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Interview

Megaloh

"Wenn ich jetzt zum hun­dert­tau­sends­ten Mal höre, wie sich jemand dar­auf abfei­ert, dass er vie­le Frau­en hat­te, lang­weilt mich das nur noch." – Mega­loh im Inter­view über musi­ka­li­sche Ansprü­che, sei­nen Wer­de­gang in den letz­ten 20 Jah­ren und poli­ti­sches Enga­ge­ment im deut­schen Rap.

Obwohl Mega­loh bereits seit 2005 "im Game" ist – so der Titel sei­ner Debüt­plat­te –, kann der Ber­li­ner noch nicht mit einer ellen­lan­gen Dis­ko­gra­fie glän­zen. 2013 erschien mit "End­lich Unend­lich" sein zwei­ter und bis dato letz­ter Long­play­er. Mit dem gelang ihm aller­dings nicht nur der Sprung aus der Geheimtipp-​Ecke, son­dern auch in die Top 10 der Album­charts. Doch selbst, wenn sein Name ande­res ver­mu­ten lässt: Der Grö­ßen­wahn hat "Dr. Coo­per" noch nicht befal­len und so arbei­tet Mega­loh der­zeit an sei­ner drit­ten Plat­te, die vor­aus­sicht­lich im kom­men­den Jahr auf die Deutschrap­sze­ne los­ge­las­sen wer­den soll. Zu die­sem Anlass tra­fen wir den Moa­bi­ter Rap­per zum Gespräch über den vor­herr­schen­den Druck, sei­ne Boden­stän­dig­keit und natür­lich, um ihm ein paar Details zur neu­en Plat­te zu ent­lo­cken. Viel Spaß mit einem wei­te­ren MZEE​.com Inter­view, "wo man das, was man sagt, auch ver­kör­pern muss".

MZEE​.com: Wenn man sich mal den Abstand zwi­schen dei­nem Debüt­al­bum "Im Game" von 2005 und dei­nem zwei­ten Album "End­lich Unend­lich" von 2013 anschaut, kann man schon ein wenig Angst bekom­men, dass man auf die nächs­te Plat­te län­ger war­ten muss – kannst du Ent­war­nung geben?

Mega­loh: Ich hab’ jetzt wie­der etwas län­ger gebraucht – drei Jah­re ist eigent­lich das Maxi­mum. 2013 kam das letz­te Album, das nächs­te wird aber bald erschei­nen. Wann genau, kann ich noch nicht sagen, aber es wird kei­ne sie­ben Jah­re dau­ern. Auf kei­nen Fall! (grinst)

MZEE​.com: Fühlst du dich denn unter Druck gesetzt? Gera­de dadurch, dass du dir eine recht gro­ße Fan­ba­se auf­ge­baut hast …

Mega­loh: Ich habe vor­her schon die gan­ze Zeit Musik gemacht. Das Pro­blem war aller­dings, dass ich schlech­tes Busi­ness gemacht habe bezie­hungs­wei­se ein Manage­ment hat­te, das mich nicht an den Mann brin­gen konn­te. Ich woll­te die Musik nicht kom­plett for free machen, die "Monster"-EP habe ich ja zwi­schen den bei­den Alben gemacht. Wie ihr auch gesagt habt: Jetzt gera­de ist ein Punkt, da wol­len vie­le Leu­te, dass was Neu­es kommt und das macht mir dann natür­lich auch mehr Spaß. Das heißt aber nicht, dass ich davor kei­ne Musik gemacht habe. Ich habe von Anfang an kon­ti­nu­ier­lich dar­an gear­bei­tet. Jetzt bin ich aber viel­leicht an einem Punkt, an dem man das erns­ter nimmt, die Per­spek­ti­ve sieht und dann natür­lich auch moti­vier­ter ist. Es ändert aber nichts – der krea­ti­ve Out­put ist da oder ist es eben nicht. Für die­ses kom­men­de Album habe ich mir nicht unbe­dingt Druck gemacht, weil die Leu­te was hören wol­len. Es war mir nur wich­tig, bestän­dig zu blei­ben und die Chan­ce zu nut­zen, Musik machen zu können.

