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Interview

Audio88 & Yassin

"Ein guter Anfang ist immer, sich nicht wie ein Arsch­loch zu beneh­men." – Audio88 & Yas­sin im Inter­view über Sexis­mus und Ras­sis­mus, die Gefahr eines mög­li­chen Rechts­rucks in Deutsch­land und Euro­pa sowie ihr aktu­el­les Release "Hal­le­lu­ja".

Audio88 & Yas­sin haben die Nase gestri­chen voll. Schon immer. Von Rap­pern sowie ande­ren Men­schen. Von deren Ange­wohn­hei­ten, Ansich­ten und Welt­an­schau­un­gen. Aller­dings hät­te man ver­mu­ten kön­nen, die bei­den Ber­li­ner Berufs­mi­s­an­thro­pen sei­en in der Zwi­schen­zeit doch etwas mil­der gewor­den. Immer­hin lan­de­ten sie mit "Nor­ma­ler Samt" einen ech­ten Chart­erfolg. Außer­dem konn­ten sie wäh­rend der Tour mit K.I.Z eben­die­sen Samt in sämt­li­che Mün­der tun, die vor­her noch nicht gestopft waren. Doch Fehl­an­zei­ge: Audio88 & Yas­sin haben nach wie vor "Schel­len" zu ver­tei­len. Des­halb folg­te kürz­lich – und zwar so schnell wie nie zuvor in ihrer Kar­rie­re – mit "Hal­le­lu­ja" das nächs­te Release. Für uns war dies Grund genug, ein­mal mehr mit ihnen zu spre­chen. Wir unter­hiel­ten uns somit über Ras­sis­mus und Sexis­mus, die Her­an­ge­hens­wei­se der bei­den Rap­per an ihre neu­en Tracks, die Bezie­hung zu K.I.Z und die Gefahr eines Rechts­rucks in Deutsch­land und Europa.

MZEE​.com: Euer Sound ist deut­lich musi­ka­li­scher gewor­den, mehr Kopfnicker- statt Rum­pel­beats. Das hat sich von "Nor­ma­ler Samt" zu "Hal­le­lu­ja" fort­ge­setzt. Spielt die Musi­ka­li­tät bei euch mitt­ler­wei­le eine grö­ße­re Rol­le oder liegt es nur dar­an, dass ihr jetzt Zugang zu sol­chen Beats habt? 

Yas­sin: Das ist ein­fach eine Ent­wick­lung, die sich bei uns mit der Zeit abge­zeich­net hat. Zum einen ist es viel­leicht Geschmacks­sa­che, zum ande­ren aber vor allem ein Drang zur Wei­ter­ent­wick­lung. Wir haben sel­ber gemerkt, dass wir ein biss­chen was Neu­es pro­bie­ren wol­len. Vie­le Din­ge kamen dann aber auch ganz natür­lich. Ich hab' halt mal etwas rum­ge­sun­gen und dann fan­den wir das gut. Dar­auf­hin haben wir das noch mal so gemacht und ande­re Beats gepickt …

MZEE​.com: Hat das auch etwas mit der Live Per­for­mance zu tun? Da funk­tio­nie­ren eure neu­en Songs mög­li­cher­wei­se ja bes­ser als die mit den "Rum­pel­beats" von früher …

Yas­sin: Wir haben halt viel live gespielt. Dadurch kam ein ande­res Gespür für die eige­nen Songs, wäh­rend man sie macht. Wir haben jetzt nicht jeden Song dar­auf­hin geschrie­ben oder pro­du­ziert, aber wenn wir gemerkt haben, dass es in so eine Rich­tung geht, dann haben wir natür­lich ver­sucht, das herauszuarbeiten.

MZEE​.com: Macht ihr jetzt mehr Ein­ge­ständ­nis­se bei den Tex­ten zwecks der Hör­bar­keit? Audio ist ja größ­ten­teils zum Rei­men übergegangen.

