Kategorien
Interview

Mauli

"Leu­te, die schrei­ben, dass man sich mei­ne Musik mal schnel­ler geben soll­te, sind eigent­lich noch schlim­mer als die, die nur plump belei­di­gen wol­len." – Mau­li im Inter­view über ner­vi­ge YouTube-​Kommentare, sein Album "Spiel­ver­der­ber" und wie er in der Deutschrap­sze­ne gelan­det ist.

Kaum eine Musik­sze­ne erleich­tert New­co­mern den Ein­stieg so sehr wie die hie­si­ge Rap­land­schaft. Ver­mut­lich kennt jeder von uns die­sen 14-​jährigen Nach­bars­jun­gen, der sei­nem Idol nach­ei­fern möch­te und heim­lich im Kin­der­zim­mer bös­ar­ti­ge Battle­parts in sein Laptop-​Mikrofon flüs­tert, wenn Mami gera­de nicht zu Hau­se ist. Die Moti­va­ti­on ist meist immer die­sel­be: die Lei­den­schaft zum Rap und der Traum, irgend­wann mal selbst an der Chart­spit­ze zu ste­hen. Aller­dings gibt es auch eben­je­ne Künst­ler, die nicht ein­mal frei­wil­lig in die Sze­ne ein­tre­ten, son­dern von ihren Kol­le­gen eher ins Hai­fisch­be­cken gewor­fen wer­den – und sich dar­in am Ende pudel­wohl füh­len. Zu letz­te­rer Sor­te zählt Mau­li, ehe­mals Dir­ty Maul­wurf: Ein­mal von sei­nen Kol­le­gen vom Prenz­lau­er Berg auf die Online-​Turnierszene los­ge­las­sen, hat der Ber­li­ner Blut geleckt und nach einem durch­aus erfolg­rei­chen EP-​Release kürz­lich mit sei­nem Debüt­al­bum "Spiel­ver­der­ber" nach­ge­legt. Wir spra­chen mit dem Trap-​oder-​Cloudrap-​oder-​was-​auch-​immer-​Act ein wenig über sei­ne musi­ka­li­sche Ent­wick­lung, die Ent­ste­hung von "Spiel­ver­der­ber" und ner­vi­ge YouTube-Kommentare.

MZEE​.com: Wir wür­den zu Beginn des Inter­views ger­ne über dei­ne Sin­gle "Nix zu tun" spre­chen. Dar­auf rappst du: "Frü­her war ich nicht ganz so gut, doch seit 'nem Jahr bin ich der Shit". Was macht den neu­en Mau­li bes­ser als den alten Dir­ty Maulwurf?

Mau­li: Ich wur­de in die­se VBT-​Geschichte damals ein biss­chen rein­ge­wor­fen und hab' mir kei­ne gro­ßen Hoff­nun­gen gemacht, irgend­was zu rei­ßen. Aber dadurch hab' ich gene­rell ange­fan­gen zu rap­pen – viel­leicht wäre ich ohne das VBT gar nicht dazu gekom­men. Als das dann 'ne Wei­le gelau­fen ist, dach­te ich mir: Man könn­te das doch auch mal rich­tig machen und Beats aus­wäh­len, die man sel­ber mag, und nicht nur auf irgend­wel­che Free-​Beats rap­pen. Das war die Inten­ti­on, sodass ich irgend­wann den akti­ven Weg gegan­gen bin. Wenn man ins Stu­dio geht, um Musik zu machen, macht man sich mehr Gedan­ken über das Gan­ze, weil man kei­ne Leu­te vor­ge­setzt kriegt, gegen die man batt­len muss. Die­ser Pro­zess hat 'ne Wei­le gedau­ert. Mitt­ler­wei­le weiß ich mei­ne Inten­ti­on: näm­lich … (über­legt) ande­re Leu­te belei­di­gen. Wie im VBT. (lacht) Also hat sich nichts geändert.

MZEE​.com: Das heißt, du ziehst für dich selbst auch Par­al­le­len zwi­schen dei­ner VBT-​Vergangenheit und dei­ner jet­zi­gen Musik?

