Einer war mal krasser – das war 2Pac.
Nur einer ist noch krasser – das' mein Bruder.
Wenn allabendlich die Uhrzeiger auf viertel nach acht wandern, bedeutet das nicht nur das Ende der "Tagesschau". Es ist zugleich der Beginn der Primetime – der Moment, an dem die meisten Zuschauer einschalten. Zeit für Action und Unterhaltung. Mit seinem neuen Album "20:15" spielt Marvin Game genau auf diesen Augenblick an. Er fühlt sich als Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und will es dementsprechend allen zeigen.
Zeit spielt für den stets beschäftigten Berliner ohnehin eine wichtige Rolle. Während er sich durch verschiedenste "Zeitzonen" bewegt, hat er keine überflüssige Sekunde zu verlieren. Er ist ein Macher – immer auf dem Sprung zwischen dem Hustle, den Frauen und dem, was das Leben sonst noch bringt. Das sind dann auch die vorrangigen Themen auf "20:15", welche der IMMER.READY-Member in seiner gewohnt basslastigen Stimmlage vorträgt. Bisweilen gerät Marvins "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Ästhetik recht pathetisch und beinahe kitschig, wenn er etwa auf "Risiko" mit Rola vom Jagen der eigenen Träume sinniert. Wirklich mitreißen können die Stories aus seinem Leben nämlich kaum. Besser stehen ihm da die straight gerappten Parts wie auf "Zeit zurück", "Obstsalat" oder "Sonahamkoma", wo die Lyrics ohnehin zweitrangig sind und vor allem das schlüssige Soundkonzept überzeugt. Dieses ist, dank Marvins Bruder morten, wieder überaus dicht und abgerundet. Ob durch variationsreiche Beats oder atmosphärische Adlib-Einschübe – erst die Handschrift des "Global Players" verleiht "20:15" die schönsten Schnörkel.
Marvin Game stilisiert sich selbst gerne zum Alleskönner. Und er mag davon vielleicht gar nicht so weit entfernt sein. Denn Rap und Gesang gelingen ihm durchweg harmonisch. Doch sein selbstauferlegtes Image und die damit verbundene beschränkte Themenpalette lassen Abwechslung vermissen. Er kann deshalb auf einzelnen Tracks glänzen, während über die komplette Laufzeit des Langspielers insgesamt immer wieder die sprichwörtliche Luft raus ist.
(Florian Peking)