MZEE​.com: Wir hat­ten das Gefühl, dass du dir mit "End­lich Unend­lich" ziem­lich schnell eini­ge Türen in der Deutschrap­sze­ne geöffnet hast. Was denkst du persönlich, wie­so die Plat­te vor zwei Jah­ren so ein­ge­schla­gen ist?

Mega­loh: Max Her­re, ne? (grinst) Max Her­re hat alles klar gemacht. Er hat auf jeden Fall viel damit zu tun. Ab dem Moment, in dem ich bei ihm unter Ver­trag gekom­men bin und er irgend­wann gesagt hat: "Checkt den aus, das ist ein guter Lyri­cist" – da haben die Leu­te plötz­lich ange­fan­gen, mich anders wahr­zu­neh­men. Natür­lich habe ich auch damit begon­nen, etwas ande­re Musik zu machen. Man wird ja älter, ande­re The­men wer­den wich­tig. Mir selbst wur­de es auch immer wich­ti­ger, die Musik so ehr­lich wie mög­lich zu machen und mei­ne eige­ne Geschich­te zu erzäh­len. Ich bin auf jeden Fall sehr froh, dass die Leu­te das akzep­tiert haben – das hät­ten wir damals natür­lich nicht gedacht. Wir haben geglaubt, dass alles bes­ser wird als zuvor und wir mehr Auf­merk­sam­keit krie­gen – aber dass es gleich so gut läuft, nicht. Ich tou­re und spie­le jetzt schon seit fast drei Jah­ren mit dem glei­chen Album und die Leu­te fei­ern das immer­noch. Das ist ein­fach ein Traum! Vie­len Dank an alle, die uns unterstützen.

MZEE​.com: Kann man sagen, dass du dich sound­tech­nisch kom­plett gefun­den hast? Oder hast du das Gefühl, dass du dich jetzt noch­mal in eine ande­re Rich­tung entwickelst?

Mega­loh: Ich den­ke, ich ent­wick­le mich immer wei­ter. Ich bin selbst auch Rapfan. Man­che neu­en Sachen fin­det man gut und nimmt das mit auf ins Reper­toire – egal, ob das mit dem Flow oder dem Sound zu tun hat. Und natür­lich will man auch inhalt­lich wei­ter­ge­hen – ich möch­te wei­te­re Facet­ten zei­gen. Man wird sehen, wo die Rei­se hin­geht. Ich wür­de das kom­men­de Album als eine Wei­ter­ent­wick­lung vom letz­ten bezeich­nen. Die Musik ist jetzt nicht kom­plett anders, aber es ist auf jeden Fall eine Weiterentwicklung.

MZEE​.com: In die­sem Jahr erschien ein Video von dir und dem fran­zö­sisch­spra­chi­gen Rap­per FONZ', das eine "straßenlas­ti­ge­re" Gang­art ein­legt, als man es von dei­nem Sound der letz­ten Jah­re gewohnt ist. Ergab sich das bedingt durch die Musik von FONZ' oder ver­suchst du dich gene­rell wie­der an här­te­rem Sound?

