"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Viele von uns werden sich womöglich in der Situation wiedererkennen, die Gerard im Song "Lissabon" beschreibt: Detailliert und emotional wird hier vom Scheideweg einer Beziehung erzählt – bis hin zur Frage "Scheiße. Aus oder Pause?" Auch ich konnte vor vier Jahren eins zu eins nachempfinden, wie es dem Protagonisten des Tracks erging. Gleichzeitig war dies der Startschuss für "Blausicht" – ein Stück Musik, das in schwierigen Situationen eine emotionale Stütze sein kann und für mich persönlich genau das immer sein wird.
Das Album "Blausicht" hat jedoch viel mehr zu bieten als nur diesen einen Song. Es ist ein musikalisches Werk, das den Aufbruch zelebriert, den Ausweg aus der Hoffnungslosigkeit sucht und Mut macht. Egal, in welcher Tristesse man sich befindet, der Österreicher gibt einem die Richtung vor, denn: "Dieser Holzweg führt vielleicht zum Meer und wird zum Steg." Gerard benennt die Dinge mit einer gewissen Leichtigkeit – und denkt man über die Aussagen nach, die er in seinen Texten trifft, muss man anerkennen: Er hat absolut recht. Eigentlich beschreibt Gerard nur Szenen aus seinem alltäglichen Leben. Doch die Art und Weise seiner Erzählform schafft für den Hörer großen persönlichen Freiraum, seine ganz eigenen Geschichten daraus zu machen. Hier und da wurde die Soundkulisse des Werks sehr ruhig und verträumt aufgebaut. An anderer Stelle geht es wiederrum nach vorn – alles in allem wurden die Instrumentals jedoch immer passend zum einzelnen Song und sehr detailverliebt gestaltet, was der Platte den perfekten Feinschliff gibt.
Gerards "Blausicht" beinhaltet auf den verschiedensten Ebenen immer wieder magische Momente, die einen in seinen Bann ziehen. Sei es der Text, die Soundkulisse oder auch die Vortragsart. Es ist ein persönliches Album, in dem man seine ganz eigene Geschichte wiederfinden kann. Ein Stück Musik, das einen stärkt und Mut macht, die Dinge anders zu sehen – mit der Erkenntnis, alles schaffen zu können.
(Fabrizio Perri)