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Wir sind die Geschlechtskrankheit unter dem Hochzeitskleid.
Hört man einmal oberflächlich in die "Süff & Phillis"-EP von Dekzter Fro & Mundraub rein, könnte man beinahe meinen, dass hier in Sachen Primitivität ein neuer Tiefpunkt erreicht wurde. Denn ähnlich stumpf wie das Geschlechtskrankheiten-Wortspiel im Titel kommen auch die Tracks daher. Doch man merkt schnell, dass diese Rüpelhaftigkeit System hat. "Süff & Phillis" – ein Ekelprojekt als ausgedrückte Antihaltung?
Das "Intro" deutet bereits darauf hin, dass es auf dieser Platte etwas spezieller zugeht. Nachdem eine operettenhafte weibliche Gesangsstimme "Slap that ass, motherfucker!" vorträgt, folgen Scratches und einige geschmacklose Lines der Protagonisten, die schon einmal vorwarnen, was einen inhaltlich erwartet. Auf den restlichen Songs nehmen Dekzter Fro & Mundraub ebenfalls kein Blatt vor den Mund. Sie präsentieren gewöhnungsbedürftige Themen wie das Verführen von Frauen im Rentenalter, Battlerap im Veganer-Frutarier-Diskurs oder eben bildhafte Vorträge über Geschlechtskrankheiten. Das alles passiert freilich Lichtjahre entfernt vom guten Geschmack, aber dennoch kann man mit einiger Gewöhnungszeit etwas von den Rüpelrappern mitnehmen. Zum einen ist die Kombination aus routinierten Raps und gediegenen Oldschool-Beats derart chillig, dass sie schon fast ein Gegenprogramm zu den teils verstörenden Lyrics bildet. Und zum anderen begeben sich Süff & Phillis bewusst in unbequeme Rollen und regen so zum Nachdenken an. So ist beispielsweise "Rosarote Punchlines" ein Rap-Battle zwischen einem Homophoben und einem Homosexuellen, das beide Seiten eigensinnig beleuchtet.
Was also zunächst wie primitive Provokationsmusik scheint, konfrontiert gerade durch die ungeschönte Vorgehensweise mit immer noch aktuellen Ressentiments. Es ist dennoch fraglich, wie viel Reflexion letztlich angeregt wird, wenn vulgäre Inhalte einfach nur wiederholt oder zuweilen auch regelrecht zelebriert werden. Sicher ist am Ende nur eines: Wer "Süff & Phillis" genießen will, darf keine schwachen Nerven haben.
(Florian Peking)