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Interview

Muso

"Das sind Men­schen, die nicht mit Inhal­ten über­zeu­gen, son­dern nur mit stu­pi­den Paro­len." – Der Hei­del­ber­ger Rap­per Muso im Inter­view über die Poli­tik der AfD, Ghost­wri­ting in der deut­schen Rap­sze­ne, sei­ne Tren­nung von Chim­pe­ra­tor sowie die Kri­tik an sei­nem Fea­ture­gast Xavier Naidoo.

HipHop-​Verräter, Hoff­nungs­trä­ger, Anti-​Cro – die Sze­ne zeig­te sich in ihrer Mei­nung über Muso lan­ge Zeit alles ande­re als einig. Daher war die Aus­gangs­la­ge für sein Chimperator-​Debüt "Strac­cia­tel­la Now" im Jah­re 2013 kei­ne leich­te. Und obwohl das Release dem Hei­del­ber­ger eini­ges an Auf­merk­sam­keit ein­brach­te, folg­te schluss­end­lich doch eine drei­jäh­ri­ge Aus­zeit sowie die Tren­nung vom Stutt­gar­ter Indie-​Label. Anstatt auf der Stel­le zu tre­ten, wuss­te Muso die­se Pau­se effek­tiv für sich zu nut­zen – nicht nur, um sich selbst zu fin­den und ruhi­ger zu wer­den, son­dern auch, um an sei­nem neu­es­ten Werk zu arbei­ten. Mit einem ande­ren Manage­ment und Ver­trieb im Rücken ist Muso nun zurück: Seit ein paar Wochen steht das aktu­el­le Album "Ama­re­na" in den Plat­ten­lä­den, für das er unter ande­rem von Xavier Naidoo und Ali As Unter­stüt­zung erhielt. Mit uns sprach der Rap­per jetzt über die Zeit nach "Strac­cia­tel­la Now", sei­ne Tren­nung von Chim­pe­ra­tor sowie die neue Plat­te. Dabei leg­te er uns nicht nur sei­ne Hal­tung zu Ghost­wri­ting sowie der Kri­tik an Xavier Naidoo dar, son­dern erzähl­te auch, wie er zur aktu­el­len Poli­tik und Internet-​Hasskommentaren steht.

MZEE​.com: Nach dei­nem Album "Strac­cia­tel­la Now" wur­de es recht still um dich. Was war der Grund für die lan­ge Auszeit?

Muso: Ich habe schon zu "Strac­cia­tel­la Now"-Zeiten Lorenz ken­nen­ge­lernt. Da LO ein begna­de­ter Drum­mer ist, habe ich auch live mit ihm gespielt. In der Zeit waren wir gemein­sam im Stu­dio. Wir haben sehr roug­he Auf­nah­men gemacht und vie­le Songs pro­du­ziert. Das Gan­ze ging eine Wei­le so. Wir woll­ten aus den vie­len Skiz­zen schließ­lich das Album rea­li­sie­ren, aber das dau­er­te eine gan­ze Zeit und par­al­lel hat sich in mei­nem Leben viel getan. Zu "Strac­cia­tel­la Now"-Zeiten war ich mehr der Disco-​Muso. Ich bin danach geer­det und defi­ni­tiv ruhi­ger gewor­den. Man kann sagen, dass ich erwach­se­ner gewor­den bin.

MZEE​.com: Du hast mal gesagt, das letz­te Album war düs­te­rer und gleich­zei­tig warst du der Par­ty­mensch. Nun ist das Album posi­ti­ver und du bist ruhi­ger gewor­den. Wie kommt das zustande? 

Muso: Wenn man im Nacht­le­ben unter­wegs ist, dann sieht man die Sehn­sucht in den Augen der Men­schen. Weißt du, wenn man viel unter­wegs ist – so Apo­ka­lyp­se und "Par­ty like there's no tomor­row" –, macht man das aus einer Sehn­sucht her­aus. Und das hat mich ein Stück weit zu einem Chao­ten gemacht. Ich den­ke, wenn man geer­det ist, sein Base­ment hat, dann ist man stär­ker. Das ist wich­tig. Und am Ende muss­te ich mich selbst fin­den. Ich fin­de, die­ser Pro­zess spie­gelt sich dann letzt­end­lich in der Musik wider.

