Wieder neigt sich ein langes und ereignisreiches Jahr – auch für deutschen Rap – dem Ende entgegen. Um dieses gebührend abzuschließen, präsentieren wir Euch unseren MZEE.com Jahresrückblick in Form eines Adventskalenders. Zwischen dem 1. Dezember und Heiligabend warten somit 24 Türchen auf Euch, hinter denen sich insgesamt knapp 50 Interviews verstecken: Neben Rappern und Produzenten lassen auch Journalisten und Veranstalter bei uns das vergangene Jahr Revue passieren, indem sie auf fünf Fragen zum Jahresende Rede und Antwort stehen. Daraus ergibt sich ein buntes Mosaik, das Euch die Highlights aus 2016 noch einmal aus unterschiedlichen Perspektiven erleben lässt. Wir wünschen Euch viel Spaß beim Lesen, eine schöne Weihnachtszeit und ein frohes Fest mit Euren Liebsten!
Eure MZEE.com Redaktion
Davie Jones
MZEE.com: Ob alte Hasen oder Newcomer: Was prägt ein Jahr mehr als neue Releases? Deshalb wüssten wir zu Beginn gerne deine persönliche Top 3 der 2016 erschienenen Deutschrap-Platten.
Davie Jones: Nate57 mit "Gauna", Coup mit "Der Holland Job" und Kalim mit "Odysee 579".
MZEE.com: Werden wir ein wenig kleinteiliger, von Alben hin zu Tracks: Wer hat dieses Jahr die beste Line in einem deutschen Rapsong gebracht und welche war das?
Davie Jones: Hm, schwer zu sagen. Ich tu' mich da schwer, einen persönlichen Favoriten rauszusuchen. Aber die erste Zeile, die mir hierbei in den Sinn kam, war von Haftbefehl auf dem Song "Kanack": "069, Schnuffrap auf Deutsch, bös, Kanack. Der Bulle pumpt's ungewollt durchs Abhörgerät, Kanack."
MZEE.com: Kommen wir zu dem, was vor einem Jahr noch nicht absehbar war: Was hat dich in Bezug auf deutschen Rap im vergangenen Jahr so richtig positiv überrascht?
Davie Jones: Für mich waren eindeutig Bonez MC & RAF Camora die Überraschung des Jahres. Mit dem Album "Palmen aus Plastik" haben sie es geschafft, die Sommervibes aus Übersee auf Deutsch authentisch rüberzubringen. Reggae, Reggaeton und Dancehall waren hierzulande kaum zu finden – falls doch, klang das meistens nach einem billigen Abklatsch des Originals. Dank RAF und der 187 Strassenbande wurde in diesem Genre die Tür sperrangelweit aufgerissen. Ich bin gespannt, wie sich das im nächsten Jahr entwickelt.
MZEE.com: Und im Gegenteil: Was war in diesem Deutschrap-Jahr so richtig unnötig? Warum?
Davie Jones: Einiges. Musikalisch gab es aus meiner Sicht in diesem Jahr nicht viel zu bemängeln. Mich nervt eher dieses ganze Drumherum. Rapper gehen im wahrsten Sinne des Wortes für Promo über Leichen. Der Beef von KC Rebell und Xatar hätte beinahe ein Menschenleben gekostet und das ist ein Grund zur höchsten Alarmbereitschaft. Sobald man bei Beef mit der verbalen Auseinandersetzung nicht weiterkommt und man zu Gewalt greifen muss, dann regelt das bitte still und leise auf der Street, abseits der Öffentlichkeit. Hierbei spielen auch die HipHop-Medien eine große Rolle. Teilweise strotzen die Beiträge nur so vor Erbärmlichkeit. Ich kann nicht verstehen, wie man zu einem Beef zwei bis drei Videos hochladen kann, in denen zum Großteil Snapchat-Nachrichten vorgelesen werden. Noch weniger kann ich verstehen, dass sich die Leute das anschauen. Mir ist bewusst, dass HipHop mittlerweile auch den kommerziellen Markt weitestgehend prägt und somit automatisch gewisse Züge der Popkultur mit hineinfließen. Trotzdem nervt mich diese Schlagzeilenmacherei durch Klatsch und Tratsch. Es geht kaum noch darum, ob ein Release ansteht. Vielmehr geht es darum, was Rapper X zu Rapper Y sagt und was Rapper Z dann davon hält. Das Ergebnis sind dann Interviews in Spielfilmlänge, in denen man darüber debattiert, ob man "real" oder "fake" sein sollte – eine Frage, die für jeden echten HipHop-Head absolut nichtig ist. Ich wünsche mir, dass ein paar Portale sich in den nächsten Jahren wieder mehr mit der Musik beschäftigen. Pusht Newcomer, redet mehr über die Battlerap-Szene und sorgt dafür, dass Rap wieder im Vordergrund steht!
