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Kritik

Haiyti – City Tarif

"Ich will alles, bevor mei­ne Zeit ver­gan­gen ist. Man, ich rol­le kei­ne Kip­pen, man, ich rol­le höchs­tens Zwan­nis." – Hier fin­det Ihr ab sofort die Kri­tik zu Hai­y­tis aktu­el­lem Release "City Tarif" aus den Rei­hen der MZEE​.com Redaktion.

Ich will alles, bevor mei­ne Zeit ver­gan­gen ist.
Man, ich rol­le kei­ne Kip­pen, man, ich rol­le höchs­tens Zwannis.

Hin und wie­der kommt es vor, dass man einen neu­en Künst­ler ent­deckt, bei des­sen Musik man auch nach mehr­ma­li­gem Hören noch nicht so recht weiß, ob man das Gan­ze nun rich­tig gut oder abgrund­tief schlecht fin­den soll. Die jun­ge Hai­y­ti ist so ein Fall. Ihre Musik scheint sich in einem Spek­trum zwi­schen Hips­ter und Gangs­ter, Iro­nie und Stra­ße, albern und knall­hart zu bewe­gen. Inner­halb die­ses Spek­trums pas­siert auf ihrem Mix­tape "City Tarif" recht viel, das einen beim Zuhö­ren mit der eige­nen Rezep­ti­on von Rap­mu­sik konfrontiert.

Hai­y­ti hat eine auf­fäl­lig hohe Stim­me. Die­se geht häu­fig am Ende einer Zei­le zusätz­lich hoch, was vie­le unwei­ger­lich als anstren­gend emp­fin­den wer­den. Der Stop-​n-​Go-​Flow, der über die gesam­te Spiel­dau­er von etwas mehr als einer hal­ben Stun­de zum Ein­satz kommt, erin­nert an ame­ri­ka­ni­sche Rap­per wie ScHool­boy Q, der eben­falls für den mar­kan­ten Ein­satz sei­ner Stim­me bekannt ist. Die­sen Style hat man hier­zu­lan­de bis­her sel­ten gehört. Ein­zel­ne Wör­ter und Sil­ben wer­den über­be­tont, sodass die Raps eine Struk­tur bekom­men, die sonst durch den Man­gel an kom­ple­xen Reim­struk­tu­ren häu­fig kaum vor­han­den wäre. Der Style passt her­vor­ra­gend zu den Beats von Asad­John, GEE Futu­ristic, Yung Nikki3000 und mdmx. Ent­we­der pum­pen die Instru­men­tals gewal­tig, um Hai­y­tis Angriffs­lust zu unter­mau­ern, oder sie bewe­gen sich in luf­ti­gen Cloud-​Höhen, um Platz für ihre dro­gen­ge­schwän­ger­ten Erzäh­lun­gen von Stra­ße und Life­style zu bie­ten. Sex, Drugs & Auto­tu­ne scheint hier das Mot­to zu sein. Inhalt­lich und sti­lis­tisch kennt man das alles schon; auch in der Kom­bi­na­ti­on, in der Hai­y­ti ihre Musik prä­sen­tiert. Jedoch mit einem ent­schei­den­den Unter­schied: Auf Deutsch gab es bis­lang kei­ne Frau, die die­se höchst kon­tem­po­rä­re Spiel­art des Raps bedient. Das ist wohl auch der Haupt­grund dafür, dass Hai­y­tis Musik zunächst befremd­lich wirkt. Offen­bar legt sie jedoch ohne­hin kei­nen Wert dar­auf, einem Mainstream-​Frauenbild – das im Hip­Hop häu­fig anzu­tref­fen ist – zu ent­spre­chen. Es dürf­te ihr daher auch egal sein, wenn sie bei vor­ein­ge­nom­me­nen Rapf­ans auf tau­be Ohren stößt. Dar­in ist ihre Wir­kung sicher­lich der einer Schwesta Ewa sehr ähn­lich, trotz gra­vie­ren­der künst­le­ri­scher Unterschiede.

Wenn man sich mit der Pieps­stim­me anfreun­den kann und es schafft, Dog­men und Kli­schees bei­sei­te zu legen, dann macht "City Tarif" rich­tig Spaß. Ein­zel­ne Tracks her­vor­zu­he­ben ergibt hier rela­tiv wenig Sinn, da Hai­y­ti vor allem als Gesamt­kunst­werk funk­tio­niert. Als Gesamt­kunst­werk, das die Fähig­keit besitzt, den Hori­zont des ein oder ande­ren Hörers zu erweitern.

(Stef­fen Bauer)