Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Soundcheck eine Hilfestellung bieten. Producern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Wenn du nur einen deiner Beats auswählen dürftest, um jemandem deine Musik zu präsentieren, welcher Beat wäre das und warum gerade dieser?
Cap Kendricks: Das wäre wahrscheinlich immer der Beat, den ich in der Nacht davor gemacht habe. Ich bin sehr schnell wieder unzufrieden mit meinen Arbeiten. In dem Moment, in dem man etwas Neues erschafft, feiert man es einfach am meisten. Zwei Wochen später ist es ja schon wieder alt oder man hat sich weiterentwickelt und neue Skills angeeignet. Leider kann es auch mal ein paar Jahre dauern, bis ein Beat dann wirklich releast wird. Deswegen hab' ich auch immer den Anspruch, etwas Zeitloses zu erschaffen.
MZEE.com: Suchst du deine Samples lieber im Plattenladen oder im Internet?
Cap Kendricks: Das ist unterschiedlich. Vinyl ist zwar immer noch an erster Stelle und ich kaufe Musik fast ausschließlich auf Platte, aber mittlerweile bevorzuge ich für die Suche nach Samples meistens das Internet. Das liegt zum einen am finanziellen Aspekt, zum anderen aber auch an der riesigen Auswahl, die einem da geboten wird. Man findet halt einfach alles. Das Internet ist da Fluch und Segen zugleich. Du kommst an fast alles ran, aber die Preise für bestimmte Platten sind halt auch dank eBay, Discogs et cetera ins Unermessliche gestiegen. Im Großen und Ganzen finde ich das digitale Diggen auch nicht verwerflich. Die Kreativität bleibt ja die gleiche und am Ende geht es auch nur darum, wie man das Sample verarbeitet. Das Abenteuer bei der Suche geht halt ein bisschen verloren. Das kann ich verstehen. Aber erzähl mir nichts von Realness. Nichtsdestotrotz: "Support your local record dealer".
MZEE.com: Du hast bisher schon einige bereits veröffentliche Tracks anderer Künstler und Producer geremixt – welchen Remix aus der deutschen Rapszene hättest du selbst gern produziert?
Cap Kendricks: Es ist schwierig, einen Song auszuwählen. Was deutsche Rap-Sachen angeht, bin ich immer Fan, wenn Dexter einen Song remixt. Der ist in diesem Remix-Game einfach der Boss. Spontan würde ich jetzt sagen, der Dexter-Remix zu "Letzte Nacht" von Hiob und Yassin. Gerade auch, weil Hiob einer meiner absoluten Lieblingsrapper in Deutschland ist. Ansonsten hör' ich eigentlich ständig Beats, bei denen ich mir denke: "Krass, was für ein Brett!" Ich liebe einfach Beats.
MZEE.com: Es geschieht recht selten, aber ab und an rappst du selbst auch mal einen eigenen Part ein. Hast du dich sonst noch in anderen "HipHop-Disziplinen" versucht?
Cap Kendricks: Auf jeden Fall. Angefangen hat eigentlich alles mit Breakdance und Graffiti. Das war mein erster Kontakt zu HipHop. Da war ich richtig jung, so zehn oder elf Jahre alt. Das hat mich einfach total gepackt. Wir haben zu der Zeit dann die ersten Crews gegründet, haben gebreakt, rumgetaggt und uns richtig HipHop gefühlt. Aber wir waren natürlich voll die Toys. (lacht) Irgendwann später haben wir dann fast alle angefangen zu rappen und eigene Tapes aufzunehmen. Aus der Zeit kommt auf jeden Fall noch meine Leidenschaft für Rap. Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem wir auch eigene Beats haben wollten. Also haben wir unsere ersten Instrumentals mit eJay, Fruity Loops und Co. gebaut. Zum Glück kennt das heute keiner und das wird hoffentlich auch so bleiben. Ich hab' mich dann immer mehr mit dem Beatbauen beschäftigt und bin da einfach drangeblieben. Mit dem Rap-Ding habe ich ab diesem Zeitpunkt dann auch ein bisschen abgeschlossen. Ich bin da einfach etwas raus, was das Schreiben von Texten angeht. Dafür fehlen mir auch die Routine und die Zeit. Deshalb kommt das nur noch ab und an vor. Spaß hab' ich aber immer noch dran. Vielleicht mache ich ja auch irgendwann mal wieder mehr.
MZEE.com: Zum Abschluss wäre es schön, wenn du folgenden Satz für uns vervollständigen könntest: "DJ auf Live-Auftritten zu sein ist …"
Cap Kendricks: … für mich etwas ungewohnt, weil ich ja kein klassischer DJ bin. Das ist wahrscheinlich das einzige, was ich in meiner HipHop-Laufbahn ausgelassen habe. Ich sehe mich auf der Bühne eher als Produzent und Backup-Rapper. Wir nehmen halt die Songs aus dem Studio mit auf die Stage. Mit Turntableism hat das nichts zu tun. Ich hab' ja noch nicht mal Plattenspieler auf der Bühne! (lacht) Alles, was ich benutze, ist Ableton Live, mit dem ich auch produziere, und der APC MK II Controller von Akai. Aber ich habe da auf jeden Fall Bock, mich noch mehr damit zu beschäftigen, Beatsets zu spielen und mit meinem Homie LUX die Bühnen dieser Welt unsicher zu machen.
(Florence Bader & Daniel Fersch)
(Grafiken von Daily Puffy Punchlines, Logo von KL52)
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