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Interview

Felix Krull

"Wenn du einen gewis­sen Life­style gewohnt warst, der auf ein­mal weg ist, über­legst du dir: 'Wie komm' ich da wie­der hin?'" – Felix Krull im Inter­view über sei­ne Kind­heit, sein Image und die Münch­ner Rap­sze­ne sowie die Schi­cke­ria, deut­sche Poli­tik und sein neu­es Album "Kitsch".

Es ist noch gar nicht so lan­ge her, dass es in Mün­chen kei­ne kal­ten vier Grad zu jeder Tages­zeit hat­te und man auch abends gegen 20 Uhr so gera­de noch drau­ßen sit­zen und an einer Wein­schor­le nip­pen konn­te. Zu eben­je­ner tra­fen wir uns mit dem als "Kit­schrap­per" bekann­ten Münch­ner Felix Krull, schick wie eh und je in Hemd ge- und mit neu­em Tat­too im Gesicht beklei­det. Aus dem für eine knap­pe hal­be Stun­de ein­ge­plan­ten Inter­view ent­wi­ckel­te sich ein 70-​minütiges Gespräch, das an The­men so facet­ten­reich war, dass sich das Gan­ze kaum in die­se Ein­lei­tung packen lässt. Was musi­ka­li­sche The­men angeht, spra­chen wir natür­lich über das neue Album "Kitsch", die Über­set­zung des Life­styl­es "Kitsch" in einen annehm­ba­ren Sound, per­sön­li­chen Musik­ge­schmack und die Münch­ner Rap­sze­ne – vor allem im Ver­gleich zur Ber­li­ner. Auch das The­ma Mün­chen inklu­si­ve Okto­ber­fest, Wiesn­re­geln und die Schi­cke­ria kamen nicht zu kurz. Doch was das Inter­view in unse­ren Augen erst so rich­tig inter­es­sant mach­te, ist, dass Felix Krull bereit war, erstaun­lich Per­sön­li­ches von sich preis­zu­ge­ben und auch zu kri­ti­schen The­men eine Mei­nung zu haben. Er erklär­te uns, inwie­weit Felix Krull eine Image-​Sache ist und was es mit der Par­al­le­le zu Tho­mas Manns Hoch­stap­ler Felix Krull auf sich hat. Dar­über hin­aus sprach er offen über sei­ne Kind­heit und sei­ne Fami­lie, poli­ti­sche The­men im deut­schen Rap und die aktu­el­le poli­ti­sche Stim­mung in Deutsch­land. Doch am meis­ten ein­ge­brannt hat sich von die­sem Abend vor allem eines: "Schor­len ohne Grund."

MZEE​.com: Fan­gen wir mal ganz von vor­ne an. Heu­te kennt man dich als "Felix Krull", aber frü­her hast du dich auch "Stem­mer" genannt. Richtig?

Felix Krull: Ja, das waren aber immer bei­des mei­ne Namen. "Stem­mer" ist eigent­lich nur ein Aka wie "Slim Shady" bei Emi­nem. Ich hab' einen Kum­pel, der tota­ler Hard­li­ner ist und nur Schmarrn redet. Er hat immer gesagt, wenn einer ein "Macher" ist, dann ist er ein "rich­ti­ger Stem­mer". Ich kann­te das davor gar nicht. Aber dann hab' ich mich ein­fach selbst als Stem­mer beti­telt, weil mir das gefal­len hat … Und Fit­ness hab' ich ja auch schon immer gemacht: Ich bin zwar kei­ne Bodybuilder-​Kante, aber auch immer wie­der am Stemmen.

MZEE​.com: Um dich rich­tig ein­zu­ord­nen: Soweit ich weiß, fei­erst du unter ande­rem die Musik von Olson und Ali As. Was genau ist der deut­sche Rap, der dir per­sön­lich wirk­lich gefällt?

