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Hört, hört!

Januar 2016: Lakmann und Azad

Was Ihr Euch in Sachen Deutschrap in die­sem Monat un­be­dingt an­ge­hört ha­ben müsst? In un­se­rer Rubrik "Hört, hört!" stel­len wir die bei­den für uns re­le­van­tes­ten Releases aus zwei Wel­ten, Unter­grund und Main­stream, vor. Die­ses Mal: Lak­mann und Azad.

"Okay – was habe ich ver­passt?" Eine Fra­ge, der wohl je­der von uns schon ­mal begeg­net ist. Egal, ob man sie selbst ge­stellt hat oder mit ihr kon­fron­tiert wur­de. Manch­mal kommt ein­fach der Zeit­punkt, an dem man sich vor al­lem ei­nes wünscht: "Bringt mich doch mal auf den neu­es­ten Stand!" Doch wie ant­wor­tet man dar­auf? Was hält man für beson­ders erwäh­nens­wert? Es ist schwer, eine kur­ze, aber voll­stän­dige Ant­wort dar­auf zu fin­den. Wie misst man über­haupt Rele­vanz? An media­lem Hype? Am Über­ra­schungs­fak­tor? Oder doch an dem musi­ka­li­schen Anspruch? In "Hört, hört!" geht es um das al­les, redu­ziert auf zwei Ver­öf­fent­li­chun­gen. Ein Release, das vor al­lem im Unter­grund auf Zuspruch gesto­ßen ist, und ei­nes, das in der brei­ten Öffent­lich­keit wahr­ge­nom­men wur­de. Zwei Wer­ke, die wir nicht unbe­dingt gut fin­den müs­sen, aber eine ge­wisse Rele­vanz oder eine Bedeu­tung jeg­li­cher Art für die hie­sige Rapland­schaft besit­zen. Zwei Wer­ke, die am Ende des Monats vor al­lem ei­nes aus­sa­gen: "Hört, hört! Genau das habt ihr verpasst!"

 

 

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Lak­mann – Aus dem Schoß der Psychose

Es gibt sie – die ganz gro­ßen Namen von frü­her, deren blo­ße Erwäh­nung die HipHop-​Heads auf­ge­regt tuscheln lässt. Man redet davon, dass die­ser oder jener end­lich wie­der ein Album brin­gen soll­te, da die Jugend gar nicht mehr wüss­te, was ech­ter Rap sei. Droppt so eine Legen­de aus der Gol­den Era dann aber ein neu­es Release, ver­schwin­det dies oft­mals gleich wie­der in der Ver­sen­kung. Man­geln­de Kauf­be­reit­schaft der Fans, zu hohe Erwar­tun­gen der Sze­ne oder feh­len­de Ent­wick­lung der Künst­ler selbst – die Grün­de für das Schei­tern eines Come­backs sind min­des­tens so zahl­reich wie die, über­haupt eines zu wagen. So hängt auch Lak­mann Ones Rück­kehr "Aus dem Schoß der Psy­cho­se" schein­bar in der Schwebe.

Klar, eine wirk­li­che Neu­ig­keit ist es nicht, dass Laki wie­der aktiv an sei­ner Kar­rie­re arbei­tet, gab es doch bereits 2013 gleich eine dop­pel­te Por­ti­on auf die Ohren. Wo Wit­ten Untoucha­ble jedoch durch­aus Auf­merk­sam­keit erreg­te, schien das Solo­werk "2 Gramm gegen den Stress" irgend­wie nicht so rich­tig zie­hen zu wol­len. Ver­ständ­lich also, wenn der Nach­fol­ger einen Hauch von Ver­bit­te­rung ver­brei­tet. "Aus dem Schoß der Psy­cho­se" kon­zen­triert sich näm­lich nicht nur auf Nost­al­gie und Real­kee­pe­rei, es wird auch ordent­lich gegen jeg­li­che neue Trends gesti­chelt, die dem Inter­pre­ten gegen den Strich gehen. So hat Lak­mann ein­fach zu viel Zeit, um sich einen Dou­ble­time­f­low aneig­nen zu müs­sen ("Ich hab genug Zeit") und wenn er mal kei­nen Bock auf eine Hook hat, gibt es eben kei­ne ("Es gibt nie­man­den der singt in mei­ner Hood"). Den­noch hal­ten sich Bis­sig­keit und Inhalt über die Län­ge des gesam­ten Albums die Waa­ge, sodass weder Punchline-​Fans, noch die Freun­de nach­denk­li­cher Zei­len zu kurz kommen.