Mau­li: Ich hät­te nicht bei einem Con­test mit­ge­macht, bei dem es nur dar­um gegan­gen wäre, wer den lus­tigs­ten Song macht oder die meis­ten Rei­me und Ver­glei­che zu einem The­ma hat. Der Gedan­ke, ande­ren Leu­ten ihre Feh­ler auf­zu­zei­gen, hat mir schon gefal­len. Aber das ist ja kei­ne Grund­la­ge, um Musik zu machen. Des­halb hab' ich pro­biert, das ein­fach ein wenig ein­flie­ßen zu las­sen – ich glau­be, es gibt nur weni­ge Lie­der, in denen ich nicht auch über ande­re rede und sage, was mich an ihnen stört. Aber man dif­fe­ren­ziert halt ein biss­chen und ist mehr mit dem Drum­her­um beschäf­tigt, damit alles eine Ein­heit ergibt.

MZEE​.com: Du hast dich sound­tech­nisch in den letz­ten Jah­ren in eini­gen Rich­tun­gen aus­pro­biert. Hat­test du für dei­nen aktu­el­len Sound musi­ka­lisch gese­hen Vorbilder? 

Mau­li: Die­se Ent­wick­lung hängt natür­lich mit der Musik zusam­men, die ich ger­ne höre. Auto­tu­ne ist immer ein Tabu­the­ma in die­sen Batt­ler­ap­krei­sen gewe­sen. Und war­um soll­te man sich über­haupt Gedan­ken über das Musi­ka­li­sche machen, wenn es dar­um geht, Leu­te zu belei­di­gen oder eine Run­de im VBT wei­ter­zu­kom­men? Wenn man sich irgend­wann ein Bild davon schafft, wie die eige­ne Musik klin­gen soll, pro­biert man eben ein wenig. Und die­ses Autotune-​Ding hat mir beim Rum­pro­bie­ren total gut gefal­len. Des­we­gen habe ich das wei­ter­ge­zo­gen und aus­ge­feilt. Ich wuss­te schon, wel­che Leu­te das rich­tig und wel­che das falsch ein­set­zen. Und wenn es jemand falsch ein­ge­setzt hat, hat mich das genervt, weil das immer als Para­de­bei­spiel genom­men wur­de: "Das gefällt mir nicht, weil da Auto­tu­ne drauf ist …" Nein, das gefällt euch nicht, weil der­je­ni­ge kei­ne Ahnung hat, wel­che Ton­lei­ter er da ein­stel­len muss, und weil er Auto­tu­ne auf die Auf­nah­me legt und nicht bei der Auf­nah­me. Das ist ja auch noch mal ein Unter­schied. Wenn ich musi­ka­li­sche Ein­flüs­se hat­te, dann auf jeden Fall von der Zeit im Stu­dio mit Mor­ten und dem, was ich gehört habe: Tra­vis Scott, Three 6 Mafia, Jui­cy J … Aber das hat weni­ger mit dem Autotune-​Element zu tun als mit dem Tem­po oder der Art und Wei­se, wie man auf sol­che Beats rappt.

MZEE​.com: Wie hast du die­se Ent­wick­lung seit dei­nem ers­ten öffent­lich­keits­wirk­sa­men Auf­tritt in 2013 mit­er­lebt – gab es irgend­wann einen Knack­punkt, der dir eine kla­re Rich­tung vor­ge­ge­ben hat?

Mau­li: Inner­halb der ers­ten rich­ti­gen VBT-​Teilnahme 2013 kam das, als man durch das Favoritenpunkte-​System nur komi­sche Geg­ner bekam und stän­dig gese­hen hat, dass wie­der eine Woche ins Land zieht, in der nichts pas­siert. Man wuss­te ja vor­her, dass der Geg­ner, den man kriegt, schlecht ist und da nichts ande­res pas­sie­ren wird als in der letz­ten Run­de. (lacht) Die­ses For­mat hat sich für mich auch abge­nutzt und ich hab' irgend­wann die Lust ver­lo­ren, weil die Box, in der das statt­fin­det, rela­tiv begrenzt ist. Ich hab' auch oft beim Schrei­ben gedacht: Okay, ich kann gar nicht alles sagen, was ich will, weil das dann nichts mehr mit dem Geg­ner zu tun hat. Ich wür­de sagen, es war ein schlei­chen­der Pro­zess, der dar­an fest­zu­ma­chen ist, dass man in die­sem Kon­zept vom VBT limi­tiert ist. Das hat mich genervt. Ich woll­te was ande­res machen – viel­leicht auch Musik, die man irgend­wo live spie­len kann, ohne dass einen alle angu­cken und fra­gen: "Wer ist denn Breit MC und war­um belei­digst du ihn jetzt? War­um rappst du auf der Büh­ne drei Minu­ten lang über wen anderes?"