Felix Krull: Ich fei­er' eigent­lich mehr Sachen mit Ecken und Kan­ten. Bei Olson oder auch Ali gibt es teils sehr kom­mer­zi­el­le Lie­der, die nicht zu hun­dert Pro­zent mei­nen Geschmack tref­fen. Aber wenn man den Men­schen kennt und weiß, wie die Leu­te arbei­ten, fin­det man allein aus Respekt zur Kunst alle Sachen gut. Ich per­sön­lich höre eigent­lich schon immer kras­se­re Sachen. Was Deutschrap angeht, fin­de ich K.I.Z zum Bei­spiel mega. Die haben einen gei­len Humor und das Poten­zi­al, rich­ti­ge Hits zu machen. Aber die Tex­te sind so aso­zi­al, dass es letzt­end­lich kein Hit wer­den kann. Nur ein Stra­ßen­hit … All­ge­mein mag ich Künst­ler, die nicht alles so ernst neh­men. SSIO fin­de ich zum Bei­spiel sau­geil, weil er Gangs­ter­rap mit 'nem ein­zig­ar­ti­gen Humor ver­kauft. Oder den Plus­ma­cher und Kara­te Andi. Ich fin­de auch sowas wie Deich­kind rich­tig krass. Aber ange­fan­gen hat bei mir eigent­lich alles mit Aggro Ber­lin. Mit den wirk­lich roug­hen Sachen, "Ansa­ge" 1 bis 3 und so wei­ter. Und was natür­lich ein Ultra­klas­si­ker aus Mün­chen ist – ich weiß gar nicht mehr, aus wel­cher Zeit das so wirk­lich war: Fein­kost Para­noia. Die hab' ich auch rich­tig hef­tig gefei­ert. Die hat­ten echt 'nen gei­len Style, auch so aso­zi­al und frei Schnauze.

MZEE​.com: Bei Fein­kost hab' ich immer das Gefühl, dass außer­halb Mün­chens kei­ner mehr weiß, was das eigent­lich war. Schon ziem­lich underrated.

Felix Krull: Ja, übel!

MZEE​.com: Sze­ne­mä­ßig ist es in Mün­chen dann halt doch alles immer anders gewe­sen als in den rest­li­chen Großstädten …

Felix Krull: Das ist tat­säch­lich so. Ich war in letz­ter Zeit öfter in Ber­lin und was mir da so gut gefällt, ist, dass die Sze­ne ein­fach ganz anders ist. Zual­ler­erst exis­tiert da über­haupt eine Sze­ne … Ich war auf der Trailerpark-​Bar-​Eröffnung und da waren so vie­le ver­schie­de­ne Künst­ler. Zum Bei­spiel Blokkmons­ta. Das hat mir ein biss­chen die Augen geöff­net, wie cool die alle mit­ein­an­der umge­hen und was da für ein Netz­werk herrscht. Jeder kennt jeden, man hängt ab … Wenn du aus Ber­lin kommst, hast du ein­fach die Mög­lich­keit, in kür­zes­ter Zeit in die Sze­ne ein­zu­stei­gen. Du hast halt auch die Medi­en ziem­lich gebün­delt und kannst von ande­ren Rap­pern gepusht wer­den. Das gibt es in Mün­chen halt gar nicht. Das fin­de ich irgend­wo auch cool, weil es das ist, was mich ein­zig­ar­tig macht – dass ich eben nicht aus Ber­lin oder Ham­burg kom­me, son­dern ver­su­che, in so einer "schwie­ri­gen" Stadt mein Game zu eta­blie­ren. (über­legt) Noch mal zurück zu Fein­kost Para­noia: Ich fin­de auch, dass sie under­ra­ted sind … Mei­ner Mei­nung nach waren sie eigent­lich die ers­ten mit Gangs­ter­rap in Deutsch­land. Wenn man es Gangs­ter­rap nen­nen kann. Sagen wir "ziem­lich har­ten Rap". Die haben eigent­lich echt gro­ßen Respekt verdient.

MZEE​.com: Wo wir schon bei Mün­chen sind: Du bist ja dafür bekannt, ein "rich­ti­ger" Münch­ner zu sein mit allem drum und dran. Ich hat­te vor eini­gen Wochen das ers­te Mal das Ver­gnü­gen, das Okto­ber­fest zu besu­chen. Hast du einen all­ge­mei­nen Stemmer-​Tipp für den nächs­ten Wiesnbesuch?

Felix Krull: (über­legt) Man soll­te mög­lichst nicht in kür­zes­ter Zeit so vie­le Maß wie mög­lich trin­ken. Son­dern sich lie­ber vor­mit­tags schon gemüt­lich 'nen Tisch holen und dann über den Tag ver­teilt sei­ne Bie­re trin­ken. Dann ist es eigent­lich auch am lustigsten …

MZEE​.com: Wie sieht denn so ein Wiesn-​Tag bei dir aus? Du fei­erst doch sicher­lich in der Bel­eta­ge im Käfer-Zelt …

