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Kommentar

Busy Boy Jay #3 – Die Gang darf alles

"Mei­nen die das ernst? Das ist in mei­nen Augen die dümms­te Fra­ge, die man über einen Künst­ler stel­len kann. Ein Künst­ler erschafft ja wohl erst mal ein Kunst­werk. Wie er das meint, ist ent­ge­gen der durch­schnitt­li­chen Dep­pen­mei­nung scheiß­egal." – Busy Boy Jay über die Glo Up Dine­ro Gang.

Die nach­fol­gen­de Kolum­ne stellt einen in unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den erschei­nen­den Bei­trag des Autors "Busy Boy Jay" dar und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der Mei­nung der Redaktion.

 

So, ich äuße­re mich jetzt zu die­ser Glo Up Dine­ro Gang – turn up – und die­sem Boy – shee­sh. Eigent­lich kann ich mich damit ja nur in die Schei­ße set­zen … weil die Internet-​Glo-​Up-​Army alles auf Rich­tig­keit (Lob­prei­sung) über­prüft. Aber nör­geln, dass man irgend­was nicht sagen darf, hat was von Xavier Naidoo oder der AfD. Man darf ja prin­zi­pi­ell mal alles – in Sau­di Ara­bi­en kann man für einen Tweet mäch­tig Stei­ne in die Fres­se bekom­men. Hier muss man nur damit klar­kom­men, dass man dafür halt mit fau­len Kom­men­ta­ren bewor­fen wird.

Die Glo Up Dine­ro Gang darf auch alles: Wit­ze über Andy Lubitz und sei­nen Flug­sitz machen, E-​40s "Choices" klau­en und vor­her als Video in noch wit­zi­ger raus­brin­gen, so gut wie jede Frau als "Fiq­qhu­re" beti­teln, sich Namen wie Medi­ka­men­ten Man­fred geben … Gut, ab und zu wer­den sie dann ange­fein­det von Rap-​Schwergewichten wie Kit­ty Kat oder KC Rebell, die man selbst für ihre mit­füh­len­den, poli­tisch immer kor­rek­ten Sanft­mü­tig­keitsor­gi­en kennt. Aber im Prin­zip darf die Gang alles. Gut, ab und zu schau­en sich Facebook-​User einen die­ser beat­lo­sen Im-​Liegen-​Freestyles von Hus­ten­saft Jüng­ling an und schrei­ben dann drun­ter: "Alter, krass, wie schlecht bist du denn?" Haha, als sei­en "gut" und "schlecht" Kate­go­rien für den Hus­ten­saft Jüng­ling. Mois, mach dich doch nicht lächer­lich. Gut, ab und zu bekommt Staiger auf der letz­ten Sei­te des Saft-​Magazins einen Hass auf die WICK MediNait-​Überdosis-​Bubis, weil sie angeb­lich den Klas­sen­kampf durch stump­fen Hedo­nis­mus und Trash-​Feierei ersetzt haben. Aber die Gang darf das halt.