Audio88: Nö. Das ergibt sich ein­fach dar­aus, wie es in dem Song am bes­ten für mich oder uns passt. Am Ende zählt das Gesamt­ergeb­nis. Und wenn in einem Song eine gereim­te Stro­phe bes­ser passt als eine nicht gereim­te, dann schreib' ich eine gereim­te Stro­phe. Es ist ja nicht so, dass das Nicht-​Reimen frü­her aus mei­nem Unver­mö­gen her­aus ent­stan­den ist. Aber ich glau­be, ich reim' jetzt halt ein­fach wesent­lich bes­ser, sodass ich nicht das Gefühl habe, Ein­ge­ständ­nis­se oder Abstri­che machen zu müs­sen. Ich ver­su­che aber auch, mir wäh­rend des Schrei­bens nicht so vie­le Gedan­ken dar­über zu machen, damit eher unge­fil­ter­te Emo­tio­nen aus mir her­aus­spru­deln kön­nen. Und wenn am Ende ein gereim­ter Text dabei her­aus­kommt und das mei­ne Emo­tio­nen sind, dann füge ich mich mei­nem Genie.

MZEE​.com: Habt ihr vor, zum Bei­spiel auf Solo­re­leases den alten Stil wei­ter­zu­ver­fol­gen? Der Solo­tra­ck auf "Hal­le­lu­ja" von dir, Audio, ähnelt dem ja schon.

Audio88: Wir haben jetzt nicht so einen gro­ßen Mas­ter­plan, dass im Stu­dio ein Flip­chart mit den nächs­ten Pro­jek­ten steht. Wir machen ein­fach Musik und gucken, was dabei rum­kommt. Je nach­dem, was es ist und was fer­tig wird, kommt dann halt etwas raus. (lacht) Aus­ge­schlos­sen ist das nicht.

MZEE​.com: Was hat sich für euch durch die Tour mit K.I.Z geän­dert? Eure Zusam­men­ar­beit ist ja enger gewor­den – Nico ist bei­spiels­wei­se auf der neu­en Plat­te dabei.

Yas­sin: Mit den Jungs sind wir mitt­ler­wei­le seit fünf, sechs Jah­ren befreun­det. Die Freund­schaft ist gewach­sen. Wir haben ein­fach nur Ewig­kei­ten dafür gebraucht, mal Musik mit­ein­an­der zu machen, weil wir statt­des­sen irgend­wie immer lie­ber getrun­ken und Blöd­sinn gere­det haben. Mit "Was wür­de Man­ny Marc tun?" ist so ein biss­chen der Kno­ten geplatzt und jetzt sit­zen wir nicht nur zum Trin­ken im Stu­dio, son­dern machen auch mal Songs zusammen.

MZEE​.com: Wie seid ihr mit den Reak­tio­nen auf den Song umge­gan­gen? Euch auf Kon­zer­ten vor einer rie­si­gen Crowd mit so einem Par­ty­song zu sehen, war schon sehr ungewohnt.

Yas­sin: Als wir den Song gemacht haben, konn­ten wir uns alle schon sehr gut vor­stel­len, wie der live funk­tio­niert. Des­we­gen war das nicht so die Mega-​Überraschung. Ich sag' mal: Es ist natür­lich an sich schon sehr unge­wohnt, vor 10 000 Leu­ten zu ste­hen. Dadurch, dass wir bereits vor­her auf die Büh­ne geschickt, mit Bechern bewor­fen und beju­belt wur­den, waren wir die Emo­tio­nen dann schon gewohnt. (lacht) Es war ein­fach schön zu sehen, dass der Song so funk­tio­niert, wie er funk­tio­nie­ren soll. Näm­lich, dass die Leu­te in den Stro­phen zuhö­ren und im Refrain ver­ges­sen haben, wie schei­ße die Welt eigent­lich ist, weil Par­ty und Saufen.

MZEE​.com: Nehmt ihr eure eige­nen Auf­trit­te nach so einer rie­si­gen Tour jetzt anders wahr? Oder hat sich sonst etwas für euch dadurch verändert?

Yas­sin: Wir haben schon eini­ge Leu­te erreicht, die noch kei­ne Musik von uns gehört hat­ten. Man hat auf jeden Fall gemerkt, dass es eine Über­schnei­dung gibt und die Leu­te zum gro­ßen Teil uns und unse­re Musik ver­ste­hen. Ob das nun geschmacks­mä­ßig jedem getaugt hat, weiß ich nicht, aber ins­ge­samt war das für uns eine sehr schö­ne Erfah­rung. Wir haben zumin­dest das Gefühl, dass wir vie­le neue Leu­te errei­chen konnten.