MZEE​.com: Auch wenn du die­se Fra­ge wahr­schein­lich sehr oft hörst, aber: Kannst du dir vor­stel­len, noch ein­mal bei einem sol­chen Tur­nier­for­mat teilzunehmen?

Mau­li: Im Moment ist das auf jeden Fall gestor­ben. Ers­tens gibt es Leu­te, die das von mir erwar­ten – das krieg' ich jeden Tag mit. Dass Leu­te danach fra­gen, ob ich da noch mal teil­neh­me. Allein, weil ich denen damit einen Gefal­len tun wür­de, will ich's nicht machen. (lacht) Und zwei­tens reizt es mich aktu­ell über­haupt nicht. Wären da total vie­le Leu­te dabei, die mich anspor­nen wür­den: Wer weiß. Aber in nähe­rer Zeit eher nicht.

mauli03

MZEE​.com: Ver­folgst du das Tur­nier denn noch privat?

Mau­li: Ich hab' zwi­schen­durch ein, zwei Run­den gese­hen und gedacht: Das hab' ich schon mal so ähn­lich gehört – viel ist nicht pas­siert. Das VBT hat sich für mich durch die Teil­neh­mer, die sich immer wie­der­ho­len, selbst kaputt­ge­macht. Die sich den­ken: "Ja gut, das gab es alles schon, aber man kann's ja noch mal auf­wär­men". Da haben mir zuletzt die Inno­va­tio­nen gefehlt.

MZEE​.com: Wie haben denn dei­ne Rap­kol­le­gen dei­ne Neu­ori­en­tie­rung wahr­ge­nom­men? Kön­nen dei­ne "Jungs vom Prenz­lau­er Berg" etwas mit dei­ner aktu­el­len Musik anfangen?

Mau­li: Die kön­nen da viel mit anfan­gen … sagen sie mir zumin­dest immer. (lacht) Ob sie das wirk­lich so sehen, ist die ande­re Sache. Nee, Spaß … Für die ist Musik ja auch kein Fremd­wort und sie haben ande­re Sachen, auf die sie ach­ten. Die Tex­te ste­hen mehr im Vor­der­grund und schei­nen ihnen zu gefal­len. Dass sie auf die Beats wahr­schein­lich nicht pas­sen oder was ande­res als ich machen wür­den, ist klar. Des­we­gen hab' ich auch kei­ne Fea­tures von den Prenz­lau­er Berg-​Leuten auf dem Album. Ich bin gene­rell kein Freund davon, sich ein­zu­schrän­ken oder einen Kom­pro­miss mit irgend­wem zu finden.

MZEE​.com: Reden wir mal kon­kre­ter über dein aktu­el­les Album "Spiel­ver­der­ber": Die Plat­te wur­de kom­plett von Mor­ten pro­du­ziert. Wie lief der Ent­ste­hungs­pro­zess ab? 

Mau­li: Natür­lich war nicht der ers­te Beat, den wir gemacht haben, gleich auf dem Album – wir haben ein paar Sachen aus­pro­biert, Samples gediggt und geschaut, in wel­che Rich­tung das unge­fähr gehen soll. Wir haben viel dar­über gere­det und uns Gedan­ken gemacht, waren uns aber rela­tiv schnell einig, wie das Sound­bild unge­fähr zu sein hat, was rein passt und was nicht. Aber als der ers­te Beat fer­tig war, sind alle fol­gen­den elf Songs auf dem Album gelan­det. Es war nicht so, dass wir 30 Songs gemacht und die, die ähn­lich klin­gen, aufs Album gepackt haben. Wir haben uns erst über­legt, wie's klin­gen soll, und mit die­sem Bild vor Augen dann pro­biert, das Gan­ze umzusetzen.

MZEE​.com: Wie lan­ge hat die­ser Pro­zess unge­fähr angedauert?

