"Ich bin in diesen Songs gestorben und wieder auferstanden", lässt Montez im Booklet seines zweiten Soloalbums "Für immer und eh weg" verlauten. Und tatsächlich hat der Bielefelder seit dem Release seiner Debüt-LP "Karneval" vor rund vier Jahren eine wahre Odyssee mit einer Menge Hochs und Tiefs hinter sich gebracht. Zu guter Letzt haben die Hochs dann aber doch überwogen und brachten neben neuer Inspiration zur Vollendung des persönlichen Mammutwerks auch einen Labeldeal bei Vegas neuer Plattform "Über die Grenze" mit sich. Seit vergangenem Freitag, den 13., steht "Für immer und eh weg" nach vier Jahren Arbeitszeit nun also in den Läden – und wir hatten dazu noch ein paar offene Fragen. In unserem Interview sprachen wir mit Montez über seine jüngste Vergangenheit, die Entstehungsphase seines aktuellen Releases, wie es zum Deal bei "Über die Grenze" kam und sein Dasein als Synästhetiker.
MZEE.com: Du hast ganze vier Jahre lang mit einem Produzententeam an deinem Album "Für immer und eh weg" gearbeitet. Warum hat sich der Schaffensprozess so gezogen?
Montez: Weil ich mir von Anfang an einen extrem großen Druck gemacht hab' und nicht genau wusste, was für eine Art von Musik ich machen will. Es hat einfach seine Zeit gebraucht, bis ich mit meinen beiden Produzenten den Sound gefunden hatte, den wir machen wollten – gerade, weil ich auch privat sehr viele Singer-Songwriter-Sachen höre und gar nicht mehr so viel Rap. Das wollte ich irgendwie verbinden, aber wir wussten nie so ganz, wie das am Ende klingen soll. Ich wollte auch etwas Gesang drin haben – ich singe schon, seit ich angefangen habe, Musik zu machen. Ich glaube, ich hab' sogar schon mit 14 die Hook auf meinem allerersten Song gesungen. Auch, wenn das mega schrecklich klang. (lacht) Auf diesem Album wollte ich noch ein bisschen mehr singen und das alles musikalisch miteinander verbinden.
MZEE.com: In meinen Augen hast du ein Rap-Album mit etwas Gesang gemacht.
Montez: Es ist schon Rap – aber quasi mit den Instrumenten von 'nem Singer-Songwriter. Mein ganzes Album ist ja voller Gitarren.
MZEE.com: Wirst du denn künftig noch mehr in die Singer-Songwriter-Richtung gehen?
Montez: Ich möchte natürlich nach wie vor rappen und nicht nur Singer-Songwriter-Sachen machen. Aber zum Beispiel der Song "Urlaub bei dir": Der besteht komplett aus Gesang und gar nicht aus Rap. Wenn ab und zu mal so ein Song entsteht, finde ich das nicht verkehrt. Aber ich möchte jetzt auch nicht der nächste Singer-Songwriter werden, sondern schon Rapper bleiben – nur mit ein paar musikalischen Gitarreneinflüssen.
MZEE.com: In Bezug auf die lange Schaffensphase des Albums: Wann entstanden die ältesten Tracks, die auf der Platte zu hören sind?
Montez: Es sind auf jeden Fall drei, vier Songs dabei, die extrem alt sind – so von 2012. Aber der Großteil ist rund ein Jahr alt. Dazwischen gab es eine riesige Lücke, in der nichts passiert ist. Man hört den älteren Songs auch an, dass sie anders sind als die neuen. "Für immer und eh weg" und der Track mit Njungederalynes sind zum Beispiel etwas älter und kapseln sich vom Rest ab – ich finde sie aber trotzdem so geil, dass sie drauf sein müssen.
MZEE.com: Während der Entstehung deines Albums hast du vor ein paar Jahren eine EP mit KaynBock releast. Warum hast du dich nicht voll und ganz auf dein Album konzentriert?
Montez: Kai und ich kamen an irgendeinem Punkt nicht mehr mit unseren Alben weiter und dachten uns: "Hey, dann lass uns einfach 'ne EP zwischendurch machen". Ich war eh noch komplett am Anfang und wusste gar nicht, was ich machen will.
MZEE.com: Hat dir die Zusammenarbeit geholfen, um an deinem Album weiterzukommen?