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MZEE​.com: Die Jungs von K.I.Z haben ja durch­aus das Pro­blem, dass ihre Songs von eini­gen Hörern ger­ne miss­ver­stan­den wer­den, wenn zum Bei­spiel bei "Bier­gar­ten Eden" Deutsch­land­fah­nen geschwenkt wer­den. Hat­tet ihr das Gefühl bei eini­gen eurer Songs auch?

Audio88: Bei uns hat kei­ner 'ne Deutsch­land­fah­ne geschwenkt, von daher … Wenn du auf der Büh­ne stehst, siehst du den Men­schen ja nicht an, ob die eine Zei­le ver­ste­hen oder nicht.

Yas­sin: Wir unter­stüt­zen da die Mis­si­on, auf der K.I.Z sind. Und wir haben uns gefreut, dass wir Teil die­ser Mis­si­on sein konn­ten. Näm­lich auch Leu­te auf die Kon­zer­te zu holen, die viel­leicht nicht jede Zei­le so ver­ste­hen, wie man sie gemeint hat. Ich glau­be, das ist bei unse­rem Publi­kum nicht unbe­dingt anders.

Audio88: Da den­ken halt nur mehr Men­schen, dass sie es ver­stan­den haben. Aber das ist dann oft nicht so.

MZEE​.com: Mir ist der Yassin-​Solotrack "Jam­mer­lap­pen" auf "Hal­le­lu­ja" sehr auf­ge­fal­len. Ihr seid ja bekannt dafür und prak­ti­ziert es auch auf der neu­en Plat­te, vor allem ande­re Men­schen zu kri­ti­sie­ren und ihnen zu zei­gen, was sie falsch machen – woher jetzt die Selbstkritik?

Yas­sin: Also, eines unse­rer Allein­stel­lungs­merk­ma­le ist ja, dass wir uns von der Kri­tik, die wir an ande­ren üben, nie so ganz aus­neh­men. Fin­de ich zumin­dest. Das haben wir eigent­lich auf allen Plat­ten so gehand­habt. Selbst wenn wir das gro­ße Gan­ze ins Faden­kreuz genom­men haben, wuss­ten wir immer, dass wir eben­falls Teil des gro­ßen Gan­zen sind. Das haben wir auch text­lich immer so widergespiegelt.

Audio88: Genau dar­um geht es ja auf "Ein bes­se­rer Mensch". Dar­um, dass ich selbst gern ein bes­se­rer Mensch wäre.

MZEE​.com: Aber einen Track so krass auf dich selbst bezo­gen hät­te ich trotz­dem nicht erwar­tet, Yassin.

Yas­sin: Die eine Stro­phe des Songs ist sechs, die ande­re zwei, drei Jah­re alt. Das sind so Tex­te, die ich frü­her häu­fi­ger als jetzt geschrie­ben hab'. Es klingt zwar kit­schig, aber in einer gewis­sen Wei­se waren die ein Ven­til oder eine Art Mini-​Tagebuch für mich. Des­we­gen ist das für mich jetzt nichts Beson­de­res. Dass ich so einen Text in der Form noch nicht auf einem Release unter­ge­bracht hat­te, war aber auch der Grund, war­um wir den Song auf die Plat­te genom­men haben. Weil er noch mal einen Kon­trast zu der Art und Wei­se dar­stellt, wie wir sonst an sol­che Tex­te her­an­ge­hen. Aus unse­rer Sicht ste­chen die Lyrics jetzt nicht so her­aus. Wir kön­nen aber nach­voll­zie­hen, dass das für ande­re Leu­te neu ist.

MZEE​.com: Ist so ein Text für dich ein­fa­cher oder schwie­ri­ger zu schreiben? 

Yas­sin: Weiß ich nicht. Ich bemes­se es erst dann irgend­wie als schwie­rig, wenn ich es nicht auf die Rei­he krie­ge. (lacht) Ansons­ten mache ich mir nicht so vie­le Gedan­ken dar­über, ob es mir leicht fällt oder nicht.

