"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
B-Tights siebtes Studioalbum "A.i.d.S. Royal" erscheint in Kürze. Da wohl mehr als genug Deutschraphörer – nicht zuletzt ich selbst – ihre ersten Berührungspunkte mit der Szene dem Label mit dem Sägeblatt zu verdanken haben, dürfte dieser Titel jede Menge nostalgische Gefühle und Erinnerungen hervorrufen. Grund genug, das offensichtliche Namensvorbild "Alles ist die Sekte Album Nr.3" von Royal TS mal wieder aus der Plattenkiste zu kramen.
Nach Sidos "Maske" und der "Ansage Nr. 4" war dieses Album die dritte Platte meiner langsam wachsenden Aggro-Sammlung und obwohl das älteste der drei Releases, doch etwas völlig Neues. Alles wirkte viel roher. Statt ausproduziertem Sound und der einen oder anderen Single, die wie geschaffen dafür war, pausenlos auf MTV und VIVA zu laufen, klang Royal TS dreckig, hart und nach Untergrund – zumindest nach meiner damaligen Vorstellung vom Untergrund. Derbe, teils vollkommen überzogene Sprüche, hier und da vielleicht noch etwas holprige Flows von Sido und B-Tight und eine ordentliche Prise Sektenmentalität auf basslastigen, dumpfen Beats, meist von den beiden selbst produziert. Nicht zu vergessen die großartigen Featurebeiträge von Bektas, Bendt und (Messer) Mesut. Genau diese Mischung war es, die Royal TS zu so etwas Besonderem machte. Hier traf kompromissloser Battlerap ("Rap geht auch gut", "Opfer") auf entspannte Einblicke in das (Kiffer-)Leben in "So High… Teil 2" und "Bin was ich bin" oder absurde Konzepttracks wie "Hör' auf zu leben". Durch diese Kombination dürfte die Platte einer der Gründe dafür sein, dass ich der Rapszene damals – und bis heute – treu geblieben bin.
Klar, das "Album Nr.3" mag ein wenig in die Jahre gekommen sein und ob man alle Texte und Inhalte heutzutage noch genauso unterhaltsam finden würde wie damals, ist auch fraglich. Dennoch weiß die Platte, die die Umbenennung von Royal TS in A.i.d.S. markierte, noch mit nostalgischem Charme zu glänzen und darf deshalb immer wieder gerne aus der Plattenkiste geholt werden.
(Daniel Fersch)