Felix Krull: Also, natür­lich: Als Kitsch-​Rapper ste­he ich auf Kitsch – das ist logisch. Und ich mag schon die extra­va­gan­ten Zel­te. Aber ich hab' auch vie­le Kum­pels, die irgend­wo an der Tür ste­hen und auf der Wiesn Secu­ri­ty machen. Und dann besu­che ich die auch mal. Ich hab' zum Bei­spiel einen Kum­pel, der im Schot­ten­ha­mel arbei­tet. So ist es immer super ent­spannt, da rein­zu­kom­men. Und zur Augus­ti­ner Braue­rei hab' ich 'nen guten Kon­takt. Da geh' ich immer gern hin, weil wir da in der Haus­box sit­zen kön­nen. Das ist schon echt geil. Ein­fach exklu­si­ver, weil da weni­ger Gedrän­gel und alles etwas gesit­te­ter ist. Was mich sehr nervt, ist unnö­ti­ger Stress. Und des­halb bevor­zu­ge ich die etwas exklu­si­ve­ren Wiesn-​Locations. Box und natür­lich Bal­kon – das sind die abso­lu­ten Highlights.

MZEE​.com: Kom­men wir auf dein neu­es Album zu spre­chen. Es trägt den Titel "Kitsch", der für dich eine gan­ze Lebens­ein­stel­lung zu sein scheint. Erzähl uns doch mal, wie du Kitsch genau definierst.

Felix Krull: Das ist 'ne gute Fra­ge, weil Kitsch meis­tens ein biss­chen nega­tiv behaf­tet ist. Vie­le Leu­te benut­zen das Wort im Zusam­men­hang mit über­kan­di­delt oder zu ver­spielt, zu bunt. Man benutzt das Wort ein­fach mehr im nega­ti­ven Kon­text. Für mich ist es aber genau das Gegen­teil. Für mich ist Kitsch ein Life­style und bezieht sich auf alles, was das Good­life aus­macht. Also, im Grun­de genom­men: Die Schi­cke­ria – die High Socie­ty – ist Kitsch. Mün­chen an sich ist auch schon sehr kit­schig, allein das Okto­ber­fest und die Trach­ten. Nicht abwer­tend gemeint, son­dern nice. Ich bin ein posi­ti­ver Mensch und mag ein­fach die Son­nen­sei­te des Lebens – und das defi­nier' ich als Kitsch.

MZEE​.com: Bist du denn ursprüng­li­cher Münchner?

Felix Krull: Ja. Also, in Dach­au gebo­ren. Aber das kann man noch zu Mün­chen zählen.

MZEE​.com: Wie bist du denn auf die­se Kitsch-​Thematik gekom­men und wie ent­stand es, zu sagen, dass das Gan­ze doch etwas Posi­ti­ves an sich hat?

Felix Krull: Ich habe mir von vorn­her­ein schon immer ein flam­boy­an­te­res Image ange­eig­net. Und mei­ner Mei­nung nach brauchst du als Münch­ner Rap­per nicht auf Stra­ße machen und von der Hood erzäh­len. Natür­lich gibt es hier Pro­blem­be­zir­ke, aber das ist nicht das, was Mün­chen aus­macht. Son­dern mehr die Schicki-​Micki-​Szene und das Highli­fe. Und da, fin­de ich, passt Kitsch ein­fach sehr tref­fend. Rap lebt ja von Schlag­wör­tern. Swag ist zum Bei­spiel eine ganz guter Par­al­le­le dazu. Das stand ja ursprüng­lich im Ame­ri­ka­ni­schen für schwul – aber genau das haben die Rap­per ein­ge­setzt für Pimps und Pelz­män­tel … Für mich ist das halt der Kitsch.

MZEE​.com: Bist du pri­vat auch in der Schi­cke­ria unter­wegs? Oder ist das ein rei­nes Image-Ding?

Felix Krull: Es gibt eine Par­al­le­le zu mei­nem Künst­ler­na­men "Felix Krull". In der ursprüng­li­chen Geschich­te (von Tho­mas Mann, Anm. d. Red.) geht es ja um den Sohn einer Perlwein-​Dynastie aus rei­chem Hau­se. Und plötz­lich gibt es den tota­len Absturz, weil die Fir­ma plei­te geht. Er möch­te dann aber die­sen Life­style wei­ter­füh­ren und fängt an, Lügen­ge­schich­ten zu erzäh­len und hoch­zu­sta­peln bis zum Geht­nicht­mehr. Und bei mir war es so, dass mei­ne Eltern eben auch ein Unter­neh­men hat­ten, das lei­der in Kon­kurs gegan­gen ist, und ich halt auch eine sehr schö­ne Kind­heit hat­te. Und im Anschluss wirk­lich mal die ande­re Sei­te des Lebens gese­hen hab'. Wir sind dann mit mei­ner Mut­ter in einen Pro­blem­be­zirk gezo­gen. Das war schon ein klei­ner Kul­tur­schock anfangs.