Mega­loh: Wer mei­ne Musik von Anfang an ver­folgt, der weiß, dass ich so etwas schon immer gemacht habe. Als ich die Chan­ce bekom­men hab', "End­lich Unend­lich" zu machen, war es wich­tig, sich den Leu­ten rich­tig zu prä­sen­tie­ren. Gera­de, dass man auch auf vie­le Sachen ver­zich­tet, die einen in eine Klischee-​Ecke drü­cken. Von mir wird sowie­so immer gesagt: "Okay, er ist groß und schwarz". Wenn man dann noch Stra­ßen­rap macht, wird man gleich in eine Kis­te gesteckt. Des­halb woll­te ich den Leu­ten die Mög­lich­keit geben, den Men­schen dahin­ter zu sehen. Das ist auf jeden Fall so geblie­ben – aber das heißt nicht, dass die Lie­be zum Stra­ßen­rap ver­lo­ren gegan­gen ist. Es wird immer wie­der Pro­jek­te mit Leu­ten geben, die ich gut fin­de, aber grund­sätz­lich ist die Aus­rich­tung, ehr­li­che Musik zu machen. Auf dem Track mit FONZ’ war der Beat von ihm. Heu­te wür­de man das als Trap bezeich­nen, was mir auch gut gefällt, aber das neue Album wird musi­ka­li­scher und mit Instru­men­ten blei­ben. Ich will aber nicht zu viel vor­weg nehmen …

MZEE​.com: Wird dein nächs­tes Album im kom­men­den Jahr erscheinen?

Mega­loh: Das ist in Pla­nung, genau kann ich das aber nicht sagen. Es gibt noch kein Release­da­te – da muss sich das Label noch drum küm­mern. Ich bin qua­si fer­tig, die ers­ten Songs sind schon im Mix. Es dau­ert also nicht mehr lange.

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MZEE​.com: Auf dem Track mit FONZ' rappst du unter ande­rem: "Newcomer-​Freshness, obwohl ich schon seit 'ner Epo­che im Game bin". Denkst du, dass man mit der Zeit an "Newcomer-​Freshness" ein­büßt und durch wach­sen­den Erfolg auch an Biss ver­lie­ren kann?

Mega­loh: Ich den­ke schon. Man kann ja immer wie­der beob­ach­ten, dass Leu­te irgend­wann zu viel ver­die­nen und dann satt wer­den. Viel­leicht ist es auch direkt am Anfang so, dass der Grund des Erfolgs an einem Hype, Trend oder der Zeit liegt und dass der Künst­ler spä­ter nicht dazu in der Lage ist, das zu hal­ten, nach­zu­lie­fern oder sich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Gera­de dadurch, dass der Trend dann vor­bei­geht und nicht mehr so span­nend ist. An mich selbst habe ich einen sehr hohen Anspruch – das geht viel wei­ter, als der Erfolg von die­sem Album war. Ich bin total dank­bar dafür, aber ich rap­pe seit fast 20 Jah­ren und hat­te immer den Anspruch, so weit wie mög­lich nach oben zu kom­men. Des­halb wird die­ser Hun­ger bei mir, den­ke ich, nicht so schnell vorbeigehen.

MZEE​.com: Gab es auch Pha­sen, in denen du über­haupt kei­nen Bock mehr auf Rap hattest?

Mega­loh: Die gab es auf jeden Fall. Als ich zum Bei­spiel gemerkt habe, dass ich geschäft­lich nicht auf einen grü­nen Zweig kom­me. Man inves­tiert immer Zeit, Ener­gie und Geld. Gleich­zei­tig muss man auch enorm vie­le Opfer brin­gen – wie zum Bei­spiel Freun­de, die man ver­liert oder für die man kei­ne Zeit mehr hat. Irgend­wann war es mir das alles nicht mehr wert. Da dach­te ich mir, dass es nicht sein kann, mein hal­bes Leben in die Musik rein­zu­ste­cken und dann so wenig zurück­zu­be­kom­men. Das war alles vor dem Album und mit der "Monster"-EP woll­te ich eigent­lich abschlie­ßen und dach­te, dass da auch Fami­lie am Start wäre. Da muss man sich küm­mern und sein Leben anders ange­hen. Man muss sich auch über­le­gen, wie man die Fami­lie ver­sor­gen kann – und wenn das mit Rap nicht klappt, muss man umden­ken. Ich bin des­halb sehr glück­lich, dass es doch geklappt hat.

