"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
"Ich will mal was klarstellen: Ich bin eigentlich kein HipHop-Nerd. Ich bin nur ein Comic-Nerd, der den ganzen Tag HipHop hört". Es gibt Textzeilen, die die eigene Gefühls- und Gedankenwelt so exakt wiedergeben, als läse Professor X sie direkt aus Deinem Kopf. Mal geht es dabei um philosophische Aspekte, mal um ganz simple Dinge wie im obigen Zitat. In "Vom Leben gezeichnet" beschreibt NMZS perfekt, wie auch ich die Beziehung zu diesen beiden Passionen in meinem Leben sehe.
Der Track – vom Künstler damals noch selbst in einschlägigen Comicforen vorgestellt – hatte mich 2007 nicht nur inhaltlich sofort für sich gewonnen. Auch NMZS' Flow auf dem Instrumental von "Gatman & Robbin" war schneller als Flash und cooler als Mr. Freeze. Ein paar Klicks später waren die sieben übrigen Tracks der "Trash!"-EP heruntergeladen, die mir den Facettenreichtum von Jakob Wich, so NMZS bürgerlich, veranschaulichten. So widmete er etwa seiner Heimat gleich zwei Tracks, die unterschiedlicher nicht sein könnten. "Düsseldorf" brummt und knarzt wütend wie der Hulk aus den Boxen und erzählt von den finsteren Seiten der NRW-Hauptstadt, während "Die Stadt lebt" tiefenentspannt vor sich hin summt. Obwohl dasselbe Thema in unterschiedlichsten Stimmungslagen behandelt wird, funktionieren beide Tracks auf ihre Weise. Ähnliches gilt für das Tempo, vergleicht man etwa den schleppend trottenden Sound von "Leberhaken" (feat. Koljah und Panik Panzer) mit dem bissigen "N-M-Z-S", welches zudem noch Jakobs Talent als genialen Battlerapper verdeutlicht. Und zwischen Selbstironie und Wortwitz bleibt noch genug Platz für wundervoll stumpfen, Deadpool-gleichen Humor. So verleiht das Loblied auf den "Eintopf" der EP einen ebenso amüsanten wie überraschenden Abschluss, bei dem die Hook besser im Ohr kleben bleibt als das Netz von Spider Man.
Gerade diese Vielschichtigkeit ist es, wegen der ich "Trash!" immer wieder gerne ausgrabe – wie einen alten Comic, den man aus dem Regal holt und sich nochmals zu Gemüte führt.
(Daniel Fersch)