MZEE​.com: Wie alt warst du da?

Felix Krull: 16. Als Teen­ager hängst du halt sowie­so in den Sei­len. Und wenn du dann einen gewis­sen Life­style gewohnt warst, der auf ein­mal weg ist, dann zieht es dich A extrem run­ter und B über­legst du dir in Bezug auf dei­nen alten Lebens­stil: Wie komm' ich da wie­der hin? Das ist also die Par­al­le­le … dass ich da mit Rap wie­der hin will.

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MZEE​.com: Woher kann­test du die Geschich­te denn? Aus der Schule?

Felix Krull: Nee, mei­ne Mut­ter ist Büh­nen­schau­spie­le­rin gewe­sen, hat immer sehr viel gele­sen und mich dazu ver­don­nert, auch viel zu lesen. Sie hat unfass­bar vie­le Bücher und je mehr man sich damit aus­ein­an­der­setzt, des­to mehr ent­wi­ckelt man dann auch eine Vor­lie­be für Bücher. Irgend­wann hab' ich mich für die gro­ßen Schrift­stel­ler inter­es­siert und Tho­mas Mann ist da schon her­aus­ra­gend. So ist mir das in die Hän­de gefallen …

MZEE​.com: Es kann rich­tig Spaß machen, sich mal durch die gan­zen Klas­si­ker zu lesen …

Felix Krull: Das ist ja das Gei­le am Lesen. Dass man wirk­lich in die Welt des Autors ein­taucht. Je nach­dem, was man liest, natür­lich. Das hat mich auch geflasht. Und noch mehr, als dass ich das Buch so krass gefei­ert hab', fand ich's so pas­send zu dem, was ich machen woll­te. Es war auf Rap bezo­gen auch schwie­rig für mich, den Weg zu fin­den, weil du in Mün­chen nicht mit den typi­schen vier Säu­len des Hip­Hops ankom­men kannst.

MZEE​.com: Um noch mal zurück­zu­kom­men: Wie ver­packt man Kitsch in Musik? Viel­leicht auch sound­tech­nisch gesehen.

Felix Krull: Ich hab' schon immer ver­sucht, cat­chy Hooks zu machen. Das fin­de ich auf jeden Fall kit­schig im Gegen­satz zu mei­nen häu­fig har­ten Tex­ten. Damit spie­le ich und das wür­de ich defi­ni­tiv als kit­schig bezeich­nen. Ansons­ten habe ich vie­le Sachen aus­pro­biert. "Tage des Stem­mers" war das ers­te rich­ti­ge Rap-​Tape, das noch mehr auf die Fres­se ging als zuvor. Ich hab' davor noch eine EP gemacht, "Vom Koks­stein zur Frei­heit", die war ein biss­chen tief­grün­di­ger und nach­denk­li­cher. Irgend­wann hab' ich fest­ge­stellt, dass die Leu­te es eher fei­ern, wenn ich so lustig-​asozial um die Ecke komm'. Dar­auf hab' ich mich dann irgend­wann fokus­siert und seit­dem zieht sich das mit dem Kitsch durch. Auf "Tage des Stem­mers" und "Vom Koks­stein zur Frei­heit" ging es auch schon um die High Socie­ty – aber mehr um die Schat­ten­sei­ten der Schickeria.

MZEE​.com: Wie viel Wah­res ist denn am Stem­mer dran und wie viel eher ein Image-Ding?

Felix Krull: Das ist 'ne gute Fra­ge. Ich glaub', die Leu­te kön­nen das oft nicht ein­ord­nen. (über­legt) Schwie­rig, da eine pro­zen­tua­le Abstu­fung zu fin­den. Ich wür­de mal sagen, fifty-​fifty. Es gibt nicht viel, was ich erzäh­le und nicht in der Art erlebt hät­te. Aber, wie es für einen Rap­per üblich ist, hab ich auch 'nen Hang zum Über­trei­ben. Ich bin aber schon mehr der Typ   auch wenn es viel­leicht schwer zu glau­ben ist –, wie man ihn in den Vide­os sieht.

MZEE​.com: Das heißt, du rennst auch pri­vat gern in rosa Polo­hem­den rum …

Felix Krull: Ja, ja. Also, ich mein', ihr kennt ja die Münch­ner Dress­codes. Ich übertreib's jetzt nicht immer völ­lig. Aber ich find' so 'nen fly­en, extra­va­gan­ten Look auf jeden Fall gut.