MZEE​.com: Inwie­fern hat sich dei­ne Musik durch die Aus­zeit geändert? 

Muso: Das ist das Ding … Die neue Musik hat lan­ge Zeit kein Mensch gehört. Es gab da ein ver­öf­fent­lich­tes Album, das die Men­schen gehört haben. Und nun hast du daheim jede Men­ge neu­er Skiz­zen, auf denen du auch singst und dein Songwriter-​Dasein auf eine ganz neue Art aus­lebst. Aber all die Sachen lädst du über lan­ge Zeit nicht hoch und bekommst kei­ner­lei Feed­back von außen. Das prägt natür­lich den Schaf­fens­pro­zess und die Musik. Man über­ar­bei­tet immer wie­der von Neu­em und stellt Din­ge infra­ge. Auf dem Album geht es einer­seits um genau die­ses Zwei­feln und ande­rer­seits um das Selbst­ver­trau­en, etwas dann doch zu machen oder es eben zu ver­öf­fent­li­chen. Jetzt ist "Ama­re­na" drau­ßen, das sind zwölf Songs. Und ich habe noch unglaub­lich vie­le Song­skiz­zen, die noch nie­mand gehört hat. Inso­fern war die lan­ge Aus­zeit auch für etwas gut …

MZEE​.com: Dein ers­tes Album erschien noch bei Chim­pe­ra­tor, wo du mitt­ler­wei­le nicht mehr unter Ver­trag bist. Die Tren­nung wur­de nicht an die gro­ße Glo­cke gehängt. Du hast dies­be­züg­lich von "Timing" gespro­chen. Was mein­test du damit genau? 

Muso: Ich habe irgend­wann einen Punkt erreicht, an dem ich gedacht hab', wir könn­ten das jetzt schnell fina­li­sie­ren und hät­ten dann ein Album. Aber das rich­ti­ge Album zum rich­ti­gen Zeit­punkt fer­tig­zu­stel­len und allen Ansprü­chen gerecht zu wer­den – das ent­spricht eben auch nicht mei­ner künst­le­ri­schen Her­an­ge­hens­wei­se. Und so dau­ert das dann eben auch mal län­ger. Gleich­zei­tig kann man die Zeit natür­lich nicht anhal­ten. Die Welt dreht sich wei­ter und drei Jah­re ohne ein neu­es Album sind heut­zu­ta­ge ein­fach eine sehr lan­ge Zeit.

MZEE​.com: Und wie kann man sich das vor­stel­len? Ist der Ver­trag aus­ge­lau­fen oder …

Muso: Nee, das ist nicht der Grund. Aber natür­lich haben Unter­neh­men Busi­ness­plä­ne. Ent­we­der ist man sich dann einig und die Vor­stel­lun­gen decken sich – oder eben nicht. Aber wir sind alle down mit­ein­an­der. Für mich ist die­ser Weg der bes­te Deal. Ich habe ein sehr gutes Team von Leu­ten um mich und bin dafür sehr dankbar.

MZEE​.com: Es steckt nun aber kei­ne Reue dahin­ter und du sagst: "Hät­te ich das Album bes­ser mal gemacht"?

