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Interview

Ruffiction

"Es ist wirk­lich so, dass wir von der HipHop-​Szene frü­her nie akzep­tiert wur­den." – Die bei­den Rap­per Crys­tal F & Arbok 48 von Ruf­fic­tion im Inter­view über die Deutschrap­sze­ne, ihre Pro­ble­me mit der BPjM und die "Ruf­fa­mi­lia".

Denkt man an "Frie­den", dann hat man dabei sicher nicht unbe­dingt Pan­zer, Sol­da­ten­hel­me oder Kri­sen­ge­bie­te vor dem inne­ren Auge. Für Crys­tal F, Arbok 48 und Crack Claus ist aller­dings genau das die­ser angeb­li­che "Frie­den": ein geheu­chel­ter Zustand, ein ande­res Wort für "Krieg". Dem­entspre­chend heiß geht es auch auf der aktu­el­len, gleich­na­mi­gen Ruffiction-​Platte her. Kein Wun­der also, dass die BPjM seit jeher ein Auge auf die drei­köp­fi­ge Crew gewor­fen und ihnen mit­un­ter bereits die kom­plet­te Web­sei­te wegen "jugend­ge­fähr­den­der Inhal­te" gesperrt hat. Aber als "die Bösen" las­sen sich Ruf­fic­tion nicht so ein­fach – oder zumin­dest nur unger­ne – abstem­peln. Wir führ­ten mit Crys­tal F und Arbok 48 anläss­lich des Releases ein aus­führ­li­ches Inter­view, in dem wir nicht nur über Indi­zie­rungs­ver­fah­ren, das aktu­el­le Album und ihr Zuge­hö­rig­keits­ge­fühl zur Deutschrap­sze­ne spra­chen, son­dern auch über das, wofür das Label eigent­lich ste­hen möch­te: Zusammenhalt.

MZEE​.com: "Frie­den ist all­ge­mein defi­niert als ein heil­sa­mer Zustand der Stil­le oder Ruhe, als die Abwe­sen­heit von Stö­rung oder Beun­ru­hi­gung und beson­ders von Krieg" – zumin­dest laut Wiki­pe­dia. Wenn man sich euer aktu­el­les Album anhört, trifft davon aller­dings über­haupt nichts zu … Wie defi­niert ihr "Frie­den"?

Crys­tal F: Frie­den ist für uns, ein­fach alles platt­zu­wal­zen, bis nichts mehr da ist. Das fan­den wir ziem­lich tref­fend. Man kennt das ja: Wenn Frie­dens­trup­pen in irgend­wel­che Kri­sen­ge­bie­te geschickt wer­den, bedeu­tet das eigent­lich nur, dass dort unter vor­ge­hal­te­nem Frie­den Krieg geführt wird. Wir fan­den, dass das ganz gut passt, um mit einer gegen­sätz­li­chen Sache das Album zu beschrei­ben. Das Logo des Albums ist ja auch das umge­dreh­te Frie­dens­zei­chen. Auf "Ruff­necks" hat­ten wir noch das nor­ma­le auf einem Sol­da­ten­helm und dem­entspre­chend fan­den wir ein­fach die Sym­bo­lik geil.

MZEE​.com: Das heißt, ihr habt die Sym­bo­lik von "Ruff­necks" auch bewusst auf dem Cover weitergeführt?

Crys­tal F: Genau. Mit dem Logo zu spie­len war eine der Grund­ideen, die ich hat­te. Das Peace-​Zeichen und eine Gegen­sätz­lich­keit. Bei "Ruff­necks" war das der Helm und die­ses Mal ist es eben das umge­dreh­te Frie­dens­zei­chen, der Name und das Kriegs­ge­biet in Kom­bi­na­ti­on. Das war das Konzept.

MZEE​.com: Wann stand die­ses Kon­zept denn und wann habt ihr mit der Pro­duk­ti­on begonnen?