MZEE​.com: Kom­men wir mal auf dei­ne Vide­os zu den fünf Regeln des Kitsch mit Nor­bert zu spre­chen. Wie bist du auf die Idee gekom­men – und wer ist der Junge?

Felix Krull: (grinst) Das ist der klei­ne Bru­der von einer Freun­din von mir. Ich will damit ein biss­chen hin­ter die Kulis­sen bli­cken las­sen und zei­gen, dass bei allem, was ich mache, eine gro­ße Schip­pe Humor dabei ist. Das kann man dadurch leich­ter ver­ste­hen als durch die Songs. Und ich woll­te ein paar Ein­bli­cke in mei­ne Welt geben und zei­gen, wie es hier in Mün­chen so läuft. Ich den­ke, es hat auch einen Mehr­wert, sodass sich Leu­te da was raus­zie­hen kön­nen. Am bes­ten ist es, dar­an anzu­knüp­fen, dass es mir frü­her sel­ber so ging. Ich war Ska­ter zu einer Zeit, in der das nicht cool war. Ich hat­te echt Pro­ble­me, an Mädels ran­zu­kom­men. Es hat immer Ska­ter­chicks gege­ben, aber ich war der Typ, der mehr auf die fan­cy Ladies stand. Das hat so nicht ganz funk­tio­niert. Ich hab' mir auch über­legt: "Wie find' ich mehr Anklang bei Frau­en, die mir gefal­len?" Und dann habe ich gemerkt: "Wenn du dich schick klei­dest, schin­dest du auf jeden Fall mehr Ein­druck." Vie­le der Ein­flüs­se in den fünf Regeln des Kitsch sind von mir sel­ber durch­lebt wor­den. Das ist qua­si der Leit­fa­den für den Lifestyle.

MZEE​.com: Du bist also von den Inhal­ten durch und durch überzeugt.

Felix Krull: Ja, auf jeden Fall. Ich hab' eine Zeit lang echt unge­sund gelebt und dann fest­ge­stellt, dass es ein­fach nicht gut ist. Ich lebe schon sehr gesund … Okay, das mit der Kip­pe im Video war über­trie­ben, aber ich bin kein Rau­cher. Um das zu unter­strei­chen: Ich fin­de Rau­chen blöd. Mal ist es cool, auf 'ner Par­ty rauch' ich auch mal eine. Aber im End­ef­fekt ist es unge­sund und schei­ße. (über­legt) Vie­le der Inhal­te wer­den da ja lus­tig ver­kauft, aber es ist Spaß-Ernst …

MZEE​.com: Ganz ande­res The­ma: Bist du Drake-Fan?

Felix Krull: Oh ja.

MZEE​.com: Des­halb auch der Track "OVO"?

Felix Krull: Ja.

MZEE​.com: Gibt es noch mehr Anlei­hen die­ser Art auf dei­nem neu­en Album?

Felix Krull: Ich hab' schon immer gern mit Quer­ver­wei­sen gespielt. Zum Bei­spiel gibt es einen Song, "Schön, dre­ckig und reich", da zitie­re ich die Fan­tas: "Bevor wir fall'n, fall'n wir lie­ber auf". Sol­che Spie­le­rei­en mache ich ganz ger­ne. Ich fin­de, das ist ein coo­les Stil­mit­tel, um in sei­nen eige­nen Lines Respekt zu zol­len. Und Dra­ke fin­de ich ham­mer. Es ist ein­fach wit­zig, aus "October's very own" "Oktoberfest's very own" zu machen.

MZEE​.com: Dei­ne neu­en Vide­os sind vom Style her ja schon anders als das, was du bis­her gemacht hast, und auch sehr eigen im Ver­gleich zu dem, was es sonst so gibt. Ich hab' einen Kom­men­tar unter einem dei­ner Vide­os gele­sen: "Die Leu­te hier haben Angst vor was Neu­es". [sic] Fin­dest du, dass das in Bezug auf dei­ne Musik passt?

Felix Krull: Auf jeden Fall. Das passt wie die Faust aufs Auge. Den Kom­men­tar hab' ich auch gele­sen und es ist echt so. Sobald du mit was ande­rem kommst, eckst du erst  mal an. Die Rapf­ans sind halt ein gewis­ses Sche­ma F gewöhnt. Für mich ist es manch­mal schwie­rig, zu ver­ste­hen, wer bei­spiels­wei­se 16bars abon­niert. Was ist der Schwer­punkt? Es ist immer wie­der über­ra­schend, dass es ent­we­der Leu­te gibt, die mei­ne Sachen mega fei­ern – oder mega has­sen. Die Leu­te haben auf jeden Fall immer wenig Akzep­tanz für was ganz Neu­es. Das macht es schwe­rer, sich zu eta­blie­ren – aber auch inter­es­san­ter. Ich bin bei­spiels­wei­se ein gro­ßer Kollegah-​Fan und kann mich dar­an erin­nern, was er für Schel­len vom Game und wie wenig Respekt er am Anfang bekom­men hat. Und mitt­ler­wei­le ist er so der größ­te Rap­per über­haupt, hat alle Rekor­de geknackt, die zu kna­cken sind.

