Eigentlich haben wir bei MZEE seit dem Schließen unseres Vertriebs im Dezember 2014 dem Modebereich der deutschen HipHop-Szene keine große Beachtung mehr geschenkt. Und eigentlich sehen wir uns auch nicht als besonders große Experten in diesem Bereich. Nichtsdestotrotz sind wir diesen Sommer immer wieder auf eine Streetwear-Marke – beispielsweise auf Festivals – gestoßen, die plötzlich von bekannten Rapgrößen wie Azad und Vega getragen wurde. Über ein paar Umwege kamen wir schlußendlich mit den Jungs von Unfair Athletics in Kontakt, die wir als interessante Interviewpartner empfanden und von welchen wir letztlich kurzerhand in ihren Showroom geladen wurden. Wir trafen uns also eines schönen Abends zwischen Bergen von Kleidung, einem im Aufbau befindlichen Tattoo-Studio und Jägermeisterflaschen, um über den Modegeschmack deutscher Rapper, die Struktur und Herangehensweise von Unfair Athletics in einem überfüllten deutschen Modemarkt, aktuelle und zeitgleich alte Trends wie Fischerhüte sowie Gucci-tragende Rapper zu sprechen.
MZEE.com: Fangen wir mal ganz grundlegend an: Ihr seid eine Streetwear-Marke, die einen nicht unbedeutenden Bezug zur HipHop-Szene hat.
Unfair Athletics: Alle, die hier arbeiten, kommen musiktechnisch gesehen auf jeden Fall aus dem HipHop-Bereich – aber aus verschiedenen Subkulturen. Wenn wir hier zum Beispiel Sprüher haben, hören sie HipHop. Wenn wir hier Fußball-Jungs haben, hören sie deutschen HipHop. Und Ami-Rap. Jeder, der hier rumtanzt, hat einen HipHop-Bezug …
MZEE.com: Dann wüsste ich von dir zu Beginn gerne drei Rapper, die einen guten Modegeschmack haben und aus Deutschland kommen.
Unfair Athletics: (lacht) Ganz klar: Alle, die unsere Klamotten tragen. (überlegt) Dieser ganze Fashion-Hype, der im deutschen Rap abgeht, ist für mich ehrlich gesagt nicht so cool. HipHop ist Streetwear und HipHop kommt von der Straße. Und ich kann mir auf der Straße keinen Mann in Leggings vorstellen … Ich würde demnach sagen: Die 187-Jungs, die auch mit ihrer Kleidung einen wirklichen Straßenbezug haben, Lacoste-Trainingsanzug und Haifisch-Nikes rocken. Die verkörpern ziemlich genau das, was sie sind. Ansonsten: Wer halt Oldschool geblieben ist, ist auf jeden Fall Azad, der seit Jahren gleich rumrennt und das auch durchzieht. Und wenn man es aus der Fashion-Richtung sehen möchte, dann gibt es da auch Shindy, der sein Ding durchzieht. Auch, wenn das für mich jetzt nichts ist. Ich denke, dass viele Rapper auch das tragen, was sie vorgeschrieben bekommen. Man kann bei einigen Künstlern wahrscheinlich gar nicht sagen, ob sie wirklich das tragen, was sie gerne tragen würden …
MZEE.com: Stellenweise muss es vielleicht auch dem entsprechen, was in Raptexten transportiert wird.
Unfair Athletics: Das meine ich auch.
MZEE.com: Ich persönlich finde es trotzdem irritierend, wenn Rapper Luxusmarken wie Gucci tragen. Auch, wenn ich bei manchen verstehen kann, warum sie es machen.
Unfair Athletics: Klar, Klamotten sind im Allgemeinen immer ein Statement. Unfair Athletics ist im Endeffekt auch ein Statement: Wenn ich "Unfair" auf meinem T-Shirt stehen hab', dann gebe ich ein Statement ab.
MZEE.com: Kommen wir mal auf eure Anfänge zu sprechen: Wodurch sollte "Unfair Athletics" sich denn vom Rest abheben?
Unfair Athletics: Der Name ist erst mal auf die Fresse. Gehen wir davon aus, du hast noch nie in deinem Leben davon gehört und siehst drei Leute in der Stadt mit dem Unfair-Schriftzug auf den T-Shirts. Dann wirst du dir denken: "Was ist denn das?" Es soll sich also vom Namen her abheben – und natürlich ist auch das, was dahintersteht, schon ein bisschen abgrenzend. Der Modemarkt ist brutal voll, es kommen jede Woche neue Labels, die mit dem Trend mitschwimmen. Das wirst du bei uns nie sehen. Wir sind wirklich im Hinterhof, wir sitzen in einem Gebäude, das aussieht, wie eine alte Schulhalle – von hier kommen wir und das wollen wir auch nach außen tragen. Und das klappt ganz gut.