Crys­tal F: Die Idee zu Album­ti­tel und Art­work hat­te ich schon recht früh. Niko­laus hat­ten wir den ers­ten Stu­dio­ter­min. Vor­her hat­ten wir uns auf vier Beats geei­nigt und mit den ers­ten Songs ange­fan­gen. Bei "Ruff­necks" stand, als das Album fer­tig war, noch nichts. Der Name ist damals aus einem YouTube-​Kommentar unter dem ers­ten Video ent­stan­den. (lacht) Wir haben die gan­ze Zeit über­legt, wie wir's nen­nen kön­nen und ich hat­te 40 Vor­schlä­ge, die die ande­ren nicht so cool fan­den. Dann hab' ich mir bei dem "RUFF"-Video mal die Kom­men­ta­re durch­ge­le­sen und da hat­ten eini­ge geschrie­ben: "Das sind ja rich­ti­ge Ruff­necks." Und ich dach­te: "Boah, war­um sind wir da nicht vor­her drauf gekom­men?!" Das hab' ich den ande­ren dann vor­ge­schla­gen und die mein­ten: "Ich weiß nicht …" Und dann hab' ich gesagt, wenn sie bis mor­gen kei­ne bes­se­re Idee haben, neh­men wir das. (lacht) Dan­ke an die­sen Kom­men­tar auf jeden Fall!

MZEE​.com: Ver­folgt ihr gene­rell, was bei You­Tube, Face­book und Co. über euch geschrie­ben wird?

Arbok 48: Bei You­Tube lese ich mir schon viel durch. Aber immer nur in der ers­ten Woche, in der ein neu­es Video gekom­men ist. Bei Face­book natür­lich auch – da beant­wor­te ich jede Nach­richt, die ankommt … Es sei denn, die Leu­te schrei­ben nur "Hi" oder "Yo". Aber sonst bekommt bei mir jeder eine Antwort.

MZEE​.com: Seit "Ruff­necks" im letz­ten Jahr erschie­nen ist, konn­tet ihr eini­ge grö­ße­re Erfol­ge ver­bu­chen, was Auf­merk­sam­keit und Ver­kaufs­zah­len angeht. Gab es den einen Moment, an dem klar wur­de, dass Ruf­fic­tion mitt­ler­wei­le mehr als ein Hob­by ist?

Crys­tal F: Es hat sich wäh­rend der Pro­mo­pha­se zu "Ruff­necks" abge­zeich­net, dass es dies­mal plötz­lich funk­tio­niert. Das konn­ten wir uns alle nicht wirk­lich erklä­ren. Wahn­sin­nig, wie wir sind, haben wir aber auch viel zu viel Geld in das Pro­jekt inves­tiert. So nach dem Mot­to: Wir set­zen alles auf eine Kar­te und gucken, ob's klappt oder nicht. Und irgend­wie hat es geklappt. Als wir dann die ers­ten Infos hat­ten, was die Ver­käu­fe bedeu­ten könn­ten, waren wir alle eher über­for­dert damit. Einen bestimm­ten Moment gab's da aber nicht. Nach "Ruff­necks" war klar, dass es noch mehr Arbeit bezie­hungs­wei­se der Druck grö­ßer wird, wenn wir das nächs­te Album ange­hen, weil man an die­sen Erfolg anknüp­fen möch­te. Man will die Fans auch nicht ent­täu­schen – weder die alten noch die neu dazu­ge­kom­me­nen. Aber es ist immer noch ein sehr zeit­auf­wän­di­ges Hob­by, das noch zeit­auf­wän­di­ger gewor­den ist … aber schon immer noch ein Hobby.

MZEE​.com: Du machst ja nach wie vor viel selbst und packst bei­spiels­wei­se hun­der­te Fan-​Pakete im Allein­gang in dei­ner Woh­nung – will man das nicht irgend­wann mal abgeben?

Crys­tal F: (lacht) Das ist schwie­rig. Ich geb' immer unger­ne Din­ge ab, weil ich immer Angst habe, dass was falsch gemacht wird … ne, Mario?