Mau­li: Der ers­te Beat war am 6. Dezem­ber fer­tig und Mas­ter­ab­ga­be hat­ten wir, glau­be ich, am 12. April … also vier Mona­te. Ich bin nicht so der Freund von "Parts am Stück schrei­ben". Ich lauf' rum, schreib' was auf und irgend­wann sitz' ich dann mit Mor­ten da, wir machen einen Beat und ich puz­zle das irgend­wie so zusam­men, wie es Sinn ergibt. Aber ich geh' jetzt nicht ins Stu­dio und schreib' dann einen Text. Das kann ich nicht.

MZEE​.com: Das Album muss­te mehr­fach ver­scho­ben wer­den – letzt­lich habt ihr die Plat­te kom­plett in Eigen­re­gie ver­öf­fent­licht. Was war der ursprüng­li­che Plan und war­um ist es dann so gelaufen?

Mau­li: Der ursprüng­li­che Plan war, das Album über Groo­ve Attack raus­zu­brin­gen. Der ur-​ursprüngliche Plan war aber auch, es sel­ber raus­zu­brin­gen, weil wir das bei der EP auch schon gemacht hat­ten. (lacht) Da haben wir auch eine klei­ne Auf­la­ge gepresst und selbst ver­kauft. Das war rela­tiv unkom­pli­ziert und hat fast zu leicht gewirkt. Wir dach­ten uns: "Wenn es so ein­fach ist, Musik raus­zu­brin­gen, ist jetzt wohl der nächst grö­ße­re Schritt dran." Das war irgend­wie logisch und es kam auch von allen Sei­ten die Bestä­ti­gung dafür. Aber dadurch, dass Groo­ve Attack alle mög­li­chen Artists raus­bringt, hat man als New­co­mer kei­ne Prio­ri­tät und das muss­ten wir schlei­chend mer­ken. Die sagen einem nicht: "Wir arbei­ten beim nächs­ten Pro­jekt zusam­men", son­dern: "Viel­leicht kommt das Album doch ein biss­chen spä­ter, dann haben wir noch etwas Vor­lauf und kön­nen mehr für die Chart­po­si­ti­on erwir­ken". Und du denkst dir: "Wenn's sich lohnt, okay". Dann ist der nächs­te Ter­min aber auch ganz schön knapp gewor­den und die Wochen sind wie­der ins Land gegan­gen. Dann hieß es: "Wol­len wir nicht noch ein biss­chen Vor­lauf haben und das gan­ze Ende August raus­brin­gen … ?" Und als sie es Ende August noch mal ver­schie­ben woll­ten, haben wir gesagt: "Ganz ehr­lich, schickt uns die CDs zu, was ist eigent­lich euer scheiß Pro­blem?!" Bis wir die dann hat­ten, sind auch wie­der Wochen ver­gan­gen. Ich weiß nicht … Die­se Ver­trieb­satz­en schei­nen von Mon­tag bis Don­ners­tag die Eier zu schau­keln und am Frei­tag schrei­ben sie dann: "Ist ja auch schon wie­der fast Wochen­en­de, wir quat­schen mal nächs­ten Mon­tag". Das Album ist im Prin­zip an dem Tag raus­ge­kom­men, an dem wir die CDs hat­ten. Irgend­wann ging es nur noch dar­um, das Album raus­zu­brin­gen, weil es, wie gesagt, schon im April fer­tig war und ich kei­nen Grund gese­hen habe, das noch wei­ter rum­lie­gen zu las­sen. Ich hör' das selbst jeden zwei­ten Tag und wenn man irgend­wann die tau­sends­te Wie­der­ga­be hat, denkt man sich auch: "War­um ist das nicht längst drau­ßen und war­um kennt das noch kei­ner?" In ers­ter Linie war die­ser Ver­schie­bungs­pro­zess ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem zwi­schen dem Ver­trieb und uns, aber im End­ef­fekt ist es sowie­so am bes­ten, wenn man's selbst raus­bringt, weil wir durch die­ses gan­ze Ver­schie­ben selbst gemerkt haben, wie viel man an allen Ecken abgibt, wenn man im Media Markt steht und eine Woche lang Top 20 ist. Die­ses Kon­zept von der Musik­in­dus­trie macht für mich kei­nen Sinn. Dass wir in einer Zeit, in der jeder zwei­te Typ char­tet, auf Charts pro­du­zie­ren. Da hab' ich nicht so den Anreiz gese­hen, sovie­le Pro­zen­te abzu­ge­ben, nur um pos­ten zu kön­nen, dass man Top 20 gegan­gen ist. Das macht sich bestimmt an man­chen Stel­len ganz gut, wenn man so eine Chart­po­si­ti­on vor­zu­wei­sen hat, aber wenn's dar­an schei­tert, soll es eben dar­an scheitern.