Muso: Natür­lich ist das eine Rie­sen­chan­ce. Es gibt eine Mas­se an guten Künst­lern, die nicht die Auf­merk­sam­keit bekom­men, die sie ver­dient hät­ten. Da gibt es so vie­le Bei­spie­le. Und klar, manch­mal ist es so, dass man die Platt­form braucht. Aber man kann es eben auch so schaf­fen – am Ende des Tages setzt sich Qua­li­tät schon durch. Es ist nun eine Rie­sen­chan­ce für mich, mit Belie­ve Digi­tal und den Leu­ten zu arbei­ten, die an das Ding glau­ben und es vor­an­trei­ben. Klar ist es gut, Tür­öff­ner zu haben, aber vor den Erfolg haben die Göt­ter den Schweiß gesetzt. Du brauchst Men­schen, die zu tau­send Pro­zent dar­an glau­ben und vie­le sehen nicht, wie vie­le ande­re Per­so­nen dahin­ter­ste­cken. Durch die­se Leu­te, die dahin­ter­ste­cken, wird das was. Nicht, weil irgend­wo ein gro­ßer Name dar­un­ter steht.

MZEE​.com: Bei einem Label wie Chim­pe­ra­tor fühlt man sich viel­leicht auch auto­ma­tisch durch Erwar­tungs­hal­tun­gen anders unter Druck gesetzt.

Muso: Das war noch nie so. Das sind alles sweete Typen. Die machen das alles aus Lie­be zur Musik und es war nicht ein ein­zi­ges Mal so, dass sie gesagt haben: "Mach doch mal so oder so". Natür­lich haben sie finan­zi­el­len Druck, bei dem Arbeits­plät­ze dran­hän­gen. Das ist Busi­ness. Das ist auch bei mir Busi­ness. Aber wir machen das auf einer freund­schaft­li­chen Ebe­ne – egal, wie viel Busi­ness da dranhängt.

MZEE​.com: Kom­men wir doch mal auf das eigent­li­che The­ma zu spre­chen: Wie kann man sich den Sound von "Ama­re­na" vorstellen? 

Muso: Amarenakirschen-​mäßig: kleb­rig, rot, warm. Wie ein war­mer Schlei­er, der sich über das Gemüt legt. Ein­fach ehr­lich. Ich habe emo­tio­nal die Hosen run­ter­ge­las­sen. Obwohl es viel Selbst­be­wusst­sein bedarf, zu sagen, dass man kein Selbst­be­wusst­sein hat.

MZEE​.com: Gab es Momen­te, in denen du gesagt hast: "Nein, das kann ich nicht ver­öf­fent­li­chen, das ist zu sehr 'Hosen runterlassen'"?

Muso: Nee, gar nicht, weil es eben für die Leu­te ist. Ich habe vor drei Jah­ren ein Album raus­ge­bracht und habe Die-​hard-​Fans, die sich Text­zei­len täto­wie­ren las­sen. Das ist iller Shit. Das sind Leu­te, die so viel Lie­be in sich tra­gen und mir so viel Lie­be zurück­ge­ben für so wenig Musik, die ich bis­her releast habe. In ers­ter Linie ist die Musik für die­se Menschen.

MZEE​.com: Du hast Xavier Naidoo auf dei­nem Album. Er stand sowohl beim Xavas-​Projekt als auch beim Euro­vi­si­on Song Con­test in der Kri­tik. Hast du bei der Fea­ture­wahl dar­an gedacht? 

Muso: (über­legt) Nee, wir waren ers­tens nicht gezielt für ein Fea­ture im Stu­dio und zwei­tens war das auch vor dem gan­zen Eurovision-​Eklat. Wenn ich Xavier für einen homo­pho­ben Nazi hal­ten wür­de, wür­de ich den Song dann auch nicht raus­brin­gen. Das ist natür­lich Bull­shit, aber es ist eben auch nicht mei­ne Auf­ga­be, Xavier zu erklä­ren oder zu ver­tei­di­gen. Ich muss nicht die glei­chen Vor­stel­lun­gen tei­len. Unab­hän­gig davon hal­te ich die Mecha­nis­men heut­zu­ta­ge jeden­falls für sehr bedenk­lich. Wie ent­steht öffent­li­che Mei­nung, wie krass unre­flek­tiert wer­den da zum Teil Men­schen pau­schal ver­ur­teilt … Es ist ein­fach wahn­sin­nig schwie­rig gewor­den, sich zu einem The­ma dif­fe­ren­ziert zu äußern, ohne für den einen oder den ande­ren dekon­tex­tua­li­sier­ten Halb­satz vom einen oder ande­ren Lager ans Kreuz gehängt zu wer­den. Per­sön­lich habe ich Xavier als Mensch und Künst­ler schät­zen gelernt und die Zusam­men­ar­beit bei eini­gen Ses­si­ons war eine sehr kras­se Erfah­rung für mich.