MZEE​.com: Das bedeu­tet, dass Rap seit dei­ner letz­ten Plat­te auch dein Beruf ist?

Mega­loh: Auch. Ich habe noch immer mei­nen ande­ren Job im Lager, wie in dem Song "Loser" erzählt wird. Da hat sich nichts dran ver­än­dert. Dadurch, dass das Album so ein Erfolg war, bin ich natür­lich total viel unter­wegs gewe­sen. Wenn man viel spielt, kommt auch Geld rein. Es ist jetzt nicht so, dass ich kom­plett von die­sem Job abhän­gig wäre, aber man muss ja auch an die Zukunft den­ken. Es wird wahr­schein­lich noch eine Wei­le so blei­ben, aber ich hof­fe, dass ich mei­nen Lebens­un­ter­halt irgend­wann kom­plett mit der Musik bestrei­ten kann.

MZEE​.com: Denkst du, dass man auto­ma­tisch boden­stän­di­ger bleibt, wenn man nicht nur als Künst­ler unter­wegs ist, son­dern auch in einem ande­ren Job arbei­tet – egal, in was für einem?

Mega­loh: Ich habe dadurch enorm an Boden­stän­dig­keit gewon­nen, das stimmt schon. Letzt­end­lich ver­liert man, glau­be ich, auch nicht den Bezug zum nor­ma­len Leben. Für man­che reicht es auch, Fami­lie zu haben, was dann wie eine Art Groun­ding ist. Aber es kann nicht scha­den, noch etwas ande­res zu machen.

MZEE​.com: Man hat halt immer eine Alter­na­ti­ve und muss sich nicht kom­plett auf eine Sache verlassen …

Mega­loh: Das stimmt schon – aber mein Job ist jetzt nichts für die Ewig­keit. Es ist kör­per­li­che Arbeit, bei der es auch kei­ne Chan­ce auf einen Auf­stieg oder sowas gibt. Wenn ich kei­ne Musik machen wür­de, müss­te ich in eine ande­re Rich­tung über­le­gen, in der man mehr sozia­len Auf­stieg errei­chen und mehr Geld ver­die­nen kann.

MZEE​.com: Wir haben gera­de schon über das The­ma "Newcomer-​Freshness" gere­det. Gibt es denn aktu­ell den ein oder ande­ren noch unbe­kann­ten Künst­ler, den man auf dem Schirm haben soll­te und dem du die­se "Newcomer-​Freshness" auch anmerkst?

Mega­loh: Chi­ma Ede wür­de ich auf jeden Fall unbe­dingt aus­che­cken. Das ist auch ein sehr talen­tier­ter Künst­ler aus Berlin-​Moabit, der rappt und singt. Er ist noch total jung und hat in die­sem Jahr eine kos­ten­lo­se EP raus­ge­bracht. Die heißt "Lebens­lust" und man kann sie auf sei­ner Sei­te down­loa­den. Ich hal­te ihn für einen sehr guten Künst­ler und hof­fe, dass wir da noch viel in der Zukunft sehen werden.

MZEE​.com: Von den New­co­mern zu den "alten Hasen" und deren Klas­si­kern: Wer­den Fans auf ein drit­tes "Auf Ewig"-Mixtape hof­fen dür­fen oder siehst du die Rei­he vor­erst als abge­schlos­sen an?

Mega­loh: Ich hat­te eigent­lich schon gesagt, dass ich eine Tri­lo­gie draus machen will. Ich den­ke, ein drit­ter Teil wird also auch noch kom­men. Ich hab’ ein paar Schwie­rig­kei­ten damit, die Beats zu besor­gen, weil es vie­le der Sachen, die ich haben will, gar nicht mehr als Instru­men­tals gibt. Teil­wei­se sind die bei irgend­je­man­dem auf der MPC und er muss die dann raus­boun­cen oder fin­det die Files nicht. Ich will da jetzt auch kei­ne Namen nen­nen. Ich ver­such' das noch zusam­men­zu­tra­gen und dann auch hof­fent­lich bald zu bringen.