MZEE​.com: Trifft der Text denn noch zu, wenn er schon so "alt" ist?

Yas­sin: In klei­nen Facet­ten hat sich etwas geän­dert. Aber im Gro­ßen und Gan­zen ist es schon ein Per­sön­lich­keits­zug von mir, dass ich mich hart in die Kri­tik neh­me. Ob da jetzt klei­ne Details immer noch genau so sind, weiß ich nicht. Heu­te wür­de ich den Text wahr­schein­lich so nicht schrei­ben kön­nen. Aber ich weiß auch nicht, wie es in einem Monat ist.

Audio88: Ein­sicht ist ja der ers­te Schritt zur Besserung.

MZEE​.com: Du rappst auf dem Track: "Igno­ri­er die Rela­tio­nen der Rea­li­tät. Es ist nie­mals zu spät, sich ein­zu­ge­ste­hen, was einem fehlt. In dei­nem Fall ist es objek­ti­ves Urteils­ver­mö­gen" – ist objek­ti­ves Urtei­len denn über­haupt möglich?

Yas­sin: Ich hab' es nicht ganz so stu­den­tisch gese­hen. Das war eher so ein emo­tio­na­les Ding. Damit war ein­fach gemeint: mal ein Stück zurück­ge­hen und alles als Teil eines Kon­tex­tes sehen, in dem das Gan­ze viel­leicht nicht so dra­ma­tisch ist, wie man es wahr­nimmt. Das war mit dem objek­ti­ven Urteils­ver­mö­gen gemeint. Ich ver­lie­re manch­mal die­sen Blick für das gro­ße Gan­ze und sehe nur mei­ne klei­nen Pro­blem­chen und Jammereien.

MZEE​.com: Auf "Schel­len" zitiert ihr dis­kri­mi­nie­ren­de Aus­sa­gen und kommt zum Schluss, dass dage­gen nur noch Schel­len hel­fen. Ist der Song eine Kampf­an­sa­ge oder Resignation?

Yas­sin: Also, wenn es Resi­gna­ti­on wäre, wür­den wir sagen: "Da hel­fen nicht mal Schellen".

Audio88: Ja, oder wir hät­ten den Song gar nicht gemacht, son­dern resigniert.

MZEE​.com: Was woll­tet ihr mit dem Song erreichen?

Audio88: Dass Leu­te raus­ge­hen und Leu­ten, die so einen Scheiß von sich geben, ein paar in die Fres­se hau­en. Es ist ein Auf­ruf zur Gewalt.

Yas­sin: (lacht) Das willst du hören, ne?

MZEE​.com: Die Fra­ge ist ja, wie der Song zu ver­ste­hen ist. Es wird zum Bei­spiel auch bei You­Tube unter dem Video dis­ku­tiert, was ihr wirk­lich sagen wollt …

Yas­sin: Wenn die Leu­te einen Dis­kurs dar­über füh­ren, ob und wie man han­deln soll­te in der Situa­ti­on, in der alle gera­de sind, hat der Song schon etwas bewirkt.

Audio88: Uns ist natür­lich klar, dass unse­re Hörer­schaft jetzt nicht unbe­dingt aus Ras­sis­ten besteht und wir die damit bekeh­ren. Des­halb stel­len wir in dem Song ja auch homo­pho­be und sexis­ti­sche Äuße­run­gen auf die­sel­be Stu­fe, weil wir schon wis­sen, dass ein HipHop-​Publikum sich damit iden­ti­fi­zie­ren kann. Wenn man die Leu­te dann mit der Aus­sa­ge erreicht, dass "Schwuch­teln" und "Kana­cken" zu has­sen das­sel­be ist, haben wir viel­leicht schon ein paar Men­schen geholfen.

MZEE​.com: Wie habt ihr die Debat­te um die Bestra­fung von Sexu­al­de­lik­ten verfolgt?