Und da die Gang sich alles erlaubt, ist die fuck­ing Gang mitt­ler­wei­le zum größ­ten und wich­tigs­ten Internet-(T)Rap-Movement der letz­ten Jah­re auf­ge­stie­gen. Und jeder Fucker, der sie kennt, hat eine Mei­nung zu ihnen oder zumin­dest Money Boy an sich. Die Jün­ger – meis­tens etwas jün­ger (Oh Shit, shee­sh, burr #next­le­vel­ver­glei­che) – hul­di­gen der Gang, der Rest ist fas­sungs­los und ent­wi­ckelt nicht sel­ten einen gewis­sen Hass auf die GUDG. Hass wahr­schein­lich des­halb, weil sie sehr vie­le Fans haben. Hät­ten sie kei­nen "Erfolg", wäre es ein RTL II-​Freakshow-​Glotzen oder das gute alte Mit­leid. Weil die Gang aber Erfolg hat, obwohl sie fak­tisch einen Fick auf Sound­qua­li­tät, Urhe­ber­rech­te, Takt­ge­fühl, Reim­struk­tu­ren (ernst­haft?), Song­wri­ting oder Inhalt an sich gibt, ist es halt Hass. Und ganz ehr­lich: Ich kann den Hass ver­ste­hen. Mir geht tie­risch auf den Sack, dass jetzt alle die­sen sprach­be­hin­der­ten Slang benut­zen müs­sen im Netz – der Joke ist lang­sam alt. Mir geht es hart auf die Eier, dass ihre dumm­beu­te­li­ge Fol­lo­wer­schaft meint, sofort mit eben 1 blö­den Slang am haben been für die Gang in die Bre­sche sprin­gen zu müs­sen, sobald ein kri­ti­sches Wort über sie fällt. Es stört mich, dass man­che Trot­tel nicht abs­tra­hie­ren kön­nen und ein abge­wichs­tes Frau­en­bild mit­neh­men. Es nervt mich, dass man­che Jerks nicht abs­tra­hie­ren kön­nen und ein debi­les Dro­gen­bild mit­neh­men. Ich has­se es, dass sie viel mehr Auf­merk­sam­keit bekom­men als ande­re Rap­per, die wirk­lich fan­tas­ti­sche Musik machen. Aber Hass ent­steht eben auch aus Miss­ver­ständ­nis­sen und natür­lich durch die Dark Side of the Force. Denn was haben wir von Meis­ter Yoda gelernt? "Fear leads to anger. Anger leads to hate. Hate leads to suf­fe­ring." Des­halb beant­wor­te ich mir jetzt selbst ganz nüch­tern vier sinn­be­frei­te Fra­gen zur GUDG. Nüch­tern wie ein Jedi, der nichts getrun­ken hat. (Ohhh Shit, shee­sh #next­le­vel­ver­glei­che.)

Ers­te Fra­ge: Dür­fen die das? Äh? Ja. Das ist der Ur-​Gedanke von Kunst­frei­heit. Auch wenn Sido ja bei­spiels­wei­se Sati­re ver­bie­ten möch­te, die Gefüh­le ver­letzt (da bie­tet sich eine Zusam­men­ar­beit mit dem IS an). Die GUDG sind kei­ne Poli­ti­ker, son­dern, ob man will oder nicht, Musi­ker bezie­hungs­wei­se Künst­ler. Also schieb ab, Kit­ty Kat.

Zwei­te Fra­ge: Mei­nen die das ernst? Das ist in mei­nen Augen die dümms­te Fra­ge, die man über einen Künst­ler stel­len kann. Ein Künst­ler erschafft ja wohl erst mal ein Kunst­werk. Wie er das meint, ist ent­ge­gen der durch­schnitt­li­chen Dep­pen­mei­nung scheiß­egal. Und jetzt noch mal zum Mit­schrei­ben für jeden Klug­schei­ßer aus dem Deutsch-​LK: Was ein Künst­ler mit einem Kunst­werk sagen will, ist ein Fick im Gegen­satz zu dem, was das Kunst­werk einem sagt und war­um es, im Gegen­satz zu ande­ren Kunst­wer­ken, funk­tio­niert. Eine Fra­ge, die sich auch alle Versager-​Wannabe-​Realkeeper mal stel­len könn­ten, wenn sie lang­wei­li­ge Schei­ße wie­der­kau­en und sich über den Kul­tur­ver­fall aufregen.