MZEE​.com: Bist du jemand, der sehr unge­dul­dig dar­auf war­tet, Leu­ten neue Musik von sich prä­sen­tie­ren zu können?

Mau­li: Anfangs war ich das auf jeden Fall. Da hat­te ich die­se Ein­stel­lung: "Wie­so kennt das noch kei­ner?! Das müs­sen alle ken­nen, das ist viel zu krass!" Aber irgend­wann sitzt man dann so lan­ge rum, dass man sich schon gar nicht mehr dar­auf freu­en kann, dass es raus­kommt, weil's einem selbst fast auf die Ner­ven geht. (lacht) Dann denkt man sich, man könn­te schon wie­der was Neu­es machen oder noch mal was ver­än­dern – nur ist das Mas­ter dann schon abge­ge­ben. Des­we­gen hab' ich mir für die Zukunft auch vor­ge­nom­men, Sachen dann raus­zu­brin­gen, wenn sie fer­tig sind.

MZEE​.com: Ihr habt bei "Spiel­ver­der­ber" auch den kom­plet­ten Ver­sand­han­del allei­ne abgewickelt? 

Mau­li: Ja. Wir hat­ten erst die Illu­si­on, dass Boxen fer­tig gepackt sind, wenn wir sie bestel­len. (lacht) Es kam alles ein­zeln an und wir durf­ten erst ein­mal alle Boxen packen. Bei einer Post­sta­ti­on im Super­markt und einem klei­nen Sola­ri­um, das Hermes-​Päckchen annimmt, haben wir dann die CDs und Boxen abge­ge­ben. Die haben auch ganz schön gestaunt, als wir da mit Autos vol­ler Pake­te anka­men. (lacht) Aber irgend­wer muss es ja machen – und dann haben wir's halt sel­ber gemacht, bevor wir 20 Pro­zent an einen Ver­trieb abge­ben, damit er Pake­te packt. Es gibt auch schlim­me­re Sachen als Zeu­ge sei­ner eige­nen Arbeit zu sein und zu sehen, wie vie­le Leu­te die CD bestellt haben. Das hat sich zwar aus der Not her­aus erge­ben, aber als bes­tes Sys­tem für die Zukunft erwie­sen und wir wer­den an die­sen Struk­tu­ren festhalten.

mauli02

MZEE​.com: Wenn du die aktu­el­le Plat­te mit "Trap braucht kein Abitur" ver­gleichst – was ist der größ­te Unterschied?

Mau­li: (über­legt) Ich wür­de sagen, dass sich mein Leben bei der EP noch nicht so sehr auf Musik aus­ge­rich­tet hat. Ich war schon vie­le Wochen im Stu­dio, aber beim Album war das kein Spaß mehr – da war ich jeden Tag dort und hab' da teil­wei­se geschla­fen. (lacht) Wenn ich allei­ne war, hab' ich noch irgend­wel­che Klei­nig­kei­ten ein­ge­baut oder am Beat gefeilt, Effek­te aus­pro­biert und sowas. Das war ein fort­lau­fen­der Pro­zess. Es gab weni­ger Pau­sen in der Pro­duk­ti­on und das macht sich, glau­be ich, bemerk­bar: Je mehr Arbeit man in ein Pro­jekt steckt, des­to mehr Klei­nig­kei­ten gibt es zu entdecken.

MZEE​.com: Wo wür­dest du dich aktu­ell sound­tech­nisch ein­ord­nen? Im Trap- oder eher im Cloudrap-Bereich?