Arbok 48: Ja. (grinst) Nicht, dass dann Auto­gramm­kar­ten an wen anders geschickt wer­den, das wol­len wir ja alle nicht.

Crys­tal F: Ich bin beim aktu­el­len Album schon an mei­ne Gren­zen gesto­ßen – mehr­fach. Aber das hat auch meh­re­re Grün­de. Wenn man ein paar Leu­te da hat, geht das schon. Und mir wur­den dies­mal auch Sachen abge­nom­men, die vor­her kom­plett von mir allei­ne gemacht wur­den. Aber ich wüss­te ehr­lich gesagt nicht, wem ich das anver­trau­en wür­de – außer Arbok und Claus.

MZEE​.com: Was ist denn eure gene­rel­le Rol­len­ver­tei­lung? Wer über­nimmt wel­che Funk­ti­on inner­halb des Labels – abseits von der Musik?

Arbok 48: Es ist eigent­lich ganz ein­fach: Ich mach' die Gra­fik und alles ande­re macht Crys­tal F. Und Claus macht nichts.

Crys­tal F: Genau. Claus ist dafür zustän­dig, zu spät zu kom­men, sich zu betrin­ken, Dro­gen zu neh­men und nicht ans Tele­fon zu gehen.

Arbok 48: Dar­um ist er jetzt auch wie­der nicht da.

Crys­tal F: Am Wochen­en­de hat er auf die Fra­ge hin, was ihn aus­macht, auch noch mal ganz bezeich­nend gesagt: Dro­gen neh­men, jedes Wochen­en­de Par­ty machen und sau­fen. (alle lachen)

MZEE​.com: Seid ihr mit der Rol­len­ver­tei­lung zufrie­den und fühlt ihr euch als Ruf­fic­tion momen­tan komplett?

Crys­tal F: Musi­ka­lisch steht das außer Fra­ge – da sind wir auf jeden Fall kom­plett. Inner­halb die­ser zehn Jah­re Band­ge­schich­te, die wir bald haben, ging es nie pas­sen­der in eine Rich­tung als jetzt, weder live noch auf CD. Davor war's so, dass wir teil­wei­se zu sechst auf einem Song waren und jeder halt ein biss­chen abge­wi­chen ist. Die Marsch­rich­tung war zwar oft die­sel­be, aber jetzt ist es auch musi­ka­lisch so stim­mig wie noch nie. Orga­ni­sa­to­risch würd' ich mir natür­lich wün­schen, dass ich nicht mehr ganz so ein­ge­spannt bin und dass die ande­ren manch­mal etwas mehr krea­ti­ven Input mit­brin­gen. (lacht) Ansons­ten ist alles gut.

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MZEE​.com: Im Ver­gleich zum Vorgänger-​Release "Ruff­necks" fin­den wir auf jeden Fall, dass ihr auf "Frie­den" noch ein gutes Stück mehr mit­ein­an­der har­mo­niert – muss­tet ihr euch viel­leicht erst ein wenig als "Crew" ein­spie­len, um jetzt so nach­le­gen zu kön­nen? Könn­te man "Ruff­necks" noch als Expe­ri­ment ansehen?

Arbok 48: "Ruff­necks" war das ers­te Pro­jekt, das wir kom­plett zu dritt gemacht haben. Man könn­te schon sagen, dass es ein Expe­ri­ment war – aber ein Expe­ri­ment ist für mich eher ein Pro­jekt, bei dem man nicht weiß, ob's was wird oder nicht. Eigent­lich war uns aber schon klar, dass das was wird, weil wir die­sel­be Art von Musik machen. Expe­ri­ment ist dar­um viel­leicht ein unpas­sen­der Begriff.