MZEE​.com: Apro­pos "Medi­en": Kannst du Inter­net­kom­men­ta­re aus­blen­den oder könn­te das für dich mal ein Grund sein, die Lust zu verlieren?

Muso: Puh, wir leben in einer Welt und wer­den in drei­ßig Jah­ren den­ken: "Frü­her konn­test du jeman­den im Inter­net straf­frei nie­der­ma­chen". Da wird sich in Zukunft noch sehr viel ändern. Und ganz ehr­lich: Kei­ner mei­ner Freun­de insze­niert sich durch das Pos­ten von däm­li­chen Hate-​Kommentaren bei You­Tube. Hof­fe ich jeden­falls. Es ist ein­fach sehr scha­de, dass die­se Men­schen mit ihrem Hass im Netz so viel Dar­stel­lungs­flä­che bekom­men. Oder kennst du so jeman­den? Ich ken­ne keinen.

MZEE​.com: Ich auch nicht … Gott sei Dank. (lacht)

Muso: Das ist absurd, völ­lig ill. (lacht)

MZEE​.com: Aber viel­leicht hat das Inter­net auch was Gutes …

Muso: Voll, das darf man nie ver­ges­sen. Ich habe mir zwar vor­ge­nom­men, kei­ne YouTube-​Kommentare durch­zu­le­sen – aber dann erwischt man sich doch dabei. Da gibt es dann zum Bei­spiel auch Kom­men­ta­re wie die zu "Ulti­ma­tum", dass ich da ein biss­chen Off­beat rap­pe. Das ist schon so und ich ver­ste­he man­che die­ser Kom­men­ta­re. Wenn etwas begrün­det ist, dann fin­de ich das auch cool. Es ist ja auch irgend­wie mein Style – ein biss­chen Off­beat. Und im Inter­net bekommst du eben rea­les Feed­back. Die Leu­te füh­len sich halt sicher hin­ter ihren Rech­nern und sind oft ehr­lich. Das ist halt auch die Dop­pel­mo­ral in die­sem Land. Die Leu­te, die auf libe­ral machen und dann mit drei bis vier Bier im Kopf PEGIDA-​Reden schwin­gen … Und im Inter­net siehst du ja, wie viel fuck­ing Rechts­ge­sprea­de es gibt. Im wah­ren Leben gibt es vie­le, die das nicht sagen wür­den, son­dern sowas nur mit einem anony­men Account raushauen.

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MZEE​.com: Raus­ge­hen, Fil­me gucken und Bücher lesen kann krea­ti­ver machen. MC Bom­ber hat dazu gesagt: "Für Inno­va­ti­on braucht man Input, man muss sich geis­tig ernäh­ren". Wie holst du dir dei­nen Input, bei­spiels­wei­se für ein Album? 

Muso: Das ist so die Theo­rie, aber man trägt viel in sich. Als ob jemand, der in einen wei­ßen Raum ein­ge­sperrt ist und kei­nen Input hat, kei­ne Hits schrei­ben könn­te. Es gibt den Künst­ler Dago­bert, der war mal ein Jahr auf einer Ski­hüt­te und hat über hun­dert Songs geschrie­ben … Natür­lich hat er da auch sei­ne Erfah­run­gen und den Input der letz­ten Jah­re ver­ar­bei­tet. Ich für mich brau­che auf jeden Fall stets den Input der Men­schen. Ich brau­che das Leben an sich als Input. Wenn ich aus­schließ­lich schrei­ben wür­de, wür­de ich das Leben nur noch ver­nei­nen. Und dafür ist es zu kurz. Man muss eine gute Balan­ce fin­den. Und dabei dreht man sich teil­wei­se im Kreis. Ich bin so ein Mensch: Wenn ich heu­te einen gei­len Song schrei­be, dann weiß ich in zwei Tagen gar nicht mehr, wie das geht oder dass ich den über­haupt geschrie­ben habe. Ich fan­ge dann immer irgend­wie wie­der bei null an, für mich ist das wichtig.