Yas­sin: Ich hab' mit­be­kom­men, dass es eine Anpas­sung des Sexu­al­straf­rechts gab. Ich hab' auch mit­be­kom­men, dass damit eini­ge Leu­te nicht zufrie­den waren. Und zwar die Leu­te, die sich tag­täg­lich dafür ein­set­zen, dass das Bewusst­sein gegen­über Sexu­al­straf­ta­ten steigt und sich die Repres­si­on gegen­über Sexu­al­straf­tä­tern ändert. Ich glau­be, die kön­nen das wesent­lich bes­ser beur­tei­len als wir, zumal wir als Män­ner ja nicht die Leid­tra­gen­den, son­dern die Ver­ur­sa­cher des Pro­blems sind. Ich fin­de, das Straf­maß soll­te von Betrof­fe­nen fest­ge­legt wer­den. Wenn man aber den bou­le­var­desken Umgang mit dem The­ma "Gina-​Lisa" (Loh­fink, Anm. d. Red.) sieht, dann merkt man auch, dass es eher ein gesell­schaft­li­ches als ein juris­ti­sches Pro­blem ist.

MZEE​.com: Wel­che Mög­lich­kei­ten seht ihr, dem entgegenzuwirken?

Audio88: Sich nicht wie ein Rie­sen­arsch­loch benehmen.

Yas­sin: Man könn­te zum Bei­spiel über­le­gen, ob man Jour­na­lis­ten und Ver­la­ge dafür zur Ver­ant­wor­tung zieht, wenn die­se Stim­mung machen. Man könn­te Wer­be­trei­ben­de ein­schrän­ken oder dafür belan­gen, wenn sie Sexis­mus pro­pa­gie­ren. Man könn­te aber auch im Schul­un­ter­richt offe­ner mit dem The­ma "Sexua­li­tät" umge­hen und über­le­gen, ob nicht ein paar ver­al­te­te, christ­li­che Anschau­un­gen in eini­gen Bun­des­län­dern über­holt sind. Das wären alles Möglichkeiten.

MZEE​.com: Ihr geht mit sehr deut­li­chen Wor­ten auch auf Ras­sis­mus und Frem­den­hass ein. Was denkt ihr, wie­so dies gera­de wie­der so sicht­bar wird? Ist es wirk­lich mehr gewor­den oder sind die, die eh schon so dach­ten, nur lau­ter gewor­den und trau­en sich mehr?

Yas­sin: Die Leu­te trau­en sich halt jetzt, ras­sis­ti­sche Gedan­ken zu äußern. Der Ras­sis­mus ist ja nicht jetzt ent­stan­den … Also na ja, bei einem gewis­sen Anteil der Men­schen sicher­lich schon durch Stimmungs- und Panik­ma­che. Aber das sind, glau­be ich, Men­schen, die gene­rell sehr leicht beein­fluss­bar sind. Die Leu­te, die aller­dings wirk­lich die Stim­mung erzeu­gen und Ras­sis­mus salon­fä­hig machen, die gebil­de­te Rech­te, sag' ich mal … die haben jetzt die Mög­lich­keit, sich frei zu äußern und wer­den dafür nicht wei­ter belangt, solan­ge sie ein poli­ti­sches Amt inne­ha­ben oder genug Geld auf den Tisch legen können.

MZEE​.com: Habt ihr die Befürch­tung, dass sich das Pro­blem noch ver­schlim­mert? Oder denkt ihr, dass die Men­schen wie­der zur Ver­nunft kom­men werden?

Yas­sin: Es ist ja noch nicht so lan­ge her, dass das Gan­ze noch viel schlim­mer wur­de. Da haben sich auch Men­schen die­ser Strö­mung ange­schlos­sen, die ein­fach um ihre poli­ti­sche Kar­rie­re Angst hat­ten. Es wird halt salon­fä­hig. Dann ist nicht mehr die Par­tei­zu­ge­hö­rig­keit aus­schlag­ge­bend dafür, ob man ein Ras­sist ist oder nicht. Das hat dann nicht mehr so viel mit par­la­men­ta­ri­schem Hick­hack zu tun, son­dern ist der Grund­te­nor. In ande­ren euro­päi­schen Staa­ten ist es ja schon so weit … Da muss man jetzt nicht so viel Fan­ta­sie haben. Man muss nur ein biss­chen Zei­tung lesen, dann merkt man schon, dass die Ten­denz sehr deut­lich ist.