Crys­tal F: Auf jeden Fall war der Anfang von "Ruff­necks" eine Fin­dungs­pha­se. Wir muss­ten zu dritt gucken, was wir jetzt machen – und vor­her waren wir zu sechst. 2013 waren wir fast nur live unter­wegs, haben da aber schon unse­re Rol­len gefun­den. Da hat man gemerkt, was man zu dritt für eine Dyna­mik hat, die man vor­her viel­leicht nicht hat­te. Das hat uns viel gebracht. Wir woll­ten eigent­lich schon Anfang 2013 mit "Ruff­necks" anfan­gen, haben dann aber erst im Herbst damit begon­nen und gemerkt, dass wir wie­der einen Schritt zu frü­he­ren Sachen zurück­ge­hen. Zum Bei­spiel, dass wir uns tref­fen, um Sachen auf­zu­neh­men, und nicht mehr alles hin- und her­schi­cken. Da fand ich schon, dass wir uns gefun­den haben. Und bei "Frie­den" waren wir dann ein­ge­spielt. Das ist ja direkt im Anschluss an "Ruff­necks" ent­stan­den – Album-​Release, Tour, Album­ar­bei­ten, ohne Unter­bre­chung. Selbst auf Tour sind wir zwi­schen den Dates noch ins Stu­dio gegan­gen, um zu arbei­ten. Ich würd's nicht Expe­ri­ment nen­nen, aber als ers­ten Schritt in die neue Rich­tung sehen.

MZEE​.com: Habt ihr zur­zeit auch noch ande­re Solo­pro­jek­te in der Mache oder fokus­siert ihr euch kom­plett auf Bandprojekte?

Arbok 48: Solo­al­ben soll's auf jeden Fall geben und Crys­tal F ist da auch schon wie­der am Machen …

Crys­tal F: Ich per­sön­lich wür­de nerv­lich jetzt kein Cre­w­al­bum mehr aus­hal­ten, glau­be ich. Natür­lich weiß man, dass man jetzt eine Mar­ke als Crew gesetzt hat, aber wir waren vor­her auch schon immer solo unter­wegs – bis auf Claus, auf sein Album war­tet man seit 2006. (lacht) Aber ich bin ein eigen­stän­di­ger Solo­künst­ler und Arbok hat auch ein gutes Solo­al­bum gemacht … Es macht auch extrem viel Spaß, solo zu arbei­ten. Ich hab' sehr viel Lust drauf und werd' dem­nächst wie­der damit anfangen.

MZEE​.com: Wo seht ihr dar­in die Vor- und Nach­tei­le? Muss­tet ihr bei "Frie­den" unter­ein­an­der vie­le Kom­pro­mis­se eingehen?

Arbok 48: Natür­lich hat jeder sei­nen eige­nen Geschmack, was die Beats betrifft – und vor allem Claus hat da einen sehr spe­zi­el­len. Der muss sich öfter auch mal an Hau­ke (Crys­tal F, Anm. d. Red.) anpas­sen. Wir har­mo­nie­ren als Grup­pe gut, aber wenn man ein Solo­al­bum macht, hat man die vol­le Frei­heit – du kannst machen, was du willst und musst nicht zu dritt abstim­men, ob man den Beat jetzt fei­ert oder nicht.

Crys­tal F: Was mir an einem Solo­al­bum extrem gefällt, ist, dass man ande­ren nicht hin­ter­her­lau­fen muss. Man arbei­tet für sich, hat sei­ne Idee und kann die kom­plett aus­ar­bei­ten. Es ist ein­fach wahn­sin­nig schwie­rig, wenn drei Leu­te invol­viert sind. Weil das heißt, dass einer auch immer ein biss­chen weni­ger von etwas über­zeugt ist als ein ande­rer. Solo ist ein kom­plett ande­rer Film. Natür­lich kann man sich dann auch nicht auf ande­ren aus­ru­hen – wenn's schei­ße wird, ist man selbst schuld. Für die iTunes-​Edition von "Frie­den" hat jeder einen Solo-​Track gemacht und da haben wir erst wie­der fest­ge­stellt, wie unter­schied­lich jeder von uns solo ist. 2012 kam mein letz­tes Solo­al­bum, seit­dem hab' ich nichts mehr allein gemacht. Arbok und Claus genau­so. Da hat man gemerkt, dass jeder sein Ding macht und das extrem cool ist, aber ich hät­te nie­mals auf Claus' Beat gerappt. Er hat mei­nen aber total gefei­ert und sich, glau­be ich, gewünscht, dass wir den auf "Frie­den" gehabt hät­ten, weil er total in die­se alte Rich­tung geht. (lacht)

