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Kritik

Tua – Narziss

"Jung, auf­stre­bend, gut aus­se­hend und depres­siv. Er trägt es wie in Leucht­schrift vor sich her, dass es jeder sieht." – Hier fin­det Ihr ab sofort die Kri­tik zu Tuas aktu­el­lem Release "Nar­ziss" aus den Rei­hen der MZEE​.com Redaktion.

Jung, auf­stre­bend, gut aus­se­hend und depressiv.
Er trägt es wie in Leucht­schrift vor sich her, dass es jeder sieht.

Ein Hüne blickt düs­ter über die Schul­ter. Eine Augen­braue kri­tisch nach oben zie­hend steht er da, geklei­det in eine wei­te Leder­ja­cke. Rauch­schwa­den umge­ben ihn. Es han­delt sich um das Cover von Tuas "Kos­mos", einer das Gesamt­werk des Orsons-​Mitglieds umfas­sen­den Box. Dar­in ent­hal­ten ist auch eine neue EP namens "Nar­ziss". Wie immer bestim­men Schwarz, Weiß und alle grau­en Zwi­schen­tö­ne die visu­el­le Kom­po­nen­te des Ton­trä­gers. Auch die Musik des Mul­ti­ta­lents, die sich mitt­ler­wei­le eini­ge Gala­xien von klas­si­schem Hip­Hop ent­fernt hat, bewegt sich größ­ten­teils in die­sem Spektrum.

Bei "Nar­ziss" han­delt es sich um Arbei­ten aus der Zeit nach 2009, als Tua sein Meis­ter­werk "Grau" ver­öf­fent­lich­te. Das hört man dem Mate­ri­al aller­dings kaum an. The­ma­tisch schlägt die EP in die Tua-typi­sche Ker­be: Es wird viel gegrü­belt, infra­ge gestellt und über die eige­ne Psy­che und Zwi­schen­mensch­li­ches phi­lo­so­phiert. Mal geschieht dies aus einer gewis­sen Distanz, mal völ­lig unmit­tel­bar, jedoch immer auf einer äußerst inti­men Ebe­ne. Der Umgang des Reut­lin­gers mit Wör­tern erin­nert an den eines Lite­ra­ten. Er hat einen eige­nen sprach­li­chen Stil ent­wi­ckelt und fun­giert in sei­ner Musik als Erzäh­ler eige­ner Geschich­ten, deren Prot­ago­nist er zugleich ist. Der Anteil der EP, auf dem Tua die­se Geschich­ten rappt, ist hier schwin­dend gering, was eini­ge unwei­ger­lich ent­täu­schen wird. Aller­dings kann man den Voll­blut­mu­si­ker mit dem Begriff "Rap­per" schon lan­ge nicht mehr tref­fend beschrei­ben. Dass er nie in eine Schub­la­de pas­sen wird, beweist er aber­mals auf "ENO", einem über fünf­mi­nü­ti­gen Piano-​Instrumental, das sich zwi­schen Ambi­ent, Klas­sik und Film­mu­sik bewegt und dem gro­ßen Bri­an Eno Tri­but zollt. Der größ­ten­teils orga­ni­sche Sound der EP weist zudem Ele­men­te von Pop und Jazz auf. Der typi­schen Melan­cho­lie von Tuas Musik wer­den mit Songs wie "Blick" und dem bereits erwähn­ten "ENO" unge­wöhn­lich leich­te Klän­ge – klei­ne bun­te Farb­tup­fer gewis­ser­ma­ßen – entgegengesetzt.

Mit "Nar­ziss" ver­öf­fent­licht Chim­pe­ra­tor ein wei­te­res stim­mi­ges Puz­zle­teil in der Kar­rie­re des grim­mig drein­schau­en­den Man­nes. Die­ser tüf­telt gewiss in sei­nem klei­nen grau­en Käm­mer­lein am nächs­ten gro­ßen Wurf. Die Span­nung auf ein neu­es Solo­al­bum, auf das man seit nun­mehr sie­ben Jah­ren war­ten muss, steigt mit dem Release der neu­en alten EP auf alle Fäl­le. Bis es dazu kommt, ist "Nar­ziss" ein gefun­de­nes Fres­sen für alle nach mehr dürs­ten­den Fans.

(Stef­fen Bauer)

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