MZEE​.com: Sol­che Kom­men­ta­re liest man auch über die Jungs von Live From Earth oder der Glo Up Dine­ro Gang. Unter dem Namen "FLEX" hast du ja schon ein Feau­ture mit YSL Know Plug aka Money Boy gemacht – hast du eine ähn­li­che Her­an­ge­hens­wei­se an Musik?

Felix Krull: Schwie­ri­ge Fra­ge. Wie der Boy jetzt nicht. Den kenn ich ja auch pri­vat und das ist ein echt coo­ler Typ. Echt cra­zy und genau so, wie er ist, ist er. Brauch' ma nicht reden. Bei ihm ist das ein­fach ein Phä­no­men. Ich hat­te nie die Opti­on, ein Trash-​Star zu wer­den. Ich weiß auch immer noch nicht genau, was er sich bei "Dreh den Swag auf" gedacht hat. Er ist auf jeden Fall nicht dumm. Aber ich glau­be, in irgend­ei­ner Wei­se hat er den Song schon ernst gemeint. Das ist auf jeden Fall nicht mei­ne Her­an­ge­hens­wei­se. Es ist schon so, dass das, was ich mache, bewusst ein biss­chen ulkig ist und einen gewis­sen Humor hat. Da könn­te man schon sagen, dass ich mich – ähn­lich wie die – nicht so ernst neh­me und alles ein biss­chen locke­rer sehe. Und es scheiß­egal ist, ob die Leu­te sagen: "Was ist das für ein Mon­go?", weil sie kei­nen Ein­blick in das haben, was ich mach'.

MZEE​.com: Fin­dest du dich in einer Spar­te in Rich­tung Clou­drap oder Trap rich­tig eingeordnet?

Felix Krull: Die Rich­tung ist nicht ver­kehrt. Ich wür­de mich schon als noch eige­ner sehen – aber letzt­lich gibt es es als Par­al­le­le auf jeden Fall das Viel-​über-​Highlife-​rappen. Was ich aber nicht mache, ist, ame­ri­ka­ni­schen Tracks auf Deutsch zu inter­pre­tie­ren. Das ist nicht mei­ne Her­an­ge­hens­wei­se. Ich gestal­te die Beats mit und hab' ein kla­res Sound­bild vor Augen, das ich ver­fol­ge und fes­ti­gen will.

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MZEE​.com: Weil ich die gan­ze Zeit dein Tat­too angu­cken muss … (Felix Krull hat ein Martini-​Glas neben dem rech­ten Auge täto­wiert, Anm. d. Red.) Musst du eigent­lich nicht arbei­ten gehen?

Felix Krull: (lacht) Irgend­wann muss man sich was trau­en und all-​in gehen … bis vor Kur­zem muss­te ich immer par­al­lel arbei­ten. Die Schwie­rig­keit besteht aber dar­in, dass du viel Zeit ver­lierst, in der du mehr für dei­ne Kar­rie­re machen könn­test. Und ich glau­be, solan­ge du nicht sagst: "Ich ent­schei­de mich voll dafür!", kannst du nie ganz durch die Decke gehen. Und dafür hab' ich mich jetzt ent­schie­den. Klar, 'ne Gewiss­heit hast du nie. Aber: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ohne Risi­ko gibt's auch kei­ne gro­ßen Erfolge …

MZEE​.com: Was hat die Mama gesagt?