Montez: Ich hab' auf der EP sehr viele Hooks und Bridges gesungen. Da könnte man sagen, dass das dem Album ähnlich ist – aber vom Sound her ist "Für immer und eh weg" eine Ecke anders. Die EP hat von den Instrumentals her nicht mehr viel mit meinem Album zu tun. Das war eher eine Art Lückenfüller, damit ich nicht vier Jahre lang komplett weg bin.
MZEE.com: Vor nicht allzu langer Zeit wurdest du ja bei Vegas neuem Label "Über die Grenze" gesignt. Was ist die Geschichte dahinter?
Montez: Vega kenn' ich schon seit einigen Jahren. Als ich 16 war, wollte mich Hadi El-Dor unter Vertrag nehmen – da hatte ich gerade den Hiphop.de-Contest gewonnen und daher kannte ich auch Vega. Ich habe mich damals aber dagegen entschieden. Als ich dann Anfang diesen Jahres erfahren habe, dass Vega ein zweites Label aufmacht, dachte ich mir, dass ich das einfach probiere und ihn frage, ob er Bock hat, sich meine Sachen reinzuziehen. Ich hab' ihn dann auf seiner Tour besucht, ein bisschen mit ihm gequatscht und er meinte, er kann es sich eine Zusammenarbeit auf jeden Fall vorstellen und ich soll ihm mal was von mir schicken. Das hab' ich ein paar Tage später auch gemacht. Er war sehr davon geflasht und wollte mich direkt unter Vertrag nehmen. Das ging relativ schnell – wir haben uns noch mal in Frankfurt getroffen, alles besprochen und dann wurde ich gesignt.
MZEE.com: Wann war das ungefähr? Gab dir das noch einmal einen Motivationsschub, das Album fertigzustellen?
Montez: Das Album war, als ich ihn gefragt habe, schon zu 90 Prozent fertig. Letztendlich hab' ich im Juni unterschrieben und im August haben wir die Platte dann komplett fertiggestellt. Der erste Kontakt zu dem Thema war im März dieses Jahres – da war schon sehr viel fertig, bis auf ein paar Featureparts … unter anderem auch seiner. (lacht) Motiviert hat mich das eher in dem Sinne, dass ich mir gedacht hab': "Okay, das kann jetzt wirklich was werden, wenn ich Vega und ein richtiges Label um mich herum hab'." Das motiviert mich auch für die Zukunft – ich hab' deswegen schon direkt Bock, das nächste Album zu machen, was beim letzten Mal nicht so war.
MZEE.com: Dein Album ist das erste, das über besagtes Label releast wird. Hast du das Gefühl, dadurch unter Druck zu stehen oder eine besondere Art von Verantwortung zu tragen?
Montez: Druck hab' ich eh schon genug, weil ich übertrieben lange dran gearbeitet habe und mir denke: Wenn das jetzt nicht funktioniert … Wofür hab' ich dann die letzten Jahre meinen Kopf gefickt? (lacht) Aber natürlich find' ich es auch übertrieben geil, dass ich der Erste bin, weil ich sehr stolz auf mein Album bin und es genauso geworden ist, wie ich das wollte. Deshalb geh' ich auch mit stolzgeschwellter Brust da raus, um es zu präsentieren. Weil ich denke, dass es viele cool finden könnten. Noch länger hätte ich auch echt keinen Bock gehabt, zu warten. (lacht)
MZEE.com: Kommen wir mal konkreter auf dein Album zu sprechen. Du hast das Ganze durchwegs mit einem Produzenteam erarbeitet. Warum ist deine Wahl genau auf diese beiden Produzenten gefallen?
Montez: Lustigerweise hat sich das Produzententeam erst während des Albumprozesses gebildet – die gab's vorher gar nicht. Ein Teil davon war AWE – der hat auch fast alles auf der "Perfektes Wetter"-EP produziert. Der hat mich irgendwann Amadeus Sektas vorgestellt, dem auch das Studio gehört, in dem wir aufgenommen haben. Er hat auch die ganzen Gitarren auf dem Album eingespielt. Die beiden haben sich während der Arbeiten zu einem Duo zusammengeschlossen – und zusammen haben wir diesen Sound entwickelt. Ich wusste, dass das mit AWE sehr viel Spaß macht und Amadeus hab' ich dann logischerweise ja auch kennengelernt – er spielt übertrieben krass Gitarre. Als ich gemerkt habe, dass es menschlich zwischen uns passt und die ersten Songs fertig waren, hat es Sinn gemacht, mit den beiden weiterzumachen. Ich glaube, wenn ich sie nicht kennengelernt hätte, hätte ich wie jeder andere ein Beatpaket mit 20 Beats bekommen, davon welche gepickt und irgendwelche Songs darauf gemacht. Aber ich bin extrem froh, dass das nicht der Fall war. So hat sich jeder Track für sich im Studio entwickelt. Wir haben einfach Musik zusammen gemacht, alle Instrumente selber eingespielt und Melodien erschaffen. Ich wusste vorher auch noch nicht, wie das klingen soll. Ich wusste nur, was ich mag und cool finde und als Amadeus dazustieß, hab' ich erkannt: Okay, der kann das sogar umsetzen … Es war ein langer Weg, bis wir wussten, wie wir das alles machen, aber ich bin jetzt sehr froh, dass es so geworden ist.