MZEE.com: Kannst du mal einen kleinen Einblick in eure Firmen-Struktur geben, zum Beispiel, wer für die Designs zuständig ist?
Unfair Athletics: Wir machen alles komplett inhouse. Wir haben einen Fotografen als Art Director mit dabei, der komplett für das Design zuständig ist. Ohne ihn als kreativen Kopf würde kaum was laufen. Wir haben Jungs, die sich um die Logistik kümmern – das ist auch ein Thema, das immer größer wird, da wir jetzt bei dreißig Stores in Deutschland gelistet sind und somit auch business-to-business-Kunden haben, die wir beliefern. Dann haben wir noch Leute für die Marketing-Geschichten … Ich hatte auch von Anfang an jemanden dabei, der wahnsinnig viel dafür getan hat, dass die Struktur der Firma so aufgebaut ist, wie sie aufgebaut ist. Was man auch dazu sagen muss: Die komplette Firma läuft nach dem "Do it yourself"-Prinzip.
MZEE.com: Wenn aus einer Idee auf einmal eine Firma mit Angestellten wird – denkt man sich dann nicht manchmal: "Oh Gott, jetzt habe ich aber plötzlich ganz schön viel Verantwortung"?
Unfair Athletics: Klar, es ist im Endeffekt ein massiver Kopffick. Es muss ja funktionieren, wenn du auf einmal Leute hast, die fest für dich arbeiten. Es ist halt sehr wichtig, dass du Menschen um dich rum hast, mit denen das alles funktioniert. Das Kernteam besteht aus Jungs, die sich schon Jahre kennen und Freunde sind. Und wir holen uns da auch immer wieder Leute von außen dazu, die wir eben nicht kennen. Ja, man hat schon eine gewisse Verantwortung, die ich persönlich davor auch noch nie hatte.
MZEE.com: "Unfair Athletics" beschreibt sich selbst als rough, selbstbewusst und eigenwillig – im Grunde sind das ja Attribute, die Streetwear generell für sich verbuchen möchte. Habt ihr diese Punkte bei anderen Modemarken vermisst?
Unfair Athletics: Ich glaube, sowas in der Art gibt es generell schon, aber nicht für die breite Masse, wie wir das machen. In Deutschland gibt es Marken, die sich sehr mit einer Nische befassen und das echt top machen. Da haben wir hier zum Beispiel mit "Beastin" einen der weltweiten Vorreiter – die Jungs sind auf jeden Fall krass. Aber es gibt keinen, der – so wie wir – viele verschiedene Subkulturen oder Szenen bedient. Der Klamotten macht, mit denen sich der Typ aus der Fußball-Fanszene genauso identifizieren kann wie der Sprüher. Wir werden jetzt beispielsweise auch von Stylefile mitvertrieben – die Graffitiszene passt zum Beispiel vom Style her auch gut mit uns zusammen. Da ist auch viel unfair. (grinst) Wir sagen immer: Alles, was du betreibst, ist unfair. Wenn du hier aus der Tür rausgehst, ist es schon unfair …
MZEE.com: Ist der gemeinsame Schwerpunkt der ganzen Subkulturen, die ihr bedient, nicht einfach diese Härte, die man eben im Rap, beim Fußball, beim Boxen, im Graffiti et cetera finden kann?
Unfair Athletics: Genau das ist es. Wir haben geguckt, was zu uns und unseren Interessen passt … Das ganze Kundenfeld ist vielleicht auch so zu beschreiben, dass es aus Leuten besteht, die nicht verlegen sind, ein Statement nach außen zu tragen. Das würde ein Anzugträger vermutlich nicht machen – die T-Shirts kannst du jetzt schlecht in einer Bank anziehen. (grinst)
MZEE.com: Kommen wir mal auf die Klamotten an sich zu sprechen: Eure Designs haben einen sehr reduzierten, minimalistischen Stil und die Kleidung ist in schlichten Farben gehalten. Das geht alles schon ein ganzes Stück weg vom angesagten "Hipster-Ding".
Unfair Athletics: Wir haben tatsächlich auch Kunden aus der Hipster-Ecke, aber die gibt es in jeder Subkultur. Und ja, die Farben sind schlicht – schwarz, grau, weiß. Aber worauf wir vor allem unser Hauptaugenmerk legen und durch was wir uns abgrenzen möchten, ist die Stoffqualität und die vielen Details an den T-Shirts. Wir haben zum Beispiel hinten in die Shirts einen Halbmond eingenäht, damit man im Schwarzlicht keinen Druck durchsieht. Das hat kaum jemand, doppelt verstärkte Shirts.