MZEE​.com: Machst du dir Noti­zen, wenn du unter Men­schen gehst? Oder merkst du dir das ein­fach und kannst dar­aus einen Song machen? 

Muso: Das ist ein­fach nur Input und du weißt, dass es irgend­wann, irgend­wo wie­der her­vor­kommt. Das ist wie in der Knei­pe hin­ter der The­ke zu ste­hen: Du hast den gan­zen Tag Ein­drü­cke. Es sind oft klei­ne Din­ge, die du beim Song­wri­ting auf die gro­ße Bedeu­tungs­ebe­ne hebst. Weil es eben die klei­nen, zwi­schen­mensch­li­chen Din­ge sind, die wich­tig sind.

MZEE​.com: Wenn man die deut­sche Rap­sze­ne so betrach­tet, hat man nicht das Gefühl, dass sich vie­le mit kul­tu­rel­len Din­gen beschäf­ti­gen. Gehst du denn bei­spiels­wei­se ins Muse­um, ins Thea­ter oder in die Oper, um dir krea­ti­ven Input zu holen? Oder reicht dir der Aus­tausch, den du gera­de beschrie­ben hast? 

Muso: Das ist so ein Mix. Ich weiß nicht, ob ich in die Oper oder ins Musi­cal gehen muss. Die, die Koh­le haben, um in die Oper oder in ein Musi­cal zu gehen, sind die, die in Schö­ne­berg leben und jetzt nach Kreuz­berg zie­hen. Was hei­ßen soll, dass aus Armut oder dem Schlechte-​Zeiten-​Ding die kras­se Kunst ent­steht. Weißt du, was ich mei­ne? In armen Gegen­den wie dem Bahn­hofs­vier­tel Frank­furt geht halt Kunst, die oft aus einem Ver­lan­gen her­aus ent­steht. Da ent­steht die Kunst nicht in Thea­tern oder Musi­cals, son­dern auf der Stra­ße – mit Rap und Graf­fi­ti. Rap ist eben eine ande­re Form von Kunst. Ich höre sau­viel Rap. Das ist mei­ne Form von Kunst, auch wenn ich spä­ter dann was ande­res mache. Ich hol' mir sehr, sehr viel Rap als Input, zum Teil auch bei ande­ren Kon­zer­ten und natür­lich von Men­schen. Ich arbei­te in der Gas­tro­no­mie, tue Men­schen ger­ne etwas Gutes und bekom­me durch die Unter­hal­tung sehr viel Input, weil man als Bar­kee­per eben oft The­ra­peut ist. (lacht)

MZEE​.com: Wenn man bei Input und Krea­ti­vi­tät bleibt – im Rap spricht man oft über Ghost­wri­ting. Für vie­le ist das kein The­me. Ande­re wer­fen den Leu­ten aber vor, dass sie ihr Hand­werk nicht beherr­schen und unkrea­tiv sind. Was hältst du davon? 

Muso: Da hät­te ich Bock drauf … aber ich weiß nicht, wie das ist im Ghost­wri­ting. 99 Pro­zent schrei­ben doch alles sel­ber?! Das gehört in einem so inhalts­las­ti­gen Gen­re wie Rap dazu, oder nicht? Oder meinst du Dra­ke und die Vor­wür­fe, dass es da etwas gege­ben haben soll?

MZEE​.com: Nein, es gibt die Dis­kus­si­on ja immer wie­der. Eko Fresh hat bei­spiels­wei­se mal offen über das The­ma gespro­chen und gesagt, dass er für ande­re Alben geschrie­ben hat. Kämen denn bei­de Sei­ten für dich infra­ge – also sich Tex­te schrei­ben zu las­sen oder für ande­re zu schreiben? 