MZEE.com: Hat man als Rapper manchmal ein wenig Angst, wenn man sich sehr auf Produzenten verlässt und sie die eigenen Visionen nicht exakt umsetzen können?
Montez: Man muss halt offen dafür sein. Es ist jetzt nicht so, dass beide immer meiner Meinung waren oder ich ihrer. Aber man muss auch Kompromisse eingehen und ich glaube, mit mir ist es extrem schwer, zu arbeiten. Sie haben auf jeden Fall Nerven bewiesen. (lacht) Vor allem bei dem Song "Urlaub bei dir". Da haben wir solange dran gesessen, bis ich damit zufrieden war – einfach, weil ich wieder mal meinen Dickkopf und meine Vision hatte. Die fanden den Track schon in der fünften Version richtig geil, aber ich war eher so: "Versuch mal noch das und mach mal noch das, das entspricht noch nicht dem Gefühl, das ich habe …" Man muss, wie gesagt, auch Kompromisse finden. Sonst kann man nicht zusammenarbeiten. Es ist also nicht so, dass ich im Studio bin und sage: "Amadeus, spiel die Gitarre jetzt mal so und so, du Roboter. AWE, mach mal diese Drums, du Roboter". (lacht) Die Produzenten sind keine Maschinen, sondern Menschen, die diese Musik genauso fühlen. Und wenn man als Team ein Album machen will, muss man natürlich aufeinander zugehen.
MZEE.com: Hatte jeder von euch das gleiche Mitspracherecht oder hattest du quasi auch eine Art "Vetorecht"?
Montez: Ich hab' die Richtung natürlich schon vorgegeben beziehungsweise auch mal einen Song auf 'nen Beat gemacht, den die beiden zu Hause produziert hatten, weil ich den cool fand. Aber sonst hat sich fast jeder Song einfach im Studio entwickelt. Ich hab' zu Hause meine Texte geschrieben, bin damit ins Studio gefahren und dann haben wir zusammen den Beat dazu gebaut und versucht, eine Gesangshook zu kreieren. Ich hab' natürlich gesagt, in welche Richtung ich den Beat haben will und welche Stimmung er haben soll, aber die beiden haben einen Großteil dazu beigetragen, ganz klar.
MZEE.com: "Für immer und eh weg" hat soundtechnisch wie textlich einen sehr persönlichen, nachdenklichen und stellenweise melancholischen Touch. Woran liegt das?
Montez: Seit ich rappe, mach' ich diese ehrliche und persönliche Musik. Und es gab für mich bisher noch keinen Grund, das zu ändern – einfach, weil es mir gut tut und Spaß macht … Okay, Spaß wahrscheinlich nicht, aber ich hab' ein gutes Gefühl dabei. (lacht) Und ein noch besseres Gefühl hab' ich dann, wenn ich das von den Leuten bestätigt bekomme. Wenn ich merke, dass sie wirklich verstehen, was ich da mache. Nach dem Video zu "Karussell" haben mir zum Beispiel so viele Leute geschrieben, dass sie mich komplett verstehen und Ähnliches erlebt haben … "Ich hoffe, dir geht es inzwischen besser. Dank dir dreht sich mein Karussell jetzt nicht mehr so schnell" … Das ist das Geilste, was es gibt … Ich muss immer ein bestimmtes Gefühl bei Musik haben – egal, ob bei meiner oder bei der Musik, die ich höre. Und das war noch nie fröhlich. Ich hab' noch nie Musik gehört, um gute Laune zu haben. Wenn ich gute Laune haben will, guck' ich mir lustige Videos an. Wenn ich Musik höre, möchte ich etwas fühlen. Natürlich hab' ich zwei, drei Songs in meinem Leben gemacht, die lustig sind – aber dann auch wirklich nur, weil ich das in dem Moment witzig fand und nicht, weil ich's gefühlt habe. Deswegen sind 98 Prozent meiner Musik sehr ehrlich und emotional, vielleicht auch melancholisch und melodiös. So soll das aber auch weiterhin sein.