MZEE​.com: Bei dei­nem Rap wer­den immer wie­der Skills und tech­ni­sche Ver­siert­heit gelobt. Wie wich­tig ist dir Tech­nik als Kon­su­ment in Bezug auf Rap von anderen?

Mega­loh: Skills sind mir enorm wich­tig. Ich ach­te da schon drauf und bin auch ein biss­chen ein Reim­fa­na­ti­ker – ich lege gro­ßen Wert auf die Län­ge und Rein­heit von Rei­men. Flow und Stim­me sind natür­lich auch total wich­tig: Wie prä­sent ist der Künst­ler auf dem Beat und was hat er zu erzäh­len? Das ist, glau­be ich, in ers­ter Linie mein Pro­blem mit vie­len Rap­sa­chen: Dass ich mir den­ke, inhalt­lich gibt mir davon ganz vie­les nichts mehr, weil es nur noch um Par­ty und Frau­en geht. Ich hab' das frü­her auch enorm gefei­ert und selbst gemacht, aber wenn ich jetzt zum hun­dert­tau­sends­ten Mal höre, wie sich jemand dar­auf abfei­ert, dass er vie­le Frau­en hat­te, lang­weilt mich das nur noch.

MZEE​.com: Wie ist das bei einem neu­en Track von einem Künst­ler, den du fei­erst? Hörst du den schon beim ers­ten Mal mit die­sem kri­ti­schen Blick und ach­test auf Rei­me und Flow?

Mega­loh: Ich ana­ly­sie­re die Sachen jetzt nicht tot. Wenn es ein Rap­per ist, den ich fei­er', dann höre ich rein und der Beat ist schon aus­schlag­ge­bend. Wenn mir der Beat über­haupt nicht gefällt, dann ist es schwer ein­zu­stei­gen – da muss der Künst­ler flow­tech­nisch schon sehr über­zeu­gen. Beat, Flow, Stim­me, danach kommt der Inhalt und die genaue Technik.

MZEE​.com: 2013 hast du auf "Rap ist" die fol­gen­de Line gerappt: "Ein­zi­ge Mucke, wo man das, was man sagt, auch ver­kör­pern muss". Inwie­weit fin­dest du, dass das heu­te in 2015 über­haupt passiert?

Mega­loh: Das ist eine gute Fra­ge. Ich den­ke, es gibt sol­che und sol­che MCs – wie auch frü­her schon. Die ame­ri­ka­ni­sche und fran­zö­si­sche Sze­ne ist zu weit weg, um das auch wirk­lich beur­tei­len zu kön­nen. In der deut­schen Sze­ne kennt man die Leu­te viel­leicht ein biss­chen und blickt mehr hin­ter die Kulis­sen. Man muss ein­fach mal sagen, dass es total vie­le Image-​Rapper gibt. Das kann lus­tig sein, ist für mich aber eher was Kurz­le­bi­ges. Die Sachen, die wirk­lich Bestand haben, sind die, bei denen man merkt, dass der Künst­ler voll hin­ter dem steht, was er sagt, und das auch ver­kör­pert. Davor habe ich auch mehr Respekt als vor jeman­dem, der in die Rol­le des Über­gangs­ters schlüpft, aber eigent­lich weiß man: Wenn man an ihm pri­vat vor­bei­läuft, guckt er nur auf den Boden. Das gibt mir dann nichts.

MZEE​.com: Das ist auch immer die Basis von Rap gewe­sen, oder? Dass die Leu­te das erzäh­len, was wirk­lich pas­siert, und sich nichts aus­den­ken. Kannst du die Musik trotz­dem fei­ern, wenn es eine schö­ne Geschich­te drum­her­um gibt, die even­tu­ell nicht der Wahr­heit entspricht? 