MZEE​.com: Ihr seid ver­mut­lich eine der Grup­pen, die hier­zu­lan­de am meis­ten mit der BPjM zu kämp­fen haben. Jetzt, wo eure Reich­wei­te immer mehr steigt: Ach­tet ihr – bewusst oder unbe­wusst – viel­leicht doch ein wenig mehr dar­auf, wie ihr wel­chen Inhalt for­mu­liert, sodass man eine Indi­zie­rung leich­ter umge­hen könnte?

Crys­tal F: Nein. Wir den­ken da gar nicht drü­ber nach und jeder, der "Frie­den" gehört hat, hat mir auch gesagt, dass wir im Ver­gleich zu "Ruff­necks" viel här­ter gewor­den sind. Ist mir auch so vor­ge­kom­men, weil ich mir bei dem, was ich geschrie­ben hab', von Anfang an dach­te: Okay, da könn­te der Ver­trieb jetzt nicht so glück­lich mit sein. (lacht) Aber nein, wir machen uns da gar kei­ne Gedan­ken drü­ber, ob die BPjM jetzt des­we­gen kommt. Wenn sie will, schrei­tet sie halt ein. Wir hat­ten schon ein paar Ärge­rei­en mit denen und letz­tens erst eine Gerichts­ver­hand­lung, die aus so einer BPjM-​Geschichte ent­stan­den ist. Da lief eine Anzei­ge gegen uns, aber wir wur­den frei­ge­spro­chen, was ganz … ange­nehm war. (grinst)

MZEE​.com: Ihr seid eine der ers­ten Crews, von der tat­säch­lich Free-​Releases indi­ziert wurden …

Crys­tal F: Ich kenn' kei­ne ande­re, bei der so war …

Arbok 48: Ich auch nicht. Sogar die Internetseite …

Crys­tal F: Genau. Die Inter­net­sei­te, Free-​Releases und Vide­os – alle Online-Inhalte.

MZEE​.com: Auch wenn ihr das bestimmt nicht gut­heißt – könnt ihr zumin­dest nach­voll­zie­hen, dass die BPjM so eingreift?

Arbok 48: Ich kann's teil­wei­se nach­voll­zie­hen, weil bei der BPjM wahr­schein­lich Leu­te sit­zen, die sich nicht wirk­lich damit befas­sen. Die hören die Lie­der, lesen die Tex­te und stem­peln das ab. Aber sie befas­sen sich nicht mit den Fans oder Leu­ten, die das hören. Das sind kei­ne Gefähr­de­ten, die die Tex­te so ernst neh­men, dass sie des­we­gen Amok lau­fen wür­den. Und das ist für mich das Pro­blem. Die sind da nicht so rich­tig drin und haben 'ne ande­re Sicht drauf, des­halb kann ich ver­ste­hen, war­um sie das so machen, wie sie's machen. Aber ich kann's im End­ef­fekt für mich nicht ver­ste­hen. Ich hab' noch kei­nen Fan erlebt, der gesagt hat: Geil, eure Musik hat mich dazu gebracht, dass ich jetzt auf die Stra­ße gehe und jeman­dem auf die Schnau­ze haue. Eher im Gegen­teil. Wir krie­gen immer Feed­back von wegen: "Die Musik hat mir gehol­fen". Ich hab' schon Nach­rich­ten von Leu­ten bekom­men, die mein­ten, dass sie nur noch wegen unse­rer Musik am Leben sind. Das ist also eher das kom­plet­te Gegen­teil mei­ner Mei­nung nach …

