leu­ten, die sich gegen­sei­tig in Schutz neh­men – zum Bei­spiel auf Twit­ter. Was aber mitt­ler­wei­le viel bes­ser als noch vor einem Jahr ist: Dass sich unter Rap­jour­na­lis­ten gegen­sei­tig mehr Jobs emp­foh­len wer­den und ein­an­der in beruf­li­chen Sachen emo­tio­nal unter­stützt wird. Das find' ich wun­der­bar. Ganz spe­zi­fi­sche Küs­se dafür gehen raus an Enya Elst­ner, Miri­am Davoud­van­di und Alex­an­der Bar­bi­an, wenn ich hier mal so frech sein und Name­drop­ping machen darf …

MZEE​.com: Wenn wir das Gan­ze mal aus der Vogel­per­spek­ti­ve betrach­ten: Ist Deutschrap-​Journalismus als Teil der Sze­ne oder als außen­ste­hend zu sehen?

Helen Fares: Ich den­ke mal, 99,9 Pro­zent aller HipHop-​Journalisten sind HipHop-​Fans ­– und die Fans eines Gen­res oder, wie hier, einer Kul­tur gehö­ren defi­ni­tiv zur Szene.

MZEE​.com: Dann müss­te der Defi­ni­ti­on nach jeder, der Rap hört, Szene-​zugehörig sein …

Helen Fares: Na ja, es gibt Leu­te, die hören Rap zur "Belus­ti­gung", und Leu­te, die hören Rap aus Lei­den­schaft und mit dem Gefühl von Kul­tur­zu­ge­hö­rig­keit. Zwei­te­re mei­ne ich mit "Fans" und dem­nach mit Szene-Zugehörigen.

MZEE​.com: Das heißt, Jour­na­lis­ten tra­gen einen Teil zur Sze­ne bei wie Rap­per zum Bei­spiel auch?

Helen Fares: Ja, ich den­ke, Jour­na­lis­ten tra­gen einen klei­nen Teil zur Sze­ne bei. Sie sind Meinungs- und Stim­mungs­ma­cher, wei­sen dar­auf hin, wenn Rap­per sich Fehl­ver­hal­ten erlau­ben, was dann viel­leicht zu Kon­se­quen­zen beim Hörer führt. Sie stel­len neue Künst­ler vor, die ab und zu mit einem Schlag die Reich­wei­te bekom­men, die noch gefehlt hat, um fürs Fes­ti­val XY gebucht zu wer­den. Es wirkt tri­vi­al, aber Ein­fluss haben Jour­na­lis­ten defi­ni­tiv. Abge­se­hen davon soll ein HipHop-​Journalist mei­ner Mei­nung nach auch poli­ti­sche und gesell­schafts­kri­ti­sche The­men als Auf­ga­be sei­ner Bericht­erstat­tung sehen, denn das ist das, was Hip­Hop immer gemacht hat: Unge­rech­tig­keit voka­li­sie­ren. Wenn Jour­na­lis­ten das machen, sind sie für mich umso mehr Teil die­ser Kultur.

MZEE​.com: Und wie nimmst du die Erwar­tun­gen der Sze­ne an den deut­schen Rap­jour­na­lis­mus wahr?

Helen Fares: Die Rap­per wol­len, dass man mit ihnen gemein­sam Pro­mo macht, und erwar­ten von Jour­na­lis­ten und Jour­na­lis­tin­nen, dass sie nett sind und nur Gutes erzäh­len – sonst gibt's halt kei­ne Inter­views mehr. Von den Rezi­pi­en­ten wird erwar­tet, dass sie objek­tiv und kri­tisch sind. Da muss ich sel­ber lachen … Und Fans wol­len, dass man ihre Lieb­lings­rap­per sup­port­et und ande­re Rap­per kri­ti­siert. (lacht) Aber prin­zi­pi­ell ist das ja alles Unterhaltung …

MZEE​.com: Apro­pos "Erwar­tun­gen": Was meinst du, war­um deut­sche Rap­per immer wie­der Jour­na­lis­ten angreifen? 

Helen Fares: Das machen Rap­per ja inter­na­tio­nal immer wie­der. Das ist das ange­grif­fe­ne Ego. Ist ein­fach doof, wenn man sein Herz­blut in etwas steckt und dann irgend­je­mand kommt, der viel­leicht noch nie wirk­lich Musik gemacht hat und das dann schlecht bewer­tet. Das ist schon sehr ver­let­zend. Dann wird halt das eige­ne Sprach­rohr genutzt, um dem Frust Luft zu machen …

MZEE​.com: Denkst du, dass es jemals nach­voll­zieh­bar oder "in Ord­nung" ist, wenn sie das machen?

Helen Fares: Nach­voll­zieh­bar schon irgend­wie, in Ord­nung aber abso­lut nicht.

MZEE​.com: Kom­men wir noch auf ein letz­tes The­ma zu spre­chen: Was hältst du von der Ent­wick­lung des deut­schen Rap­jour­na­lis­mus der letz­ten zehn Jahre?

Helen Fares: Ich find's sehr schön, dass wir mehr Leu­te und viel diver­ser gewor­den sind, dass wir ganz anders sind als alle ande­ren Jour­na­lis­ten und vor allem fin­de ich es groß­ar­tig, dass Rap­jour­na­lis­mus inzwi­schen einen höhe­ren Unter­hal­tungs­an­spruch hat. Mitt­ler­wei­le fin­det sich die Mit­te zwi­schen Unter­hal­tung und gleich­zei­ti­ger jour­na­lis­ti­scher Hoch­wer­tig­keit immer öfter. (lächelt) Ich bin super­froh, dass sol­che Leu­te wie Visa Vie und Falk Schacht immer noch am Start sind. Ich freue mich aber auch dar­über, dass es neue und jun­ge Kol­le­gen wie dich, Miri­am Davoud­van­di, Nai­ma Lim­di­ghri, Aria Neja­ti und vie­le wei­te­re gibt.

MZEE​.com: Das hast du aber sehr lieb gesagt! Zum Abschluss des Inter­views möch­te ich ger­ne noch wis­sen, ob du deut­schen Rap als dei­ne Lei­den­schaft bezeich­nen würdest. 

Helen Fares: Hip­Hop ist eine mei­ner gro­ßen Lei­den­schaf­ten. Die Kul­tur als gan­ze hat mich, seit ich 12, 13 war, ein­fach ein­ge­saugt. Und dafür bin ich end­los dank­bar. (lächelt)

MZEE​.com: Ist es immer eine gute Idee, sei­ne Lei­den­schaft zum Beruf zu machen?

Helen Fares: Manch­mal ist es doof, wenn man das, was man liebt, so unro­man­tisch beruf­lich erlebt – aber damit kom­me ich abso­lut klar … Ein­fach, weil ich Hip­Hop so lie­be und mich mit ihm arrangiere.

(Flo­rence Bader)
(Fotos 1 und 3 von Jura Ger­many­uk, Foto 2 von Por­li Parker)