Muso: Ja, ich glau­be, das wür­de mei­ne Musik nicht aus­schlie­ßen. Es geht ja im End­ef­fekt um gute Songs. Und Rap ist eben Musik gewor­den, er hat sich so eine gro­ße Schei­be vom Pop abge­schnit­ten. Und ich wür­de ger­ne mit ande­ren zusam­men­ar­bei­ten. Ich habe bis­her nichts gerappt, was ich nicht geschrie­ben habe. Viel­leicht, weil kei­ner an mich glaubt? (lacht) Nee, kei­ne Ahnung, aber dafür schrei­be ich wahr­schein­lich sel­ber zu viel. Ich weiß nicht, ob ich damit ein Pro­blem hät­te. Es gibt zum Bei­spiel Skiz­zen von Dra­ke oder ande­ren Künst­lern, bei denen man denkt: "Ach, viel­leicht hat er sich davon inspi­rie­ren las­sen". Aber schau mal, am Ende ist es Musik und wenn der ande­re koh­le­mä­ßig davon was sieht, ist das doch geil. Doch bei mei­nem Ding … Ich weiß nicht, das ist ja schon sehr persönlich.

MZEE​.com: Im Rap ist auch immer die Rede von Real­ness. Fin­dest du es da ein legi­ti­mes Mit­tel, sich Alben kom­plett schrei­ben zu lassen? 

Muso: Glaubst du, das gibt es? Ich kann mir das nicht vor­stel­len. Das ist kom­plett Popmusik-​Style. Mit mei­nem Rapper-​Ego wür­de ich sagen: "Geht gar nicht", aber als Musi­ker wie­der­um: "Es ist halt Musik". Ich kann mir das schwer vor­stel­len, dass jemand einen Block in die Hand bekommt und gesagt wird: "Hier, das sind dei­ne Lyrics". Denkst du, sowas gibt es echt im Rap? Also, ich glau­be, am Ende sitzt man doch zusam­men im Stu­dio und das ande­re sind mehr Gerüchte.

MZEE​.com: Das stimmt. Man weiß nie, was davon alles stimmt …

Muso: Ja, ich neh­me an, man sitzt zusam­men im Stu­dio und der eine schreibt hier mehr und der ande­re da oder arbei­tet an einer Melo­die. Ich den­ke nicht, dass es so ist wie in der Pop­mu­sik. Da bekommst du eine Skiz­ze in die Hand gedrückt, am bes­ten noch von einem Sän­ger, der nicht dei­nem Geschlecht ent­spricht. Du adap­tierst den fer­ti­gen Song, machst ihn zu dei­nem eige­nen – und das ist dann auch wie­der Kunst. Aber ich fin­de es gei­ler, zu sehen, wer dahin­ter­steckt. Wie bei dem einen Girl aus Ber­lin (Bibi Bou­rel­ly, Anm. d. Red.), das "Bitch bet­ter have my money" geschrie­ben hat. Für sie ist es doch geil, zu wis­sen, dass die Melo­die oder der Text von ihr ist.

MZEE​.com: Lass uns ein wenig über Poli­tik und die aktu­el­le Lage in Deutsch­land spre­chen. Ich habe einen Facebook-​Post von dir gese­hen, in dem du dei­nen Hund auf ein AfD-​Plakat gesetzt und "Hun­de­toi­let­ten­al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land" geschrie­ben hast. Wie wich­tig ist es dir, dich für poli­ti­sche The­men stark zu machen? 

Muso: Es sind ja viel­leicht Ängs­te und Trotz, was die Men­schen so fehl­lei­tet. In mei­ner Musik geht es dar­um, dass jeder die­se Ängs­te hat. Inso­fern ist es immer­hin kei­ne Musik, die die­se Typen auf ihrem Par­tei­tag lau­fen las­sen kön­nen. (lacht)

MZEE​.com: Denkst du, dass Deutschrap und du selbst der AfD mehr ent­ge­gen­set­zen müssten? 

