Ich mach' kein' Sound zum Arme Ritzen.
Ich mach' nur Musik zum frische Narben Verbinden.
Lange war er mehr ein durch die Szene huschender Schatten denn greifbarer Künstler. Ein medienscheuer Szenetipp, der seine Musik auf der eigenen Seite gratis feilbot, aber nie durch übermäßige Präsenz glänzte. Seine dennoch bereits recht beachtliche Diskografie wird nun durch das erste "richtige" Album ergänzt. Endet mit "Terror 22" auch Degenhardts Schattendasein?
Trotz Zusammenarbeit mit MPM und mehreren Interviews in kurzer Zeit – eines davon unser Mic Check – hat sich weder am Künstler noch seiner Kunst viel geändert. Kein Imagewandel soll den Ostberliner massentauglicher machen, kein neues Soundgewand "Terror 22" von alten Werken abgrenzen. Wummernder Bass und dreckige Samples dominieren das Bild, während Degenhardt seine Worte aggressiv ins Mikrofon blafft oder mit schleppendem Flow über den Beat schleift. Dabei treffen verschachtelte Fantasiegebilde auf gnadenlose Ehrlichkeit – denn obgleich der Rapper sein Gesicht stets hinter einer Wollmütze versteckt, hat er keine Scheu davor, sein Leben schutzlos offenzulegen. Schonungslos thematisiert er sein Inneres, Ekel und Enttäuschung, Hass, aber auch Liebe. Wenn er dies nicht in eigene Worte fasst, lässt er Zitate aus Serien und Filmen wie "House of Cards" und "Out of Sight" oder von Künstlerkollegen wie NMZS, Prezident und Hollywood Hank für sich sprechen. All diese Versatzstücke ergeben gepresst auf Vinyl zweifellos ein polarisierendes Werk. Doch egal, ob als Person, in seinen Texten oder anhand der Resonanz: Hass und Liebe umspielen Degenhardt sowieso stets gleichermaßen.
Degenhardt wagt nicht den Spagat zwischen glitzernder Zuckerwatte mit Einhorngeschmack und Erbrochenem auf dreckigem Pflasterstein – er ist der Spagat. "Terror 22" gibt dem Hörer die Möglichkeit, dem Musiker dabei zuzusehen, wie er sich in Romantik und Ekel wälzt, während er alles und nichts über sich selbst erzählt. Das erste "richtige" Release macht den einstigen Schatten zwar kaum greifbarer, knuddeln will man Degenhardt letztlich aber doch.
(Daniel Fersch)
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