MZEE​.com: Habt ihr Angst davor, dass die Stim­mung in Deutsch­land extrem nach rechts kippt?

Audio88: Angst ist ja auch ein ganz guter Motor zum Han­deln. Ein guter Anfang ist immer, sich nicht wie ein Arsch­loch zu beneh­men. Ansons­ten soll­te man es öffent­lich machen und dar­auf hin­wei­sen, wenn sich ande­re wie Arsch­lö­cher beneh­men, und sich für die Opfer des Arsch­lochs ein­set­zen. Das kann man mit vie­len klei­nen Din­gen tun.

MZEE​.com: Die Fra­ge hab' ich zuletzt auch Moop Mama gestellt: Was meint ihr, war­um so vie­le Men­schen ver­ges­sen, dass wir bei der Flücht­lings­the­ma­tik über Men­schen und nicht über irgend­wel­che Zah­len reden?

Yas­sin: Den Leu­ten wird ja nichts ande­res erzählt und sie waren selbst noch nicht in der Situa­ti­on. Wenn sie viel­leicht mal mehr Kon­takt zu den Men­schen hät­ten und durch die Poli­tik und die Bericht­erstat­tung mehr sen­si­bi­li­siert wer­den wür­den, wür­de es viel­leicht weni­ger um Zah­len gehen, son­dern mehr um die Men­schen­wür­de. Da ist zum Bei­spiel ein Besuch in einem Flücht­lings­heim sehr zu emp­feh­len, selbst wenn man nur ein paar Sachen abgibt. Dann merkt man schon schnell, dass man selbst nicht dort woh­nen möch­te. Da ist es auch egal, wie vie­le Men­schen dort woh­nen. Man weiß ein­fach, dass es nicht men­schen­wür­dig ist.

Audio88: Und dass ich nicht in der Posi­ti­on bin, mich dar­über zu beschweren.

MZEE​.com: Was glaubt ihr, woher die­se unbe­grün­de­te Ver­lust­angst kommt, die eini­ge Men­schen haben?

Yas­sin: Das ist halt Kapi­ta­lis­mus. Seit es den Kapi­ta­lis­mus gibt, wol­len Men­schen ihre Situa­ti­on nicht ver­schlech­tern, son­dern ver­bes­sern. Und die Maß­nah­men dazu wer­den halt dras­ti­scher, je dras­ti­scher der Kapi­ta­lis­mus wird.

MZEE​.com: Auch wenn, wie schon gesagt, nicht unbe­dingt Ras­sis­ten eure Musik hören: Habt ihr den Anspruch, mit eurer Musik dage­gen­zu­wir­ken? Und denkt ihr, dass ihr etwas bewir­ken könnt?

Yas­sin: Wir mer­ken auf jeden Fall, dass sich Leu­te von uns abwen­den, die irgend­wie mei­nen, unse­re Hal­tung hät­te sich ver­än­dert. Oder wenn sie die­se jetzt viel­leicht erst­mals erken­nen. Denen trau­ern wir sicher nicht hin­ter­her. Mit einem Song wie "Schel­len" zei­gen wir natür­lich klar Hal­tung. Viel­leicht ist ein posi­ti­ver Aspekt, dass ein wei­te­rer Rap­song erschie­nen ist, in dem es nicht um Mus­keln und Waf­fen geht. So neh­men die Men­schen die Musik viel­leicht wie­der als Sprach­rohr wahr. Des Wei­te­ren könn­te es sein, dass sich Men­schen wie­der mehr mit Rap­mu­sik aus­ein­an­der­set­zen, die mehr an Inhalt bie­tet. Ich glau­be, dass gera­de bei einer jun­gen Hörer­schaft die Poli­ti­sie­rung vor allem durch die Pop­kul­tur beein­flusst wird. Und so den­ke ich schon, dass wir in irgend­ei­ner Form einen Bei­trag leis­ten. Ergeb­nis­se sind da natür­lich schwer zu messen.

(Alex­an­der Hollenhorst)
(Fotos von Robert Winter)