MZEE.com: Apropos "Gefühl": Wenn du privat selbst Musik konsumierst, achtest du dann darauf, nur das zu hören, was zu deiner momentanen Situation passt? Oder hörst du auch bewusst Musik, um ein bestimmtes Gefühl zu bekommen?
Montez: Ich höre privat viele Singer-Songwriter-Sachen. Im Moment zum Beispiel "Let it go" von James Bay. Das ist inzwischen leider ein Radio-Song, obwohl ich den schon seit fünf Monaten höre – jetzt kann man ihn natürlich nicht mehr hören. (lacht) Aber das ist für mich der Song des Jahres, deswegen kann ich das an dem gut festmachen. Den hör' ich auch, wenn ich gerade nicht traurig bin, obwohl er so – Vorsicht, kitschig – herzzerreißend ist. (lacht) Das, was er sagt, entspricht nicht meinem Leben. Aber ich kann ihn an sich so heftig fühlen – und das ist das, was ich bei Musik brauche. Ist dann aber nicht so, dass ich voll traurig werde – ich fühl' mich dabei eher voll geil, weil ich ihm das so krass abnehme. Aber natürlich gibt’s zum Beispiel auch die Situation, wenn man sich von seiner Freundin trennt – hat ja auch jeder schon mal gehabt. Und wenn man dann Philipp Poisel oder so 'nen Scheiß hört … ist schon klar. (lacht) Ich kann jedenfalls grundsätzlich traurige Musik hören, ohne traurig zu werden.
MZEE.com: Gerade, weil dein Album so persönlich geworden ist, wird das vermutlich nicht jeder thematisch nachvollziehen können. Kannst du das verstehen?
Montez: Ja … kann ich … will ich aber nicht akzeptieren. (lacht) Mir ist das bewusst und viele Freunde von mir haben während des Albumprozesses gesagt: "Wir fühlen dich komplett und wissen, warum du solche Songs machst. Für uns ist das die heftigste Musik – auch, weil wir dich privat kennen und wissen, wie so ein Song bei dir im Kopf entsteht, nachdem du alles davon erlebt hast. Aber das wird nicht massentauglich sein oder im Radio laufen können. Das ist einfach zu traurig dafür." Die Leute wollen keine Musik hören, die traurig ist. Man muss dazusagen, dass ich auch zwei, drei Songs auf dem Album habe, die positiver sind, aber der Großteil könnte nicht im Radio laufen, weil die Leute sich nicht schlecht fühlen wollen …
MZEE.com: Machst du dir ernsthafte Sorgen darüber, dass du inhaltlich gesehen nicht jeden mit deinem Album erreichen kannst oder nervt dich das eher?
Montez: Es nervt mich natürlich in dem Sinne, dass ich finde, dass die falsche Musik zu erfolgreich ist. Aber das war ja schon immer so. Ich kann natürlich verstehen, dass nicht jeder auf die Musik abfährt, die ich mache. Wenn du das hörst, hast du halt keinen Bock mehr auf dein Leben. (lacht) Mir ist, wie gesagt, schon bewusst, dass es ein harter Brocken ist, das zu hören. Das ist kein "Easy", bei dem man nicht viel nachdenken muss, das links direkt rein- und zwei Minuten später rechts wieder rausgeht. Mein Album geht rechts rein, bleibt vielleicht ein paar Monate oder sogar Jahre drin und geht vielleicht nie wieder links raus. Gerade, weil da auch Sachen drauf sind, die man nicht vergessen kann und über die man die ganze Zeit nachdenkt. Das ist fast schon wie ein Hörbuch, das man sich reinzieht und bei dem man sich denkt: "Krass, was passiert als Nächstes?!" Radio-Songs sind eher belangloser Quatsch. Die haben 'nen coolen Rhythmus, man hört sie gerne … Aber sie geben einem nichts.
MZEE.com: Gibt es bestimmte Ziele, die du dir mit deinem Album gesetzt hast?