Crys­tal F: Ich kann ver­ste­hen, dass man Musik, die Gewalt the­ma­ti­siert, Kin­dern nicht zugäng­lich machen möch­te. Das kann ich voll­kom­men nach­voll­zie­hen. Wir machen ja wirk­lich Erwachsenen-​Unterhaltung, wie Fil­me halt auch. Was ich aber abso­lut gar nicht ver­ste­hen kann, ist, wenn dann straf­recht­lich gegen jeman­den vor­ge­gan­gen wird, weil er Musik macht und dar­in viel­leicht Sachen sagt, die ande­re in Büchern oder Fil­men dar­stel­len. Da muss ich sagen: Das ist ein rie­sen­gro­ßes Pro­blem für mich. Ich hat­te auch mal eine Pha­se, in der ich gedacht habe, ich kann gar kein Solo­al­bum mehr machen, weil ich, wenn ich Pech hab', eine Anzei­ge und Vor­stra­fe bekom­me. Dafür, dass man thriller- oder hor­ror­mä­ßi­ge Musik macht. Man müss­te eigent­lich wis­sen, dass Musik nur Musik ist. Und die macht man nicht, um alles so rea­lis­tisch wie mög­lich dar­zu­stel­len – man möch­te sich auch aus­le­ben können.

MZEE​.com: Gibt es nicht die Rege­lung, die besagt, dass man gewalt­tä­ti­ge Hand­lun­gen in einem Track selbst voll­zie­hen, aber nicht dazu auf­ru­fen darf?

Crys­tal F: Jein. Ich kenn' mich nicht kom­plett mit den Richt­li­ni­en der BPjM aus, aber weiß, dass Songs, auf denen ich in der Ich-​Perspektive erzählt habe, aus­schlag­ge­bend für Indi­zie­rungs­ver­fah­ren waren.

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MZEE​.com: Wir haben eben schon über eure Fans gespro­chen – die sind mit­un­ter für ihren kras­sen Rück­halt euch gegen­über bekannt. Was war das kras­ses­te, das ein Fan je gemacht hat, um sei­ne Zuge­hö­rig­keit zur "Ruf­fa­mi­lia" zu demonstieren?

Crys­tal F: Es gibt zwei Sachen. Einer der kras­ses­ten Momen­te für mich war der, als sich jemand "Ruf­fic­tion" übers Schlüs­sel­bein tät­to­wiert hat. Das war 2009 oder so. Den haben wir eine Zeit lang auf allen Kon­zer­ten gese­hen und er hat uns sei­ne Geschich­te erzählt, war im Knast und so wei­ter. Für uns war das ein­fach … ja, eine Art Mind­blow. Den haben wir in Jena letz­tens end­lich auch mal wie­der gese­hen, nach län­ge­rer Zeit. Ich hab' ihn auch auf meh­re­ren Songs erwähnt, zum Bei­spiel auf "Stress": "Ech­te Pan­zer­fans haben den Namen auf dem Schlüs­sel­bein". Oder auf "Kopf­schmer­zen": "Ech­te Pan­zer­fans küm­mern sich um ihre Toch­ter". Das war in Bezug auf ihn und ein prä­gen­der Moment. Immer, wenn man sich sieht, freut man sich extrem dar­über. Und eine ande­re Sache war ein­fach, dass ein Fan­pär­chen sei­nen Sohn nach mir benannt hat und nach einem Kon­zert zu mir gekom­men ist. Die bei­den haben sich mei­nen Vor­na­men in mei­ner Hand­schrift auf­schrei­ben und tät­to­wie­ren las­sen. Das war auch ein wahn­sin­ni­ger Moment – wer macht sowas?!

MZEE​.com: Fällt es euch schwer, zu rea­li­sie­ren, dass Leu­te wegen eurer Musik so etwas machen?

Arbok 48: Bei mir manch­mal schon, ja.