Mega­loh: Wenn es gut gemacht und eine Geschich­te ist, die mich inter­es­siert, dann kann ich mir das natür­lich auch anhö­ren. Es ist für mich nur rela­tiv schwer, Fan von etwas zu sein – gera­de, weil ich die­se Musik so lan­ge mache und da auch sehr kri­tisch bin. Ich bin ein Rapfan, aber so rich­tig Fan von einem Künst­ler schon lan­ge nicht mehr. Der letz­te, von dem ich Fan war, war Jay-​Z. Und der hat so ein kras­ses Ver­mächt­nis hin­ter­legt. Er hat auf einem Album nach dem ande­ren sei­ne Geschich­te erzählt und die ist so reich, musi­ka­lisch und inhalt­lich … Er hat die­ses Stra­ßen­bild zum Teil in Per­fek­ti­on gezeich­net. Da kom­men weni­ge nach, die mich in der Form so beein­dru­cken kön­nen. Es gibt immer wie­der ein­zel­ne Lie­der, von denen man sagt, dass sie rich­tig cool gemacht sind. Das kann man dann auch fei­ern und muss nicht die gan­ze Zeit drü­ber nach­den­ken. Wenn ein Lied gut gemacht ist, dann ist es halt gut.

MZEE​.com: Bist du eigent­lich so ein rich­ti­ger Deutschrap-Nerd?

Mega­loh: (grinst) Über­haupt nicht! Mein Pro­du­zent Gha­nai­an Stal­li­on ist aber anschei­nend einer. Ich bin wäh­rend den Dis­kus­sio­nen, die wir haben, immer wie­der über­rascht, wen er alles kennt und ich nicht. Das ist echt hart. Ich kenn' sozu­sa­gen die "Big Dogs": Rob­be, Sam, Max … Leu­te, mit denen ich auch chil­le und zu tun hab'. Ansons­ten kommt auch so viel neu­es Zeug raus, dass ich kaum alles mit­krieg'. Ab und zu, wenn mein Pro­du­zent mir was zeigt, gucke ich mir das auch an und mer­ke mir viel­leicht auch den Künst­ler. Aber ich habe die Tage über schon wie­der so vie­le Namen gehört und Gesich­ter gese­hen … Ich kenn' mich anschei­nend nicht aus. (lacht)

MZEE​.com: In dei­ner Bio­gra­fie haben wir ein wei­te­res sehr inter­es­san­tes Zitat von dir gefun­den, über das wir ger­ne spre­chen wür­den: "Ich weiß, dass Musik hei­len kann". Kann sie denn in dei­nen Augen auch das Gegen­teil bewirken?

Mega­loh: Ja, ich den­ke schon. Man kann Musik jetzt nicht die Ver­ant­wor­tung geben, wie sie es bei Haf­ti ver­sucht haben, weil der Schlä­ger von Tug­ce sei­ne Musik gehört hat, aber sie hat auf jeden Fall auch eine zer­stö­re­ri­sche Kraft. Wenn die gan­ze Zeit Hass pro­pa­giert wird und jemand, der labil oder dau­ernd nega­tiv drauf ist, sich das nur anhört. Das hat dann natür­lich auch einen Ein­fluss auf die Men­schen. Das ist jetzt nicht nur auf Haf­ti bezo­gen, son­dern all­ge­mein. Musik hat einen Ein­fluss, das ist klar. Aber man kann die Ver­ant­wor­tung nicht allei­ne den Künst­lern geben, letzt­end­lich ist das ja auch Kunst. Wenn sich jemand dazu beru­fen fühlt, nega­ti­ve Musik zu machen und das sein Ding ist, weil es sein Ven­til ist, dann ist das halt so. Ich sehe das ein biss­chen anders. Ich habe in dem Zusam­men­hang zum Bei­spiel auch eine Geschich­te, die ich erzäh­len kann. Das soll jetzt nicht selbst­be­weih­räu­chernd sein, aber ein Arbeits­kol­le­ge von mir hat eine klei­ne Toch­ter, die neun oder zehn Jah­re alt ist, und die hat­te was an der Lun­ge, sodass sie jedes hal­be Jahr zu einer OP muss­te, weil sie kaum atmen konn­te. Er ist ein Fan von mei­ner Musik, hat ihr Sachen gezeigt und – wor­an das auch immer lag – sie hat dar­an einen Besen gefres­sen. Ich habe sie auch schon­mal getrof­fen und sie hat ein­fach so ein wahn­sin­nig gutes Gefühl durch die Musik bekom­men – gera­de vom Song "Loser“ –, dass sie gesagt hat: "Ey, ich bin kein Loser!" Jetzt hat sie seit zwei­ein­halb Jah­ren kei­ne OP mehr gebraucht. Ich will nicht sagen, dass es nur mit der Musik zu tun hat, aber mein Kol­le­ge ist davon über­zeugt. Seit sie das hört, hat ihr das viel gege­ben. Und das gibt mir wie­der­um wahn­sin­nig viel – wenn man tat­säch­lich sieht, dass Musik hel­fen kann.