Drit­te Fra­ge: Ist es nicht total fake, dass Money Boy den Ami-​Lifestyle nach­ahmt, obwohl er aus Wien kommt? Eine sol­che Fra­ge stel­len auch nur Eisen­köp­pe, die ihren Leb­tag die Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka noch nicht von innen gese­hen haben. Money Boy raucht Hero­in, hat eine gro­ße Fres­se und sab­belt und sab­bert Kodein-​berauschten Unfug in jedes Mikro­fon. Das ist mal total geil, mal wirkt es ein­fach nur min­der­be­gabt. Guc­ci Mane lässt sich eine Eis­tü­te ins Gesicht hacken, Chief Keef macht gan­ze Songs aus einem genu­schel­ten Wort und fuch­telt mit voll­au­to­ma­ti­schen Waf­fen her­um, Young Thug tele­fo­niert am liebs­ten mit Geld­bün­deln. Mal ist das total geil, mal wirkt es ein­fach nur debil. Offen­sicht­lich kön­nen sich alle auf Ice, Kode­in und Marken-​Love eini­gen. Brü­der im Geis­te also. Nur ist es aus so man­cher deut­scher Sicht ziem­lich kool, so etwas in den USA zu tun, wäh­rend es unglaub­lich unkool ist, so etwas in Aus­tria zu tun. Denn in den USA sind ja die Umstän­de so, dass … Ja, ja, ve ve. Ja, es gibt unter­schied­li­che Umstän­de. Aber die USA sind nicht Soma­lia. Man kann dort tat­säch­lich auch ohne M16 oder Eis­tü­te im Gesicht rum­lau­fen. Am Ende ist ein Tele­fo­nat mit Geld­bün­deln eben auch ein­fach ein Tele­fo­nat mit Geld­bün­deln und eine Kodein-​Abhängigkeit eben eine Kodein-​Abhängigkeit, unge­ach­tet der Haut­far­be und der Post­leit­zahl. Und all jene, die in den USA so mys­ti­sche Orte wäh­nen, in denen das alles unglaub­lich viel Sinn macht, sol­len es doch bit­te Prinz Pi gleich­tun und mal ein Video in Detroit schie­ßen. Es mag der deut­schen Welt­ord­nung nicht ent­spre­chen, aber auch in Wien gibt es stran­ge Grün­de dafür, mit merk­wür­di­gen Sub­stan­zen anzu­fan­gen und sich schlecht täto­wie­ren zu las­sen. Am Ende des Tages ist Money Boy viel­leicht der ein­zi­ge deut­sche Rap­per, der den von ihm pro­pa­gier­ten Life­style auch wirk­lich lebt – was nicht heißt, dass er nach­ah­mens­wert ist.