MZEE.com: Gibt es von euch eigentlich auch Kleidung für Frauen?
Unfair Athletics: Nein, aber wir machen XS.
MZEE.com: Und wie viele Frauen kaufen dennoch eure Sachen?
Unfair Athletics: (grinst) Das ist relativ krass. Wir haben damit selber nicht gerechnet und bei der ersten Kollektion keine XS-Größen gemacht. Und hatten dann unglaublich viele Anfragen von Mädels. Diesen Boyfriend-Look: "Ich zieh' jetzt mal 'nen Hoodie an oder 'ne Cap" – den hatten wir selber null auf dem Schirm. Jetzt machen wir immer XS-Größen mit. Bei den Trainingsjacken, die die ganzen Rap-Jungs beispielsweise tragen, war XS als Erstes ausverkauft …
MZEE.com: Kommen wir mal auf ein ganz anderes Thema zu sprechen, weil hier auch welche rumliegen: Warum zur Hölle stehen Männer auf Fischerhüte?
Unfair Athletics: (lacht) Das ist dir vermutlich deswegen aufgefallen, weil sie momentan viel von Hipstern getragen werden. Für mich ist das so eine Sache: Diese aufgesetzte Hipster-Kultur und all das, was Hipster jetzt tragen – das gab es in anderen Kulturen schon vor Jahren. Ich hatte meinen ersten, ernsthaft gekauften Fischerhut mit zwölf. Früher hat man das nicht nur Fischerhut, sondern auch Maurerhut genannt. Weil man es gewohnt war, dass Maurer den am Bau getragen haben. Wenn wir früher wohin gefahren sind, hatten wir einen Fischerhut gegen die Sonne auf dem Kopf und haben ihn uns ins Gesicht gezogen. Heute hat das halt jeder … Ich finde, es sieht cool aus. Aber weil die Leute das nicht kennen, ist es auf einmal ein Hipster-Ding, 'nen Bucket Hat zu tragen. Und ich denk' mir nur: "Was los mit euch?!" Genauso ist es mit den Bauchtaschen. Die hab' ich auch schon vor zwölf, dreizehn Jahren getragen. Und ich sag's dir: In den nächsten zwei Jahren wird es extrem wiederkommen, dass die Leute auf der Straße alle Eastpak-Bauchtaschen umgebunden haben. Das wirst du bei allen Labels in den nächsten Jahren wiedersehen.
MZEE.com: Zurück zu euch: Neben dem Klamotten-Label seid ihr momentan dabei, ein Tattoo-Studio einzurichten … Steckt hinter all dem eine große Vision oder wie kann man sich das vorstellen?
Unfair Athletics: Es ist so, dass wir hier mit dem Hinterhof-Gebäude einige Möglichkeiten haben und immer nur Sachen machen, die auch zu uns passen. Das Ganze ist aus einem Spaß heraus entstanden. Es war einer von den Jungs da, der schon 'ne Zeit lang tätowiert. Wir haben zum Spaß gesagt: "Wir könnten eigentlich hier im Showroom tätowieren!" Und dann ist es so ausgegangen, dass wir das Lager umgeräumt und gesagt haben, wir machen jetzt hier ein Unfair Ink.-Studio auf, tätowieren erst mal unsere Base und schauen, was passiert. Klar, wir haben irgendwo auch 'ne Vision: Erfolgreich sein – aber nur mit Dingen, die uns wirklich Spaß machen. Und wegen dem Tätowieren: Das passt einfach zu uns. Zu unseren Jungs und auch zu den Leuten, die Unfair tragen. Bei dieser Tattoo-Studio-Sache geht's auch weniger ums Geld, sondern darum, dass wir einfach coole Jungs haben, die das mit uns machen.
MZEE.com: Ihr habt aber nicht vor – wie viele andere Labels gerade auch –, zusätzlich eine Partyreihe zu etablieren?
Unfair Athletics: Na ja, im Endeffekt machen wir ja jetzt schon bei uns auf dem Gelände Veranstaltungen mit dreihundert Leuten. Wir machen in der Küche die Fenster auf und dann stehen da HipHop- und Reaggae-DJs vor den ganzen Leuten, die bis Mitternacht saufen. Bestimmt wird es aber demnächst auch mal in die Städte gehen.
MZEE.com: Ihr beschreibt euch als Marke auf und von der Straße. Wie bekommt man denn die Straße auf Klamotten?