Montez: Als ich vor drei Jahren damit angefangen habe, dachte ich wirklich: Okay, krass, da kann jetzt was gehen! Leider habe ich mir so viel Zeit gelassen, dass es jetzt extrem viele Leute gibt, die auf ihren Songs singen oder Ähnliches machen wie ich. Was ich bringe, ist nichts Neues mehr – auch, wenn ich damit vor vier Jahren angefangen habe, wo noch nicht jeder seine Hooks gesungen hat. Mittlerweile singt ja wirklich fast jeder Rapper seine Hooks, deshalb ist das nichts Besonderes mehr – ich hab' nur am Längsten gebraucht, alles fertigzustellen. Deswegen sind meine Erwartungen inzwischen reduzierter als am Anfang. Aber ich glaube trotzdem, dass ich nach wie vor ein extrem geiles Album abgeliefert habe, das jetzt als Grundstein für alle weiteren dient. Dass ich jetzt ein gesundes Wachstum habe und vielleicht in eineinhalb Jahren schon das nächste bringe und nicht wieder vier Jahre brauche. Ich bin ja auch noch sehr jung – wenn ich mein drittes Album bringe, bin ich so alt, wie die ganzen anderen Rapper jetzt sind … oder noch ein bisschen jünger. (lacht) Darum seh' ich das im Moment relativ chillig. Ich würde mich natürlich freuen, wenn's direkt viele Leute interessiert und Anklang findet – einfach, weil ich finde, dass es das verdient hat und wir wirklich extrem viel Arbeit reingesteckt haben.
MZEE.com: Das Zitat deines Tracks "Nichts gesehen": "Und sollten sie mich später einmal fragen, was ich tat, in der Blüte meines Lebens, werde ich sagen: 'Was ich tat, war versuchen, zu überleben.'" – es gibt einem das Gefühl, dass du schon sehr viel in deinem Leben ertragen musstest, was anderen vielleicht nie passiert. Siehst du das genauso?
Montez: Das ist auf jeden Fall alles in meinem Leben passiert. Dass es sehr viele Leute gibt, denen das nicht passiert ist, kann und will ich nicht behaupten. Es gibt genug Sachen, die im Leben scheiße laufen – und das ist in jedem Leben so. Ich schreibe das nur auf. Es gibt ja auch genug Leute, die das nicht tun. Und dafür ist dann meine Musik da. Damit sich solche Leute da hineinversetzen können.
MZEE.com: In deinem Booklet sagst du außerdem: "Ich bin in diesen Songs gestorben und wieder auferstanden". Was genau meinst Du damit?
Montez: Während des Albumprozesses ist dieser Satz in meinem Kopf entstanden und ich fand ihn sehr passend, weil ich in diesem Album wirklich komplett zerbrochen und kaputtgegangen bin. Weil ich die ganze Zeit vor einer Wand stand und nicht wusste, welche Musik ich machen will, ein Jahr lang 'ne Schreibblockade hatte und nichts mehr mit meinem Leben anzufangen wusste. Das war alles richtig eklig. Ich war so weit, dass ich aufgeben wollte, was Musik angeht. Es gab Monate, da hatte ich in meinem Kopf komplett damit abgeschlossen, jemals wieder Musik zu machen, das Album rauszubringen und solche Sachen. Als dann irgendwann wieder Hoffnung da war, bin ich sozusagen wieder auferstanden und hab' es geschafft, das Album fertigzumachen und jetzt rauszubringen.
MZEE.com: Gab es eine Phase, in der du gar keine Musik gemacht hast?
Montez: Ja. Mitte 2013 bis Mitte 2014 hab' ich fast gar nichts gemacht. Kein einziges Wort geschrieben.
MZEE.com: Hast du zu dem Zeitpunkt überlegt, dann doch mal eine Ausbildung zu machen?
Montez: Nein. Ich hatte zu der Zeit keinen Job und kein Geld. Ich war komplett am Ende und wusste zu dem Zeitpunkt beim besten Willen auch nicht, wie's weitergehen soll. Das war so: Um 16 Uhr aufstehen, irgendwie was zu essen machen, keine Ahnung haben, was man mit seinem Tag anfangen soll – eh keine Motivation für nichts. Dann bis sechs Uhr morgens irgendwelche Serien gucken und pennen gehen.
MZEE.com: Hast du während dieser Zeit nicht darüber nachgedacht, dir mal einen Job zu suchen?