Vier­te Fra­ge: War­um wird LGo­o­ny sogar von Musik­zeit­schrif­ten so gehypt? Ich hole etwas aus. In mei­nen Augen lässt sich die GUDG in drei Kate­go­rien der Mit­glie­der unter­tei­len: An ers­ter Stel­le Money Boy, als Zwei­tes kom­plet­te Nichts­kön­ner und dann die ech­ten Talen­te. Der Boy hat sich selbst in eine merk­wür­di­ge Rea­li­ty Show ver­wan­delt, die das Ziel zu haben scheint, die sur­rea­le Welt des Trap in die Rea­li­tät zu hie­ven. Hat was von "Die Chro­ni­ken von Nar­nia", also fair enough. Zwei­tens: Eier­köp­pe wie MC Smook, Unsäg­lich­kei­ten wie Spin­ning 9, Flöt­stim­men wie Medi­ka­men­ten Man­fred oder Total­aus­fäl­le wie The Ji ver­bu­che ich als kom­plet­te Nichts­kön­ner, die nur irgend­wel­che mensch­li­chen Lücken fül­len. Ledig­lich LGo­o­ny, Jui­cy Gay und Hus­ten­saft Jüng­ling kann ich etwas abge­win­nen. Der Jüng­ling scheint zwar musi­ka­lisch und vor allem im Takt­ge­fühl eher unbe­gabt, hat aber einen Spaß an der Pro­vo­ka­ti­on und Zer­stö­rung der Nor­men kul­ti­viert, der ihn fast schon zu einem Enter­tai­ner macht. Alles was Recht und Ord­nung zu sein scheint, setzt er außer Kraft. Rap­pen­de Män­ner sind nicht schwul? Juciy Gay schon – und Hus­ten­saft Jüng­ling but­tert selbst dem Boy ab und zu mal einen Kol­ben rein, wäh­rend im Hin­ter­grund ein Schwu­len­por­no läuft. Gute Free­styl­es zeich­nen sich durch gute Reim­tech­nik und schnel­les Den­ken aus? Der Jüng­ling macht es in Zeit­lu­pe, mit schlech­ten Rei­men und Ver­glei­chen der Mar­ke "Du bist gay wie jemand, der schwul ist". Ein Rap­per muss real sein? Der Jüng­ling stellt sich ein­fach vor irgend­ei­nen gepark­ten Fer­ra­ri und tut so, als sei es sei­ner (na ja, das Ferrari-​Parfüm aus dem "Rarri"-Video hat er wahr­schein­lich wirk­lich gekauft). Und das Erstaun­li­che ist: Es gibt immer noch Men­schen, die sich sein Schaf­fen im Netz geben, sich auf­re­gen und mit die­ser Erre­gung auch noch Kom­men­tar­spal­ten fül­len. Das sind wahr­schein­lich die dümms­ten Men­schen der Welt … nicht mal Rent­ner, die sich frü­her von Ste­fan Raab auf der Stra­ße haben ver­ar­schen las­sen, wür­den heu­te noch dar­auf rein­fal­len. Aber genug vom Jüng­ling, hin zu LGo­o­ny. Ähn­lich wie der Jüng­ling erteilt der Goon der Rea­li­tät eine Abfuhr. Er sta­cked das Paper into Space, die Schwer­kraft ist offen­sicht­lich eine Lüge, weil er ja so fly ist, dass er flie­gen kann – und wenn in sei­ner Hood mal nachts nur ein bis zwei Shots fal­len, ist das eher weni­ger Krach. Er sieht aus wie eine 17-​jährige deut­sche Kar­tof­fel vom Gymi, die noch ein Zim­mer bei ihren Eltern bewohnt, aber in sei­nen Songs besitzt er ein eige­nes Zim­mer für Ket­ten, Fünf­eu­ro­schei­ne ent­sorgt er in der blau­en Ton­ne und sei­nen neu­en Lam­bor­ghi­ni parkt er in dei­nem Vor­gar­ten. Dass er dann Schrott ist, ist egal. Er woll­te sich eh gera­de einen aus Gold kau­fen. Und war­um? Er hat das Geld … und … er hat das Geld. In die­ser Form der Räu­ber­pis­to­le steckt Selbst­er­mäch­ti­gung. Die Gesell­schaft und der Markt pro­pa­gie­ren Geld und Macht als höchs­te Zie­le. LGo­o­ny nimmt sie sich ein­fach ohne zu fra­gen. Sei­ne Peer­group fas­zi­niert Abgrün­dig­kei­ten, die Gangs­ter aus Ame­ri­ka, Waf­fen und Gewalt. LGo­o­ny hat alles davon in sei­nem Leben … zumin­dest in sei­nen Songs. Ent­spricht das der Rea­li­tät? Ent­spricht das der Regel? Nein. LGo­o­ny nimmt es sich ein­fach. Er ermäch­tigt sich für alle yung loo­king Lauchs in Ger­ma­ny. Und sie dan­ken es ihm durch Fan­tum. Aber das allei­ne erklärt nicht sei­nen Erfolg. Goo­ny ist tat­säch­lich der eine sin­gu­lä­re gute Rap­per und Musi­ker in der gan­zen Gang. Sei­ne Songs sind Ohr­wür­mer, er switcht mühe­los zwi­schen sei­nen ein­gän­gi­gen Auto-​Tune-​Abfahrten in einen atmen­lo­sen, dyna­mi­schen Trapflow. Er ist nie um ein schrä­ges Bild und eine gei­le Über­trei­bung ver­le­gen. Erzeugt lean Stim­mun­gen eben­so kin­der­leicht wie Ego boos­ten­de Selbst­be­weih­räu­che­run­gen. Und dass er die über­haupt bes­ten Bird­calls und Ad-​Libs Deutsch­lands drauf hat, steht außer Frage.

Aber um es zum Schluss hier noch mal auf den Punkt zu brin­gen: Was Jungs wie Hus­ten­saft Jüng­ling, Jui­cy Gay oder LGo­o­ny tun, hat ein Bekann­ter von mir mal als „Dekon­struk­ti­on statt Klas­sen­kampf“ beschrie­ben. Nichts ist sicher, nichts ist per se rich­tig oder falsch. Ord­nungs­lie­ben­de Deut­sche, die ger­ne den hand­werk­lich bes­ten und nach ande­ren mess­ba­ren Maß­stä­ben talen­tier­tes­ten Künst­ler an der Spit­ze sähen, sind in Unru­he. Wenn Hus­ten­safts und MBee­zys on Top kom­men kön­nen, was ist dann über­haupt noch sicher – außer viel­leicht der Unter­gang des Abend­lands. Wis­sen die Jungs der GUDG, was sie da tun? Kei­ne Ahnung. Hof­fent­lich nicht, denn dar­über soll­te man wahr­schein­lich nicht nach­den­ken. Aber es ist auch egal. Die Gang darf alles.

Euer Busy Boy Jay

(Titel­bild von Dai­ly Puffy Pun­ch­li­nes)