Crys­tal F: Ich bin ehr­lich gesagt immer noch nicht ange­kom­men, weil ich nach wie vor in dem Glau­ben bin, dass unse­re Musik doch eigent­lich gar kei­ner hört. Frü­her hab' ich immer gedacht: Gibt es wirk­lich Men­schen auf der Welt, die sich mor­gens wie ich unse­re Musik anhö­ren? Das wirkt sehr unrea­lis­tisch, weil man durch das Inter­net eine Hür­de zwi­schen den Fans und sich selbst hat. Durch das Live-​Spielen kriegt man das bes­ser mit. Aber es ist teil­wei­se schon sehr krass, was man für Emo­tio­nen in Men­schen aus­löst mit dem, was man macht. Und auch, was Tex­te, die man geschrie­ben hat, für ande­re bedeu­ten. Das ist manch­mal schon schwer zu verstehen.

MZEE​.com: Ihr geht mit dem Album wie­der auf Tour, oder?

Arbok 48: Ja, aller­dings auf eine klei­ne­re Tour. Wir haben gera­de unse­re Boo­king­agen­tur gewech­selt und Claus hat wegen sei­ner Prü­fun­gen nur zu bestimm­ten Ter­mi­nen Zeit. Aber nächs­tes Jahr wird das wahr­schein­lich ein biss­chen größer.

MZEE​.com: Habt ihr irgend­wel­che irren Vor­stel­lun­gen in Bezug auf eure Bühnenshows?

Arbok 48: Mein größ­ter Wunsch ist eigent­lich, dass Claus bei jedem Kon­zert dabei ist. (lacht)

Crys­tal F: Wir brau­chen gar kei­ne Büh­nen­show. Wir sind zu dritt schon Enter­tain­ment genug, wür­de ich sagen. Unse­re Kon­zer­te sind jetzt auch nicht die klas­si­schen HipHop-​Konzerte, son­dern eher ein Erleb­nis. Weil wir aus so vie­len Sze­nen Ein­flüs­se mit­ge­nom­men und einen Misch­masch dar­aus gemacht haben. Wir haben jah­re­lang nur mit Hardcore- und Metal­bands gespielt und da muss man ein­fach eine ganz ande­re Ener­gie mit ein­brin­gen. Die meis­ten HipHop-​Konzerte sind stink­lang­wei­lig. Und ich find' uns ehr­lich gesagt sehr enter­tai­nend – auch ohne gro­ßes Büh­nen­bild, das haben wir eigent­lich gar nicht nötig.

Arbok 48: Aber wir haben jetzt Tamas als DJ, der wird sich auf der Tour wahr­schein­lich auch die ein oder ande­re Sache aus­den­ken und uns damit über­ra­schen. (lacht)

MZEE​.com: Ihr habt gera­de erwähnt, dass ihr auch aus ande­ren Sze­nen vie­le Ein­flüs­se und Fans mit­bringt – fühlt ihr euch trotz­dem der Deutschrap­sze­ne ver­bun­den? Wür­det ihr sagen, dass das eure Sze­ne ist?

Crys­tal F: Nein.

Arbok 48: Ich würd' auch eher nein sagen. Es kommt mir immer noch so vor, als wür­den wir mit der Sze­ne nichts am Hut haben. Das ist irgend­wie mein Emp­fin­den – wir sind unse­re eige­ne Spar­te und da ist kein anderer.

