"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Am 01. Juni 2018 erblickt "Reflexionen aus dem beschönigten Leben" das Licht der Welt. Mit diesem Release in Aussicht fallen mir zwei Sachen wieder ein: Die Antilopen Gang ist nicht nur als Crew, sondern auch jedes Mitglied für sich verdammt talentiert. Und Danger Dan hat eben dies nicht zuletzt vor genau zehn Jahren schon unter Beweis gestellt.
Zugegeben: Ich selbst bin erst gute zwei, drei Jahre, nachdem der einstige Zopfträger sein "Coming Out" als Rapper hatte, auf die EP gestoßen. Ihre Wirkung hat sie bei mir dennoch nicht verfehlt. Denn schon damals wusste Danger Dan, sich rap- wie soundtechnisch weit entfernt von Klischees und Stereotypen zu bewegen. Auf Beats vom Mann Panik Panzer und selbsteingespielten Instrumenten rappt, singt und erzählt er von seinem Blick auf die Szene, der Liebe zum Klavierspielen und der Abneigung gegen Telefongespräche. Auch wenn es genau diese musischen und inhaltlichen Spielereien sind, die die EP so spaßig und unterhaltsam machen: Etwas ganz Besonderes machen die ruhigeren Momente aus ihr. Wenn Danger davon erzählt, dass Alltagslethargie "genetisch bedingt" sei oder die "Sommerlüge" als den Feind des Gedenkens an die Opfer der Naziverbrechen benennt, geht das nah und unter die Haut. Und das, ohne auf altbackene Phrasen oder Kitsch zurückgreifen zu müssen. Die damals wie heute relevanten Themen behandelt Dan ganz ohne Berührungsängste. Er zeigt sich selbst dabei offen und ehrlich, was einem ohnehin schönen Werk noch einen besonders persönlichen Ton verleiht. Und auch wenn die ein oder andere Stelle vielleicht noch etwas unerfahren oder ungeschickt ausgeführt anmutet: In ihrer Gesamtheit ergibt die "Coming Out EP" ein vielschichtiges, angenehm hörbares Stückchen Musik, das auch nach zehn Jahren zum Immer-wieder-Hören einlädt.
Schon vor einer Dekade gestand sich Danger Dan ein, Rapper zu sein und bewies zugleich, dass er im Grunde viel mehr ist als das. Somit lohnt es sich bis heute, die "Coming Out EP" aus der digitalen Plattenkiste zu holen und gespannt darauf zu warten, was da Anfang Juni auf uns zukommt.
(Daniel Fersch)