Montez: Hab' ich … am Ende dieser Zeit. (lacht) Irgendwann haben auch meine Freunde gesagt, dass das nicht mehr so weitergeht. Dann hab' ich einen Pizzalieferanten-Job angenommen – einfach, damit ich wenigstens einen scheiß Nebenjob habe. Damit hatte ich dann Gott sei Dank auch wieder einen kleinen Tagesablauf. Denn das war der große Punkt, warum ich so lange keine Musik machen konnte – ich hatte nichts erlebt. Wenn ich nichts mache – wie soll ich darüber Musik machen? Das hab' ich noch in keinem Interview erzählt: Ich saß während dieser Zeit mal in meinem Zimmer und hab' versucht, was zu schreiben. Die Zeile ging dann so: "Ich sitz' in meinem Zimmer, hab' die Jalousie schon lang' nicht mehr hochgezogen und frag' mich gerade, ob ich Jalousie überhaupt richtig geschrieben hab'". (lacht) Kannst du dir vorstellen, wie leer es in meinem Kopf war?! Wie ideenlos und verzweifelt ich war? (lacht) Aber irgendwann gab es einfach diesen Punkt, an dem ich mich dazu gezwungen habe, etwas zu schreiben und damit ins Studio zu gehen – und das waren dann tatsächlich die beiden geilsten Songs auf dem Album. "Ohrwurm" und "Vorbei". Das sind auch meine Favoriten.
MZEE.com: Wodurch wurde diese ganze Phase überhaupt ausgelöst? Du hattest kurz davor die EP mit KaynBock releast, einen Auftritt auf dem Splash!, Interviews gegeben … Wie kam es dazu, dass du auf den Gedanken gekommen bist, nie wieder Musik zu machen?
Montez: Zu der Zeit war alles perfekt. Ich hatte Juni 2011 mein letztes Album "Karneval" rausgebracht. Da hatte ich gerade diesen Contest gewonnen, nach dem ich das neue "Wunderkind Deutschraps" war. Dadurch hab' ich Savas kennengelernt, er hat mich kontaktiert, auf seine "Liga der außergewöhnlichen MCs"-Tour eingeladen und hat mich dann noch im Winter auf die "Warum rappst du"-Tour mitgenommen. Das war Ende 2012. Bis dahin war alles cool – und dann musste ein Album kommen. Ich hab' mir so heftig Druck gemacht, dass ich eine Blockade im Kopf hatte. Ab da ging einfach gar nichts mehr. Du musst dir vorstellen: Jeder Mensch in deiner Umgebung denkt auf einmal, dass du jetzt voll durch die Decke gehst und Millionär wirst. Ich hab' Leute getroffen, die mich gefragt haben: "Ey, Montez, seit wann hast du diesen fetten Mercedes und wohnst in 'ner Villa in Paderborn?" Jeder denkt, dass du ein Star wärst, weil du mit Savas tourst und auf RTL2 zu sehen bist. Und dann kriegst du von allen Seiten nur noch mit, dass die Leute sich fragen, warum du nichts rausbringst. Komplett eklig.
MZEE.com: Wie wichtig ist es dir, was die Leute aus deinem Umfeld über dich denken?
Montez: Das ist ein extrem wichtiger Punkt. Am Anfang des Albums hab' ich nur über meine Musik nachgedacht und darüber, dass andere Leute sie cool finden müssen. Es hat so lange gedauert, bis ich gecheckt habe, dass das nicht so ist und ich selbst meine Musik cool finden muss … Ob sie dann erfolgreich wird oder nicht – da musst du am Ende drauf scheißen. Du bist Musiker. Du musst das machen, was du liebst. Aber bis ich mich das getraut habe, gerade auch mit den Gitarren und dem Gesang, hat es einfach sehr lange gedauert. Und als nach dieser langen Periode der Selbstmitleids-Zerpflückung endlich "Ohrwurm" und "Vorbei" entstanden sind, hatte ich endlich wieder das Gefühl, dass das genau das ist, was ich machen will. Mir war in dem Moment scheißegal, ob das irgendjemand cool findet oder nicht. Und genau das ist der Punkt. Man muss als Künstler immer selber dahinterstehen, sonst kann das gar nicht funktionieren.
MZEE.com: Nehmen wir mal an, du müsstest dein Album jemandem vorstellen, der noch nie etwas von dir gehört hat: Welche drei Tracks des Albums sollte derjenige denn gehört haben, um den besten Eindruck zu erhalten?
