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Kritik

Miasma – Existenz

Leben oder Tod, alles zieht an uns vorbei.
Die­se Welt lässt uns kalt, denn wir flie­gen Rich­tung Licht ins All …

Ver­mut­lich gibt es nicht all­zu vie­le Rap­per, bei denen Name und Musik­stil so exakt inein­an­der­grei­fen wie bei Mias­ma. Denn der Begriff ist nicht nur im biologisch-​medizinischen Kon­text als eine Art krank­heits­er­re­gen­de Luft­ver­un­rei­ni­gung zu ver­ste­hen, son­dern kann gene­rell kör­per­lo­se Ansamm­lun­gen von Gefüh­len, Ener­gien oder Ähn­li­chem beschrei­ben. Und tat­säch­lich kann Mias­mas Rap sowie sei­ne neue EP "Exis­tenz" als irgend­wie form­los bezeich­net werden.

Das Gesamt­werk wirkt zunächst wie ein dich­ter Nebel aus der krat­zi­gen Laidback-​Stimme des Rap­pers und smoot­hen und teils recht sphä­ri­schen Beats. Auch text­lich wer­den die Inhal­te eher aus Gefühls- und Gedan­ken­wel­ten gebaut als aus kon­kre­ten Aus­sa­gen. Nichts­des­to­trotz täte man Mias­ma und sei­ner EP Unrecht, belie­ße man es bei der Beschrei­bung "form­los". Denn nebst text­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit dem Älter­wer­den, Exis­tenz­ängs­ten, Dro­gen­kon­sum und dem eige­nen Rap beinhal­tet die EP noch eine eigen­stän­di­ge Geschich­te, die im Zuge von vier ver­schie­de­nen Tracks erzählt wird. Hört man sich die vier "Lichter"-Tracks "Wie­der ver­eint", "In der Fer­ne", "Alles ent­fernt sich" und den "Epi­log" hin­ter­ein­an­der an, erzählt Mias­ma von einer Begeg­nung der drit­ten Art. Anfangs die noch recht nor­ma­le Rück­kehr in sei­nen Hei­mat­ort beschrei­bend, spinnt sich dar­aus ein Tref­fen mit alten Freun­den, die Begeg­nung mit einem Außer­ir­di­schen und das Ent­schwe­ben in tran­szen­den­te Welten.

Fans von hand­fes­ten, greif­ba­ren Aus­sa­gen soll­ten "Exis­tenz" mit Vor­sicht genie­ßen. Denn es ist zuge­ge­be­ner­ma­ßen nicht ganz ein­fach, sich auf die teils recht sphä­ri­schen, expe­ri­men­tel­len Sound­tep­pi­che und den krat­zi­gen Laidback-​Flow Mias­mas zu kon­zen­trie­ren, um den tat­säch­li­chen Inhalt aus sei­nen Tex­ten zu extra­hie­ren. Lässt man sich jedoch dar­auf ein, eröff­net sich dem Hörer ein durch­aus span­nen­des, wenn auch unge­wöhn­li­ches EP-​Konzept. Letzt­lich also doch "form­los" – im posi­ti­ven Sinne.

(Dani­el Fersch)