Mau­li: (lacht) Hät­te ich das Wort "Trap" damals nicht in den EP-​Titel gepackt, hät­te die­se gan­ze Generationen-​Diskussion ver­mut­lich mit ande­ren als mit mir statt­ge­fun­den und sich rein auf die Money Boy-​Ecke beschränkt. Das hab' ich aber rela­tiv bewusst gemacht, um mich auf die Map zu set­zen, wenn die­ses Wort ver­wen­det wird … gute Fra­ge. Ich hab' mir dar­über kei­ne Gedan­ken gemacht. Es kann bestimmt Clou­drap sein, aber ich bin kein Freund von die­sen Schub­la­den­be­grif­fen und des­we­gen hab' ich mich damit nie wirk­lich befasst. Ich hab' nie "Trap­mu­sik" oder "Clou­drap" gegoo­glet und geguckt, was da so kommt. Ich wür­de mich auf jeden Fall nicht in die Yung Lean-​Ecke stel­len. Aber das ist ja auch egal. Ich fin­de, ich bin rela­tiv main­strea­mig – bezie­hungs­wei­se ist das der Main­stream, von dem ich mir vor­stel­le, wie er sein soll­te. Wenn Leu­te sagen, dass das kein Rap oder Trap oder New School oder Clou­drap ist – dann ist das auch okay. Da kann ich sehr gut mit leben.

MZEE​.com: Am Anfang dei­ner Video-​Single "Mau­li Pt. 2" hast du ein Zitat von Oscar Wil­de ein­ge­blen­det: "Das Leben ist nicht gerecht und für die meis­ten von uns ist das gut so". Inwie­fern denkst du, dass die­ses Zitat auf dich zutrifft?

Mau­li: (lacht) Ich fin­de, dass die­ses Prin­zip von grund­lo­sem Rum­pö­beln dar­in zu erken­nen ist. Ich belei­di­ge jetzt aber nie­man­den, weil ich mich an ihm hoch­zie­hen will, son­dern glau­be, dass die­je­ni­gen, die das betrifft, ein­fach Hil­fe nötig haben oder zurecht­ge­wie­sen wer­den soll­ten. Die­ses Zitat ist ein­fach die Wahr­heit, weil sich Leu­te total schnell mit Sachen zufrie­den geben oder von der Bestä­ti­gung ande­rer abhän­gig machen und nicht von der eige­nen. Viel­leicht sind man­che Leu­te auch sehr schnell zufrie­den. Aber dann darf man sich auch nicht ange­grif­fen füh­len. Das ist zumin­dest mei­ne Inter­pre­ta­ti­on davon.

MZEE​.com: Bist du tat­säch­lich so bele­sen, wie du damit zei­gen möch­test, oder hast du das Zitat gegooglet?

Mau­li: Ich weiß nicht, wo ich das gele­sen habe, aber es war auf jeden Fall schon als Zitat gekenn­zeich­net. Es ist jetzt nicht so, dass ich mir die Oscar Wilde-​Biografie durch­ge­le­sen habe. (lacht) Ich bin rela­tiv unge­dul­dig, was das Lesen angeht. Ich ver­fal­le total schnell ins Über­flie­gen, weil es mir nicht schnell genug geht, wie die Wör­ter in mei­nen Kopf kom­men. Ich hör' mir eher Hör­bü­cher an. Ich bin jetzt nicht so der Literatur-​Typ, weil ich dafür viel zu viel ADHS hab' und nicht die Ruhe fin­de, mir ein Buch durch­zu­le­sen. Aber viel­leicht spä­ter, wenn ich erwach­sen bin … und groß. (lacht)

MZEE​.com: Ist das ein Ziel?

Mau­li: Für mich per­sön­lich ist es ein Bedürf­nis, mich mit Wis­sen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Auch wenn man nicht alles für bare Mün­ze neh­men muss, was erzählt wird – man kann sich sein eige­nes Bild zusam­men­stel­len und je mehr Input man hat, umso kla­rer wird das Bild, das man von sich selbst und der Welt bekommt. Des­we­gen habe ich auf jeden Fall gro­ßes Inter­es­se dar­an, mich mit Lite­ra­tur aus­ein­an­der­zu­set­zen, bin aber eben auch viel zu unge­dul­dig, um zu lesen.

MZEE​.com: Gera­de jeman­dem, der aus der Online-​Battle-​Rapszene stammt, dürf­ten bös­ar­ti­ge YouTube-​Kommentare nicht fremd sein. Was sind denn die drei ner­vigs­ten, die du immer wie­der lesen musst?