Montez: Das ist extrem schwierig, weil ich das vom jeweiligen Menschen abhängig machen würde. Ob das jetzt zum Beispiel ein alter Lehrer von mir wäre oder ein Türsteher. (lacht) Aber die drei Favoriten, die meine Musik für mich am besten beschreiben, wären auf jeden Fall "Ohrwurm", "Vorbei" und "Karussell". Also logischerweise die drei Singles. Das sind auch die Songs, von denen ich denke, dass sie am besten ankommen und die ich den Leuten am liebsten zeigen würde.
MZEE.com: Sind das auch die Tracks, die dir am meisten am Herzen liegen?
Montez: Meine liebsten drei Songs auf dem Album sind eigentlich "Ohrwurm", "Vorbei" und das Outro "Ins Licht". Der ist vom Feeling her der für mich womöglich wichtigste Song, den ich je gemacht habe.
MZEE.com: Auf dem Album hast du einige Songs, wie zum Beispiel der mit RAF, die in eine etwas andere musikalische Richtung gehen. War es eine taktische Entscheidung, auch einen solchen Song mit aufs Album zu nehmen?
Montez: Ich finde, dass der Track mit RAF in keine andere musikalische Richtung geht, sondern sich gut in das Album einfügt. Aber er geht natürlich etwas mehr nach vorne. Er ist nicht so deep, das stimmt. Und er ist auch nicht so positiv, sondern ein bisschen Battlerap-lastiger. "Der Sonne so nah" hingegen ist total gechillt … Ich weiß nicht, ob ich das schon mal erzählt habe, aber ich sehe Musik in Farben. Inzwischen weiß ich, dass das nicht jeder so sieht – das hab' ich nämlich mit Cr7z zusammen rausgefunden, der hat das auch. Und den Song seh' ich zum Beispiel voll gelb. Der ist für mich total positiv und warm. "Karussell" hingegen ist blau. Der ist ganz kalt und schwierig.
MZEE.com: Welche Farbe hat "Ohrwurm"?
Montez: "Ohrwurm" ist grau-braun, mit ein bisschen grün.
MZEE.com: Das führen wir mal in einem Special mit dir aus: "Lernen Sie, Lieder in Farben zu sehen".
Montez: Das ist voll komisch. (lacht) Ich dachte immer, dass das jeder Mensch so sieht, bis ich irgendwann mal mit Cr7z darüber geredet habe. Er meinte zu mir: "Ey, Montez, ich bin Synästhetiker." Ich so: "Ja, was ist das denn?" – "Ich sehe Musik in Farbe." – "Hä?! Das sieht doch jeder. Ich sehe Musik auch in Farbe." – "Nein, das hat nicht jeder." – "Willst du mir jetzt erzählen, ich sehe etwas, was andere Leute nicht sehen?" – "Ja. Wenn du das auch kannst, bist du auch Synästhetiker." Dann hab' ich ihm damals meinen aktuellen Song "22:22 Uhr" geschickt und gesagt: "Der ist für mich grau mit ein bisschen stromgelb dazwischen". Dann sagt er: "Ja, ich seh' da auch Strom". Und ich so: "Und das sieht jetzt nicht jeder oder was?!" Und dann hat er mir erklärt, dass das Synästhesie ist. Ich hab' mich damit jetzt noch nicht so viel beschäftigt, muss ich sagen. Ich sehe eben Farben bei der Musik und wenn das ganze Album blau-grau-grün ist, müssen eben auch mal ein paar andere Farbtöne zwischen rein. Du kannst auch einem Vogelzwitschern 'ne Farbe zuordnen. Aber da musst du mal mit Cr7z drüber reden, der kennt sich da noch besser aus. Ich glaube nach wie vor, dass das nichts Besonderes ist, sondern, dass jeder Mensch so eine Art Orientierung für Farben bei Musik hat. Cr7z hat auch eine Zeile in einem Song: "Der Beat ist grün und schwarz und bei 'nem roten Satz ist der Beat für 'n Arsch".
MZEE.com: Ist es auf diese Art und Weise nicht total schwierig, Musik zu machen?