Unfair Athletics: Wahrscheinlich bekommst du die Straße am besten auf deine Klamotten mit dem Hintergrund der Leute, die sie machen. Und damit, dass du etwas vermittelst, das real ist. Vielleicht hat das auch wieder eine Ähnlichkeit zum HipHop. Wenn du verkörperst, was du bist, dann bringst du das auch automatisch rüber. Und dann ist es bei uns auch so, dass wir sagen: "Wir machen nur Sachen, die auf der Straße getragen werden und nichts anderes." Klar hat man immer auch eine bestimmte Zielgruppe vor Augen und überlegt sich, wer relevant ist – und natürlich passt du das dann schon etwas in die Richtung an. Und die Straße bringst du eben auf die Klamotten, indem du das triffst, was du verkörpern willst. Wie ja auch zum Beispiel mit dem Tattoo-Studio. Und eben einer Veranstaltung, die nicht in einem krassen Club der Stadt stattfindet, sondern hier im Hinterhof mit 'ner brennenden Tonne und 'nem DJ aus dem Fenster raus, der das umsonst macht. So vermitteln wir das Ganze ja auch ein bisschen.
MZEE.com: Wie wäre das eigentlich, wenn man sich von vorneherein ausmalt, wer die Klamotten tragen sollte und plötzlich kämen Gucci-Träger aus der High Society auf den Geschmack, Unfair zu tragen?
Unfair Athletics: Lustig, dass du das sagst – wie hatten genau dieses Thema erst vor Kurzem. Wir haben in einer Einkaufsstraße neben Prada und Gucci Leute getroffen, die uns gesagt haben, dass Leute mit unseren Klamotten in diesen Läden unterwegs waren. Ich kann ziemlich sicher sagen, dass das niemand kaufen wird, den ich mir darin nicht vorstellen kann. Das zeigt, dass es sogar in dieser Ecke Leute gibt, die im Kopf zu Unfair passen würden. Deswegen hätte ich dann auch kein Problem damit, wenn sie das kaufen. Und umso mehr du wächst, desto mehr Leute tragen die Sachen natürlich. Aber ich freue mich echt über jeden, der auf der Straße mit 'nem Unfair-T-Shirt rumrennt.
MZEE.com: Kommen wir noch mal zurück zur Musik: Lasst ihr euch auf irgendeine Art und Weise von Rap inspirieren?
Unfair Athletics: Ja, auf jeden Fall. Die Subkulturen, die wir abdecken, hängen ja alle irgendwo mit HipHop zusammen. Und man schaut dann natürlich auch auf die Musik und das, was die Jungs alle so treiben und was da so geht.
MZEE.com: Apropos Rapszene: Vega und Bosca wurden ja eigentlich als die ersten großen Rapper mit euren Klamotten gesichtet. Seht ihr sie als eine Art Markenbotschafter oder wird es da künftig auch zur Zusammenarbeit kommen?
Unfair Athletics: Ich würde weder Vega noch Bosca oder sonst irgendjemanden, den man bisher im Rapbereich mit unseren Klamotten gesehen hat, als Markenbotschafter bezeichnen. Sondern eher als Leute, mit denen wir cool sind und die wir feiern. Und die, hoffe ich, feiern auch uns. Wir haben denen nicht die Klamotten in die Hand gedrückt und gesagt: "Bruder, zieh das mal an!", sondern: "Hast du da Bock drauf?" "Ja, ich hab' da Bock drauf!" Und am nächsten Tag saßen die beim HipHop.de-Interview mit den Klamotten, womit ich niemals gerechnet hätte … Bezüglich der Zusammenarbeit: Zum "5 Jahre Freunde von Niemand"-Konzert werden wir ein limitiertes Kollabo-T-Shirt mit ihnen machen, das es nur da zu kaufen geben wird.
MZEE.com: Da wir ja mit den bestgekleidetsten deutschen Rappern angefangen haben, würden wir zum Abschluss gerne wissen, ob es Merchandise in der deutschen Rapszene gibt, das du persönlich cool findest.
Unfair Athletics: Im Endeffekt muss ich da wahrscheinlich wieder auf die Freunde von Niemand zurückkommen. Mit allem, was sie an eigenem Merch machen – auch mit dieser Fighting Society-Geschichte – gehen sie in eine ganz gute Richtung und das gefällt mir. Dann finde ich diese Hi Kids-Geschichte von Genetikk ganz cool. Das wird auf jeden Fall gut rübergebracht. Und ich find' die Typen auch echt cool – von denen würd' ich auch was anziehen. Dann Kontra K mit dieser Loyal-Nummer … Er nimmt auch genau das in seine Klamotten auf, was er ist und verkörpert. Aber zu guter Letzt gibt es natürlich auch Rapper, bei denen ich mir nur denke: "Seid ihr behindert? Ihr könntet euch 'ne goldene Nase verdienen, wenn ihr das mal einigermaßen cool machen würdet …"
(Florence Bader & Alexander Hollenhorst)
(Fotos von Unfair Athletics)