MZEE.com: Zu guter Letzt darfst du hier noch heimlich, still und leise jemanden auszeichnen: Welche Persönlichkeit der deutschen Rapszene – ganz gleich, ob Rapper, Produzent, Manager oder Journalist – hat in diesem Jahr besonders durch eine Leistung geglänzt oder konnte hervorstechen? Womit und warum?
Davie Jones: RAF Camora. Krasser Produzent, krasser Rapper. Seine Beats sind einzigartig und meistens der Zeit voraus.
Juse Ju
MZEE.com: Ob alte Hasen oder Newcomer: Was prägt ein Jahr mehr als neue Releases? Deshalb wüssten wir zu Beginn gerne deine persönliche Top 3 der 2016 erschienenen Deutschrap-Platten.
Juse Ju: "Limbus" von Prezident, "R.I.F.F.A." von T9 und "#Zwilling" von den Lochis.
Das Album der Lochis ist in den Top 3, weil in die Juse Ju-Media-Kontrolle-Bewertung auch immer Verkaufszahlen mit eingerechnet werden. Denn jeder Rapfan weiß: Der Beste ist der, der am meisten verkauft.
MZEE.com: Werden wir ein wenig kleinteiliger, von Alben hin zu Tracks: Wer hat dieses Jahr die beste Line in einem deutschen Rapsong gebracht und welche war das?
Juse Ju: Das war Lakmanns Line: "Ich bin nicht Meister Yoda, aber ficken ich dich werde."
MZEE.com: Kommen wir zu dem, was vor einem Jahr noch nicht absehbar war: Was hat dich in Bezug auf deutschen Rap im vergangenen Jahr so richtig positiv überrascht?
Juse Ju: Positiv überrascht hat mich das Album "16QT02 Tag drei" von Ahzumjot. Ich fand sein Album davor eher wack und hatte ihn schon abgeschrieben, aber der Typ kann was.
MZEE.com: Und im Gegenteil: Was war in diesem Deutschrap-Jahr so richtig unnötig? Warum?
Juse Ju: Unnötig finde ich es, dass jetzt gefühlt alle Alben innerhalb einer Woche machen, die scheiße klingen und die Hörer selbst sich aus dem ganzen Schrott die drei Tracks raussuchen müssen, die gut sind. Macht doch lieber nur ein Album pro Jahr, aber mit weniger Müll. All Killer, no Filler. Ein bisschen Quali, ihr Hunde!
MZEE.com: Zu guter Letzt darfst du hier noch heimlich, still und leise jemanden auszeichnen: Welche Persönlichkeit der deutschen Rapszene – ganz gleich, ob Rapper, Produzent, Manager oder Journalist – hat in diesem Jahr besonders durch eine Leistung geglänzt oder konnte hervorstechen? Womit und warum?
Juse Ju: Am meisten hervorgestochen sind für mich die Beginner. Sie haben mir Mut gemacht, indem sie bewiesen haben, dass man auch mit null Rap-Skillz und Anti-Swag am Releasetag Gold gehen kann. Das ist ein Motivationsboost für Wack MCs wie mich, die ähnlich uncool sind wie die Beginner. Wenn ihr also alles wack findet, was ich noch rausbringe, dann beschwert euch bei Denyo – "Ich komme rein" –, Eizi Eiz – "heißer Scheiß" – und DJ Mad – Schiebermützen-Dad-Swag. Sie sind mein Antrieb, weiterzumachen. Danke. Was' ein Flash, Digger!
(Florence Bader)
(Foto von Martin Pohle (Juse Ju))
(Grafik von Daniel Fersch)