Montez: So krass ausgeprägt ist das bei mir jetzt auch nicht und ich glaube auch nicht, dass es ihn so stark beeinflusst. Er hat damit einfach eine coole Zeile gefunden. Aber Pink und Pharrell sind mit ihren Soundengineers zum Beispiel wirklich so auf einer Wellenlänge, dass sie sagen: "Ich brauch' hier lila, da gelb". Das ist aber auch nur so ein Ding, was ich gehört habe, aber die sollen wohl auch Synästhetiker sein und nur noch über Farben kommunizieren …
MZEE.com: Wir haben das nächste Thema vorhin schon einmal umrundet. Welchen Status hat die Musik aktuell in deinem Leben – ist es eine Leidenschaft oder eher eine Art Beruf?
Montez: Seit zweieinhalb Jahren ist "Musiker" sogar offiziell mein Beruf. Ob ich davon leben kann … klares "Nein". (lacht) In meiner Position verdiene ich natürlich nichts, wenn ich drei, vier Jahre lang weg bin. Aber Geld damit zu verdienen, ist das Ziel. Ich mach' auch nichts anderes. Ich hab' bis Februar dieses Jahres noch meinen Pizzalieferanten-Job gemacht, ein bisschen bei der Post gearbeitet und Pakete aufs Band geworfen … Aber natürlich liegt mein Fokus darauf, Musik zu machen. Und ich hoffe, dass ich irgendwann davon leben kann.
MZEE.com: Hast du schon einmal darüber nachgedacht, nebenbei noch ein Abendstudium oder sowas zu machen?
Montez: Voll. Ich hab' mir sogar fürs nächste Jahr vorgenommen, dass ich mein Abitur an der Abendschule nachhole. Das kann natürlich nicht schaden. Von Musik zu leben, ist ja so unendlich unrealistisch – vor allem, weil im Moment jeder Musik macht. Die ganze Zeit kommt irgendwer Neues. Und dann von der Musik zu leben, während es noch so viele andere Leute gibt, und so wenig Geld damit zu machen … Jeder weiß ja, wie viel man mit einem Album macht, an dem man drei Jahre arbeitet. (lacht) Das ist ja ein Witz. Da kann man nicht von leben. Ich glaube sogar, dass die ganz Großen nicht mal von ihren Albumverkäufen leben könnten, wenn sie nicht Touren, Merchandise und den ganzen Quatsch nebenbei hätten. Dafür musst du halt immer am Start sein und da soll's in den nächsten fünf Jahren hingehen: Dass ich regelmäßig Musik mache, meine Alben bringe und mir eine Fanbase aufbaue.
MZEE.com: Zu guter Letzt würden wir gerne noch wissen, wohin die Reise geht. Machst Du das vom Erfolg des Albums abhängig?
Montez: Als Nächstes sind erst einmal ein paar Live-Gigs geplant, weil ich in den letzten Jahren fast gar nicht aufgetreten bin. Am 19. November ist das Rap4Good-Festival von Savas – dieses Benefizkonzert, auf dem alle möglichen Rapgrößen auftreten. Das wird mein erster Auftritt seit sehr langer Zeit sein und da freu' ich mich extrem drauf, weil das bestimmt auch der größte sein wird, den ich jemals haben werde. (lacht) Dann geh' ich am 24. November mit Cr7z auf Tour und nach dieser Tour – zwei Tage später – wieder mit Savas. Bis Ende dieses Jahres ist also ganz viel Live-Action geplant. Ich hoffe natürlich, dass sich das im Sommer nächsten Jahres dann fortsetzt und ich ein paar Festivals spielen kann. Und dann ist geplant, dass ich mich das komplette Jahr 2016 ans nächste Album setze, das vielleicht auch mal in einem Jahr durchballern kann – und das hoffentlich Frühling 2017 rauskommt. Ich hoffe, dass das alles so klappt. Nebenbei versuch' ich noch ein bisschen, mein Merchandise aufzubauen. Letztens hab' ich meinen eigenen Shop für die Marke "Montourage" eröffnet. Das ist wie eine kleine Modemarke, aber in Verbindung mit mir. Wie eine Entourage, eine Crew oder Community, haben wir jetzt eben eine "Montourage". Das können meine Fans tragen, aber auch andere Leute – es ist nicht nur so plumpes Montez-Merch. Das würde ich gerne ausbauen … Man braucht auch cooles Merchandise, denn wenn das gut läuft, kann man sich auch mal zurücklehnen und muss nicht wieder Pizzalieferant werden. (lacht) Es ist perfekt, wenn man sich auf die Musik konzentrieren kann, ohne die ganze Zeit 'nen Kopffick davon zu haben, wo man jetzt Essen und Geld herbekommt.
(Florence Bader & Pascal Ambros)
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