Crys­tal F: Voll­kom­men. Es ist wirk­lich so, dass wir von der HipHop-​Szene frü­her nie akzep­tiert wur­den. Wir haben uns nicht aus­ge­dacht, dass wir nur auf Hardcore-​Shows spie­len, son­dern wur­den halt nir­gend­wo anders gebucht. Wir sind aber auch nicht hard­core. Wir ste­hen da zwi­schen den Stüh­len – wir sind Rap­per, die in der Hardcore-​Szene groß gewor­den sind. Aber nicht mit Hardcore-​Musik, son­dern mit Rap. Und das ist einer unse­rer größ­ten Vor-, aber viel­leicht auch größ­ten Nach­tei­le. Dass wir unse­re eige­ne Spar­te geschaf­fen haben – und zwar "Ruf­fic­tion". Es gibt kei­nen, der uns da ähn­lich ist. Du kannst über uns nicht sagen: "Die sind wie der und der" … wir sind wie wir. So eine Mischung der Musik, Sze­nen und Stil­rich­tun­gen gab es vor­her ein­fach nicht. Und die Medi­en woll­ten uns auch nicht. Guck mal: Jetzt ist 2015, wir machen seit zehn, elf Jah­ren Musik und die­ses Jahr ist das ers­te, in dem wir Inter­views mit der JUICE oder Back­spin haben. Oder 16bars. Man wird über­all als New­co­mer gehan­delt, obwohl wir abso­lut kei­ne New­co­mer sind, son­dern schon 25, 26 Releases raus­ge­bracht haben. Dar­über wur­de nie gere­det. Und das ist auch ein Indiz für uns, dass uns die HipHop-​Szene nie wirk­lich wahr­ge­nom­men hat. Das ändert sich gera­de ein biss­chen und seit "Ruff­necks" ist es schon so, dass man wie­der mehr in der Sze­ne unter­wegs ist, aber so rich­tig ange­kom­men sind wir nicht. Wenn jemand von "Ruf­fic­tion" redet, heißt es ent­we­der "Kenn' ich nicht" oder "Das sind die Kras­sen, die Index-Leute".

MZEE​.com: Was müss­te denn pas­sie­ren, dass ihr euch in der Deutschrap-​Szene ange­kom­men fühlt?

Arbok 48: Aufm Splash! auf­tre­ten. Die sim­pels­ten Din­ge viel­leicht. Die­ses Jahr spie­len wir noch auf ein, zwei Hardcore-​Festivals, aber dass ein HipHop-​Festival uns bucht, ist irgend­wie sehr unrea­lis­tisch … Aner­ken­nung von der Szene.

MZEE​.com: Ihr hört pri­vat auch über­wie­gend Deutschrap?

Crys­tal F: Ja. Nicht nur, aber das ist auf jeden Fall unse­re Musik­rich­tung. Ich hab' in den letz­ten zwei, drei Jah­ren aber ein biss­chen weni­ger gehört, weil mich Deutschrap zur­zeit etwas lang­weilt. Da fal­len zu vie­le Phra­sen, es ist alles so berech­nend, Leu­te wer­den ver­arscht, Rap­per sagen Din­ge, die sie gar nicht so mei­nen … Aber es ist trotz­dem unse­re Musik. Wir sind damit groß gewor­den und es ist die Musik, die uns am meis­ten geprägt hat.

MZEE​.com: Hat sich das Anse­hen von Deutschrap in der Gesell­schaft eurer Mei­nung nach in der letz­ten Zeit geän­dert, wenn man mal einen Ver­gleich zu der Situa­ti­on von vor fünf Jah­ren zieht?

Arbok 48: Auf jeden Fall. Frü­her lief im Radio außer Fanta4 oder Fet­tes Brot nichts, aber wenn ich jetzt 1LIVE ein­schal­te, kommt da von Gene­tikk über Kol­le­gah bis zu weiß-​ich-​nicht alles. Die Leu­te wis­sen mitt­ler­wei­le auch mehr damit anzu­fan­gen. Frü­her hieß es halt zum The­ma Hip­Hop: Okay, das sind irgend­wel­che Leu­te mit schrä­ger Cap­py und die kif­fen. Das Kli­schee geht mei­ner Mei­nung nach lang­sam weg. Ich fin­de schon, dass sich da was krass ver­än­dert hat.

MZEE​.com: Die letz­ten Wor­te gehö­ren euch – wenn ihr euren Fans mal etwas mit­tei­len wollt, dürft ihr das ger­ne an die­ser Stel­le machen.

Crys­tal F: Dan­ke für eure Unter­stüt­zung und dan­ke für das Beglei­ten des Albums und von uns. Wir freu­en uns auf die Tour und auf euch!

Arbok 48: Prost!

(Flo­rence Bader & Pas­cal Ambros)
(Fotos von Bas­ti­an Harting)

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