Mau­li: Boah, das ist geil! Darf ich kurz ein paar raussuchen?

MZEE​.com: Du darfst sie an die­ser Stel­le auch ger­ne beantworten.

Mau­li: Geil! (lacht) War­te … (sucht nach Kom­men­ta­ren) Okay, der Klas­si­ker ist natür­lich die Dis­kus­si­on, ob das jetzt Trap oder Cloud ist. Die geht mir rich­tig auf den Zün­der und die ist auch wirk­lich immer dabei. Dis­kus­sio­nen unter Vide­os sind sowie­so herr­lich, wenn sich Leu­te gegen­sei­tig in den Kom­men­ta­ren totar­gu­men­tie­ren und es gar kei­nen inter­es­siert, wer gewinnt. Es gewinnt der, der am Ende auf­hört zu schrei­ben. (lacht) Dann ist natür­lich der geils­te Kom­men­tar immer, dass ich total zu Unrecht gegen GeOT geflo­gen bin. Wie kann man zwei Jah­re spä­ter immer noch dar­über reden?! Ich glau­be, das ist auch immer der Glei­che, der das schreibt und der dar­aus irgend­wann mal einen Run­ning Gag gemacht hat. (lacht) Und dann natür­lich die Leu­te, die immer inspi­zie­ren, woher man jetzt wel­che Ein­flüs­se hat und wen man alles nachmacht.

MZEE​.com: Ist dir schon vor­ge­wor­fen wor­den, dass du jeman­den kopierst, der wirk­lich über­haupt nichts mit dir zu tun hat?

Mau­li: Shin­dy hab' ich ein, zwei Mal gele­sen, aber das ist schon eine Wei­le her. Das war zu "Trap brauch kein Abitur"-Zeiten, da hab' ich mir auf jeden Fall gedacht: Was hat Shin­dy erfun­den, was ich jetzt nach­ma­che? (liest wei­ter) "Ist das jetzt eigent­lich Clou­drap oder Trap?" Die bes­ten Leu­te! (lacht) A$AP Rocky … der inter­es­siert mich jetzt auch nicht so krass, ehr­lich gesagt. Von dem höre ich mir Sachen an, aber zie­he mir nichts von raus. Oh, noch mal zur Fra­ge mit den schlimms­ten Kom­men­ta­ren. Der schlimms­te ist, wenn Leu­te schrei­ben: "Spielt es mal in 1,25-facher Geschwin­dig­keit ab, dann ist das rich­tig geil". Das sind Leu­te, die nichts ver­stan­den haben! Umso lang­sa­mer es wird, umso gei­ler ist es. Es kann gar nicht lang­sam genug sein. Leu­te, die schrei­ben, dass man sich das mal schnel­ler geben soll­te, sind eigent­lich noch schlim­mer als die, die nur plump belei­di­gen wol­len. Das ist die eigent­li­che Belei­di­gung: "Spiel es mal schnel­ler ab als es gemeint ist".

MZEE​.com: Zum Abschluss wür­den wir ger­ne noch etwas über dein Ver­hält­nis zu MC Rene wissen.

Mau­li: Wir hat­ten neu­lich einen Auf­tritt in Ham­burg und eigent­lich ver­ab­re­det, dass er zu uns kommt und ein biss­chen pre­acht. Aber er ist dann nicht ans Han­dy gegan­gen. Wahr­schein­lich war er zu müde oder zu alt, ich weiß es nicht. (lacht) Nein Quatsch, er war wohl zu müde. Aber wir schrei­ben ab und zu und lachen. Ich bin durch­aus gut auf ihn zu spre­chen und er, glau­be ich, auch auf mich – und dar­auf kommt's an. Ich hab' ihm gegen­über gute Gefühle.

MZEE​.com: Die letz­ten Wor­te gehö­ren dir – wenn du unse­ren Lesern noch etwas mit­tei­len möch­test, hast du jetzt die Gele­gen­heit dazu.

Mau­li: Lasst Euch nichts erzäh­len – das ist wahr­schein­lich das Wich­tigs­te. Wenn etwas für Euch kei­nen Sinn ergibt, macht es kei­nen Sinn.

(Flo­rence Bader & Pas­cal Ambros)
(Fotos von Rob Vegas)