Felix Krull: Ich glaub', die hat das noch gar nicht gese­hen, wenn ich ehr­lich bin. (über­legt) Die wer­den das auf jeden Fall rich­tig übel fin­den … Mein Dad war schon auch immer eher der Typ, der alles, was ich gemacht hab', sup­port­et hat. Mei­ne Mum hat, weil sie eben sel­ber eine Schau­spiel­kar­rie­re ver­folgt und gese­hen hat, wie hart die­ses Busi­ness ist, immer ein biss­chen ver­sucht, mir zu sagen: "Mach mal was Geschei­tes." Ich hat­te da neu­lich 'ne lan­ge Unter­hal­tung mit ihr, weil: Was ist was Geschei­tes?! Das ist 'ne Grund­satz­de­bat­te. Mei­ner Mei­nung nach ist es nicht rich­tig, sein Leben lang eine Tätig­keit aus­zu­füh­ren, die einen nicht wirk­lich erfüllt. Des­we­gen haben ja die Leu­te 'ne Mid­life­cri­sis oder sind depres­siv. Lan­ger Rede, kur­zer Sinn: Mei­ne Mum hat immer ver­sucht, mich auf die gera­de Schie­ne zu drü­cken. Ist, den­ke ich, nor­mal für 'ne Mut­ter – sie wünscht sich, dass ihr Kind nicht in Trou­ble ist. Und wenn du Mucke machst, bist du ab und zu mal in Trou­ble. Es gibt dazu auch 'ne Anek­do­te, ich hof­fe, ich krieg' sie noch zusam­men: Gott schuf die Muschel am Mee­res­bo­den und alles, was sie gemacht hat, ist die Klap­pe auf und Klap­pe zu, und hof­fen, dass irgend­wann mal was zum Essen durch­schwimmt. Und dann schuf Gott den Adler, der flie­gen kann – die größ­te Frei­heit von allen hat, die man sich vor­stel­len kann. Aller­dings muss er jeden Tag für sein Fut­ter kämp­fen. Und da stellt man sich die Fra­ge: Wer ist glück­li­cher? Da den­ke ich schon, dass der Adler zwar jeden Tag sein Fut­ter suchen muss, aber sei­ne Frei­heit wird halt die Muschel am Mee­res­bo­den nie haben. (grinst) Es war noch schö­ner for­mu­liert. Aber ich hab's versucht!

MZEE​.com: Ist es nicht so, dann man alle fünf Jah­re so ein – ver­mut­lich alko­ho­li­sches – Getränk hat, das man ger­ne trinkt? Und wenn man weg­geht, bestellt man sich eine Wei­le immer die­ses eine Getränk?

Felix Krull: Ja, da stim­me ich dir zu.

MZEE​.com: Was ist, wenn du in zehn Jah­ren Mar­ti­ni schei­ße fin­dest? (alle lachen)

Felix Krull: Also, da kann ich dir Brief und Sie­gel drauf geben: Weil Mar­ti­ni das James Bond-​Getränk ist, wird es für immer cool bleiben.

MZEE​.com: Und was ist dein aktu­el­les Lieb­lings­ge­tränk? Weißweinschorle?

Felix Krull: Ja, defi­ni­tiv. Schor­len ohne Grund. (alle lachen)

MZEE​.com: Wär' auch ein Albumtitel.

Felix Krull: Über­le­ge ich gera­de, weil ich neben­bei noch eine EP mache.

MZEE​.com: Du hast vor­hin gesagt, dass du in Mün­chen nicht die gro­ße Sze­ne siehst wie bei­spiels­wei­se in Ber­lin. Eine klei­ne Sze­ne gibt es hier ja den­noch – rund um Keno, Edgar Was­ser und so. Wie fin­dest du sie?

Felix Krull: Ich bin jemand, der alle Sachen objek­tiv betrach­ten kann und ich hate gar nichts. Ich fin­de, Viel­falt ist das Schö­ne, was die Musik aus­macht. Ich unter­schei­de eigent­lich nur, ob Musik gut gemacht oder ein­fach nur hin­ge­rotzt ist. Da leg' ich mehr das Augen­merk drauf. Die Jungs sind auf jeden Fall rich­tig super. Aber es sind nicht mei­ne The­men. Und die Sze­ne ist tat­säch­lich auch sehr spe­zi­ell in Mün­chen. Die sind alle sehr für sich. Ich hab' von denen noch nie einen gese­hen oder gespro­chen. Ich glau­be, die Glo­cken­bach­werk­statt ist mit ihren Ver­an­stal­tun­gen so ein Ort … Es kann eigent­lich nicht scha­den: Ich soll­te mir das mal geben …

MZEE​.com: Vor Kur­zem hast du gesagt, dass du Musik machen möch­test, die die Men­schen von ihren Pro­ble­men und der har­ten Rea­li­tät ablenkt. Denkst du, dass wir uns gera­de wirk­lich in einer Zeit befin­den, in der Men­schen nicht beson­ders auf­merk­sam dafür sein soll­ten, was in der Rea­li­tät vor sich geht?

