Hab' mich zu oft bewegt, als mich das Leben zeichnete.
Die Wege funkeln im Licht der Laternen. Ein letzter Nachtbus sammelt müde gähnende Party-Gänger für den Weg Richtung Heimat auf. Und während die Straßen vom Lärm klirrender Bierflaschen erfüllt sind, sitzt Chefket in seiner Berliner Wohnung, voll konzentriert und aufmerksam. Er ist schließlich "wach, wenn die anderen schlafen" ("Nachtmensch").
Auf einer circa 41 Minuten langen Reise lernen wir die Welt des "Live MC" kennen. Die musikalische Tour des Heidenheimers beginnt untypischerweise am Ende eines durchzechten Abends: Beim letzten "Tanz" in der Disco, bevor die nächsten Erinnerungen an vergangenes Treiben von "Kater"-Gefühlen getrübt sind. Vor der letzten Einlage im Club liegt schließlich auch immer ein letzter Drink mit Freunden, falls das Taxi von der Partylocation nicht direkt in das Bett einer Fremden führt. Ein Szenario, welches dem Rapper wohl auch nicht gänzlich fremd ist ("Carie Me Homeland"). Die Idee, Chefkets neuster Streich sei doch nicht mehr als nur ein Album, das zwischen Stammtisch-Theke und Feier-Eskapade entstand, liegt dennoch zu jedem Zeitpunkt fernab der Realität. Es geht da um viel mehr. Es geht um "Träume", ums "Fliegen", um den Gedanken, wieso wir eigentlich hier sind und ob die Welt nicht ohne uns besser dran wäre. Emotionsgeladene Kopfspielereien in einem Verstand, der offensichtlich keine Grenzen kennt. Auch musikalisch nicht. Gemeinsam mit Farhot schafft Chefket einen Soundteppich, der wie eine Symbiose aus Jazz, Soul, Rap und Rock wirkt. Die Gefahr, vor allem bei solch phrasenlastigen Songs wie "Träume" ins Rührselige abzurutschen, überspielt der Heidenheimer geschickt mit tatsächlich verträumt klingender Gesangshook und toll gewähltem Melody Gardot-Sample. So viel Liebe zum Detail findet sich in fast jedem Moment der Platte. Mit einer Endzeit-Radioansage zu Beginn, dem hysterischen, aber unaufdringlichen Frauenchor in der Hook und einem lässigen Chefket lässt sich auch die Utopie einer menschlichen "Vernichtung" viel besser ertragen. Selbst die Konzeptlosigkeit eines "Wir" wirkt auf eine krude Art durchdacht, wenn mitten im Song der Beat komplett umswitcht und Hidden-Special-Guest Marteria sich die Ehre gibt.
"Nachtmensch" wirkt einfach rundum gelungen, stimmig und innovativ. Eine kleine Hymne für all diejenigen, die mit ihrem Biorhythmus längst in einer anderen Zeitzone zu leben scheinen. Etwaige Ausrutscher wie dem doch sehr klischeebeladenen "Fliegen" grinst der "glücklichste Rapper" der Welt auch einfach immer nur sympathisch weg. In diesem Sinne: Cheers und gute Nacht!
(Sven Aumiller)
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