Muso: Je mehr ich dar­über rede, des­to mehr wird mir klar, dass es in Ame­ri­ka einen Kendrick Lamar gibt, der bei Oba­ma chillt. Hier chillt kei­ner bei der Mer­kel. Na ja, wir haben hier zum Glück auch kei­nen Trump. Und wenn es hier mal einen gibt, wür­de ich viel­leicht auch einen "Fuck Donald Trump"-Song machen. Aber der Typ hat sich ja zum Glück selbst ein Bein gestellt …

MZEE​.com: Du hast ja bestimmt die letz­ten Ereig­nis­se in Deutsch­land ver­folgt, was Ter­ror und Amok­läu­fe angeht. Glaubst du, dass sol­che Ereig­nis­se die AfD noch stär­ker machen, weil die Leu­te mehr Angst haben? 

Muso: Ich glau­be und hof­fe nicht. Ich glau­be an das Gute im Men­schen. Aber die Ten­denz sieht man ja in ganz Euro­pa. Das sind Men­schen, die nicht mit Inhal­ten über­zeu­gen, son­dern nur mit stu­pi­den Paro­len. Und sobald es um Inhal­te geht, wer­den die­se Men­schen ver­sa­gen, weil da nichts geht und die nur auf die Ängs­te und Panik­ma­che set­zen. Am Ende ist es wie in der Musik. Die Leu­te sind sen­si­bi­li­siert, sie wol­len Inhalt. Etwas, das sie fest­hält. Frü­her oder spä­ter wird sich das durchsetzen.

MZEE​.com: Gehen wir davon aus, dass du auf dem Weg zur nächs­ten Wahl einen Men­schen triffst, der offen­bart, dass er auf­grund sei­ner aktu­el­len Angst die AfD wählt. Wie wür­dest du ihn vom Gegen­teil überzeugen? 

Muso: Ich wür­de ver­mut­lich ver­su­chen, ihm deut­lich zu machen, dass es völ­lig ver­ständ­lich ist, auf­grund der welt­wei­ten Ent­wick­lun­gen und deren Aus­wir­kun­gen auf das loka­le Zusam­men­le­ben Angst zu haben. Dar­an muss man etwas ändern. Aber es bringt eben nichts, aus Trotz und ver­ständ­li­cher Ver­bit­te­rung über die gegen­wär­ti­ge Poli­tik eine popu­lis­ti­sche Par­tei zu wäh­len, deren Pro­gramm man nicht ken­nen kann, weil sie kei­nes hat. Das sind Blen­der und Heuch­ler. Und sich ihnen aus Angst anzu­schlie­ßen, ist der Weg in die tota­le Eska­la­ti­on und eine noch unge­rech­te­re Welt.

MZEE​.com: Zu Beginn haben wir schon über dei­ne län­ge­re Pau­se gespro­chen. Müs­sen dei­ne Hörer im Anschluss an "Ama­re­na" wie­der eine län­ge­re Zeit auf Neu­es von dir war­ten oder wird es eine Tour und viel­leicht schon bald wie­der ein neu­es Album geben?

Muso: Im Febru­ar geht es auf Tour und dar­auf freue ich mich sehr. Ich wer­de wohl auch nie auf­hö­ren, Musik zu machen. Es gibt genü­gend Ideen und Song­skiz­zen und das sol­len die Leu­te auch zu hören bekom­men. Ob in Form eines Albums oder wie auch immer, das wird sich zei­gen. Fürs Ers­te freue ich mich dar­auf, den Leu­ten "Ama­re­na" live von Ange­sicht zu Ange­sicht prä­sen­tie­ren zu kön­nen. Das wird nach so lan­ger Zeit etwas sehr Beson­de­res für mich und alle sein, die dar­auf gewar­tet haben.

(Fabi­an Thomas)