Felix Krull: Das ist ein wahn­sin­nig schwie­ri­ges The­ma. Letzt­end­lich fin­de ich: Wenn sich jemand öffent­lich damit beschäf­tigt, dann soll­te er davon auch Ahnung haben. Und ich bin ehr­lich, dass ich in dem gan­zen Wirr­warr der Welt­po­li­tik nicht mehr wirk­lich durch­bli­cke. Und manch­mal auch nicht weiß, was ich über­haupt glau­ben soll. Des­halb ist das sehr dün­nes Eis, auf das man sich begibt, wenn man ein gefähr­li­ches Halb­wis­sen hat. (über­legt) Unab­hän­gig vom Künst­ler­da­sein fin­de ich es ganz furcht­bar, dass wie­der so ein rech­ter Wind durchs Land geht. Das ist auf jeden Fall ein abso­lu­tes Warn­si­gnal, dass die Leu­te defi­ni­tiv akti­ver wer­den und sich mehr enga­gie­ren müs­sen. Die Ver­gan­gen­heit hat zu oft gezeigt, wie schnell das umschlägt, nur weil die Leu­te im Dorn­rös­chen­schlaf lie­gen und nicht beob­ach­ten, was um sie rum pas­siert. Das ist im Moment sehr, sehr ernst zu neh­men und es ist natür­lich wich­tig, im Bil­de zu sein und sich zu enga­gie­ren. Um da auf den Aspekt mit der Musik zu kom­men … Was mei­ne Musik bewir­ken soll: ein­fach nur gön­nen. Im Grun­de genom­men ver­su­che ich, nur posi­ti­ve Vibes in die Welt zu schi­cken. Weil Vie­les ein­fach echt trau­rig ist. Das Pro­blem ist: Ich hab' mir schon oft über­legt, ob ich mal was mache, aber es ist sehr schwer … Wie machst du denn 'nen Anti-​AfD-​Song? Im End­ef­fekt müss­te er ja irgend­wie lus­tig sein. Das ist mei­ner Mei­nung nach ganz schwie­rig. Des­we­gen mache ich es musi­ka­lisch gese­hen so, dass die Leu­te was zu lachen haben und per­sön­lich sehe ich es abso­lut ernst mit der poli­ti­schen Ent­wick­lung in unse­rem Land und bin der Mei­nung, dass man sich enga­gie­ren sollte.

MZEE​.com: Ist Musik eine Art Kata­ly­sa­tor, um dich selbst mal von Nega­ti­vem abzulenken?

Felix Krull: Ich wür­de sagen, dass das auf jeden Fall ein domi­nan­tes The­ma in mei­nem gan­zen Leben ist. Dass ich beschlos­sen habe, mehr auf die posi­ti­ven Sachen zu gucken als auf die schlech­ten. Was jetzt nicht heißt, dass man nur die rosa­ro­te Bril­le auf hat und "nach mir die Sint­flut". Das mei­ne ich jetzt nicht. (über­legt) Ich den­ke, dass bei­spiels­wei­se die Medi­en mani­pu­la­tiv sind und sehr pla­ka­tiv, was schlech­te Nach­rich­ten angeht. Da ist die Musik natür­lich irgend­wo ein Ven­til und dass ich sage: "Hey, es gibt auch nice Sachen in der Welt zu erle­ben." Auf "Kitsch" fin­det sich jetzt kein Song, der tiefsinnig-​deep ist. Aber ich hab' natür­lich auch Songs wie "Peter Pan" in der Ver­gan­gen­heit gemacht, auf denen ich die Welt­si­tua­ti­on the­ma­ti­sie­re und sage, wor­auf es in mei­nen Augen wirk­lich ankommt.

MZEE​.com: Das waren schö­ne Gedan­ken zum Schluss. Möch­test du trotz­dem noch etwas loswerden?

Felix Krull: Ja, ger­ne. Die Leu­te sol­len sich alle "Kitsch" gön­nen. Sie sol­len auf jeden Fall mal rein­hö­ren – und es im bes­ten Fal­le kau­fen. Das ist, den­ke ich, defi­ni­tiv loh­nens­wert, weil es sehr, sehr unter­halt­sam ist, viel Herz­blut drin­steckt und ich alle Sachen immer mit abso­lu­ter Pas­si­on mache. Es ist in mei­nen Augen ein­fach mein bis­her bes­tes Album. Würd' mich freu­en, wenn ich auch mit die­sem Inter­view wie­der mehr Leu­ten zei­gen konn­te, wer ich wirk­lich bin und was ich mach' … und dass es gei­ler Scheiß ist.

(Flo­rence Bader & Alex­an­der Hollenhorst)