Wäh­rend zumin­dest die HipHop-​Puristen das neue Werk von Lak­mann One im Kalen­der mar­kiert und recht­zei­tig im Waren­korb lie­gen hat­ten, gestal­tet es sich wohl gera­de für die jün­ge­ren Semes­ter schwer, über­haupt auf den Oldschool-​Rapper zu sto­ßen. Den gro­ßen Erfolg wird Laki damit wohl lei­der nicht erzie­len. Ob er das über­haupt woll­te, steht auf einem ganz ande­ren Blatt.

(Dani­el Fersch)

 

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Azad – Leben II

Azad ist eine leben­de Legen­de. Das bezwei­felt nie­mand. Der frank­fur­ter Kur­de leis­te­te Anfang der 90er bereits wich­ti­ge Bei­trä­ge zur Viel­falt deut­schen Hip­Hops, lan­ge bevor vie­le der heu­ti­gen Raphö­rer über­haupt gebo­ren wur­den. Sein Debüt­al­bum "Leben" aus dem Jah­re 2001 ist nichts ande­res als ein Mei­len­stein des Stra­ßen­raps, das ers­te Groß­werk die­ses Gen­res in deut­scher Spra­che. Es folg­ten etli­che wei­te­re Ver­öf­fent­li­chun­gen und eine beein­dru­ckend kohä­ren­te Kar­rie­re. Dann jedoch ver­schwand Azad plötz­lich für ein hal­bes Jahr­zehnt wei­test­ge­hend von der Bild­flä­che. Nun muss man sich die Fra­ge stel­len: Schafft er es nach die­ser lan­gen Abs­ti­nenz, mit Teil zwei sei­nes Debüts einen ähn­li­chen Ein­fluss auf die hie­si­ge Sze­ne zu haben wie in der Vergangenheit?

Hört man "Leben II", merkt man schnell: Wer Azad kauft, bekommt auch Azad. An der Her­an­ge­hens­wei­se an das eige­ne Schaf­fen hat sich seit sei­nem letz­ten musi­ka­li­schen Lebens­zei­chen über­haupt nichts ver­än­dert. Einem Gän­se­haut erzeu­gen­den Intro fol­gen klas­si­sche Stra­ßen­ban­ger, Lie­bes­be­kun­dun­gen an die Kul­tur und ihre Urvä­ter sowie Respektein­for­de­run­gen von den unter­le­ge­nen Nach­kömm­lin­gen, der Wunsch nach poli­ti­scher Gerech­tig­keit, see­li­scher Schmerz und die Hoff­nung auf ein bes­se­res Leben für alle. Inhalts­lo­sig­keit, Man­gel an Tech­nik oder Cha­ris­ma sowie feh­len­de Atti­tü­de kann man Azad also nicht vor­wer­fen. Auch die betei­lig­ten Pro­du­zen­ten und Fea­ture­gäs­te haben alle­samt gute Ware abge­lie­fert. Erwar­tet man also kei­ne Expe­ri­men­te vom Bozz, so wird man defi­ni­tiv nicht enttäuscht.

Mit "Leben II" hat Azad ein­drucks­voll bewie­sen, dass er in sei­ner ver­meint­li­chen Abwe­sen­heit nichts ver­lernt hat. Sei­nen Legen­den­sta­tus kann ihm nie­mand neh­men. Dem Album fehlt zwar sicher­lich der ein oder ande­re Über­ra­schungs­mo­ment, um die Evo­lu­ti­on deut­schen Hip­Hops auch nur annä­hernd so sehr vor­an­zu­trei­ben, wie es "Leben" einst tat. Dafür sind mitt­ler­wei­le schlicht­weg zu vie­le legi­ti­me Hoch­ka­rä­ter des Stra­ßen­raps nach­ge­wach­sen. Azad ist jedoch ohne­hin nicht der Typ Künst­ler, dem man musi­ka­li­sche Expe­ri­men­te abkau­fen wür­de, sodass man von einem gelun­gen Come­back getrost spre­chen kann.

(Stef­fen Bauer)