MZEE​.com: Du setzt dich auf dei­nen Inter­net­prä­sen­zen regel­mä­ßig mit The­men wie PEGIDA oder der Flücht­lings­po­li­tik in Deutsch­land aus­ein­an­der und regst damit Dis­kus­sio­nen und Gesprä­che unter dei­nen Fans an. Siehst du dich als Per­son, die in der Öffent­lich­keit steht, dazu ver­pflich­tet, sol­che The­men anzusprechen?

Mega­loh: Ja, defi­ni­tiv. Ich den­ke, jeder Künst­ler, der mehr Auf­merk­sam­keit hat als ein Mensch, der nor­mal im Büro arbei­tet und nicht so vie­le Leu­te errei­chen kann, hat eine Ver­ant­wor­tung, auf Unge­rech­tig­kei­ten in der Welt oder viel­leicht auch nur in Deutsch­land hin­zu­wei­sen. Ich kann nicht nur die gan­ze Zeit neh­men – ich fin­de, man muss auch was geben. Und das ist das Min­des­te, das ich machen kann. Den Leu­ten ein­fach zu sagen, dass nicht immer alles nur schön ist und wir auf der Büh­ne fei­ern, son­dern, dass es wirk­li­che Pro­ble­me gibt. Men­schen, die ech­te Pro­ble­me haben, lei­den oder denen Unge­rech­tig­kei­ten wider­fah­ren. Viel­leicht hilft es Leu­ten, die sonst kei­nen Zugang dazu haben in die The­ma­tik rein­zu­kom­men, wenn ein Künst­ler, den sie fei­ern, so etwas pos­tet. Damit ist auch schon ein biss­chen was gewonnen.

MZEE​.com: Fin­dest du, dass Rap in Deutsch­land zu viel, gera­de rich­tig oder zu wenig poli­tisch enga­giert ist?

Mega­loh: Ich wür­de da noch­mal zwi­schen der Musik, die man macht, und dem, was man als Künst­ler nach außen hin ver­kör­pert, unter­schei­den. Ich fin­de nicht, dass Rap­per unbe­dingt poli­tisch rap­pen müs­sen. Das muss man ein­fach kön­nen und ist eine schma­le Grat­wan­de­rung, die auch nach hin­ten los­ge­hen kann. Man kann schnell zu Preacher-​mäßig wir­ken oder wie Leh­rer Läm­pel. Ich den­ke, es ist auf jeden Fall wich­tig, außer­halb der Musik, die man macht, auch State­ments abzu­ge­ben oder sich viel­leicht sozi­al zu enga­gie­ren und mit der Auf­merk­sam­keit, die man als Per­son bekommt, auf sol­che Din­ge hinzuweisen.

(Flo­rence Bader & Lai­la Drewes)
(Fotos von Kai Bern­stein)